Bye bye Belgium?
"Belgien aufspalten?- Schwierig aber möglich", titelt heute Het Belang van Limburg. Le Soir kommt auf Seite 1 zu einer ähnlichen und doch umgekehrten Schlussfolgerung: "Der flämische Plan B: Theoretisch ja, praktisch nein".
Der flämische Fernsehsender VRT hat gestern im Rahmen einer Sondersendung die Frage beleuchtet, ob eine Spaltung des Landes möglich ist. Zu Wort kamen namhafte Universitätsprofessoren, die in ihren jeweiligen Fachgebieten die Machbarkeit eines solchen Szenarios ausgelotet haben. Deren Schlussfolgerung: Eine Spaltung des Landes ist theoretisch nicht undenkbar, um nicht zu sagen: möglich.
Allerdings besteht auch Einigkeit darin, dass es ein schwieriges, fast schon beispielloses Unterfangen wäre. Lange Verhandlungen müssten der Spaltung vorausgehen, und damit eine genau so lange Übergangszeit. Und diese Übergangszeit wäre "traumatisch", so die Schlagzeile von De Standaard. Es wäre eine Periode der Turbulenzen, die damit verbundene Unruhe an den Finanzmärkten würde höchstwahrscheinlich die belgische Staatsschuld noch teurer machen.
Es kann nur Plan A geben
Im Großen und Ganzen war es eine sehenswerte Fernsehsendung, lobt Le Soir, denn: Es wurde nicht um den Brei herumgeredet; vielmehr haben wir dem Gespenst, das seit Jahren das Land heimsucht, endlich einmal in die Augen geschaut. Für die Demokratie und die politische Diskussion war das mit Sicherheit heilsam. Bemerkenswert darüber hinaus: Die vier traditionellen flämischen Parteien CD&V, SP.A OpenVLD und Groen! haben Farbe bekannt: Für sie zählt allein Plan A.
Eine Spaltung des Landes ist möglich, räumt La Libre Belgique ein. Andere Länder haben es schließlich vorgemacht. Nur ist Belgien eben kein Land wie jedes andere. Das Land zu spalten wäre unsagbar schwierig, und man kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass es den Menschen danach besser geht. Bezeichnend: Trotz dieser Feststellungen verkauft die nationalistische N-VA die Spaltung Belgiens als positives politisches Projekt. Le Soir und La Libre Belgique sind sich einig: Es muss alles getan werden, damit Plan A gelingt.
Die Frage ist nicht: machbar? - sondern: wünscheswert?
Auf flämischer Seite fällt das Urteil im Großen und Ganzen ähnlich aus.
Het Laatste Nieuws etwa ist voll des Lobes für die Herangehensweise der flämischen Rundfunk- und Fernsehanstalt. Im Gegensatz zur RTBF, die vor vier Jahren mit der Sendung "Bye bye Belgium" fast schon hysterisch ein Katastrophenszenario plakativ und pathetisch an die Wand malte, war der Ton der VRT-Sendung erfrischend nüchtern und sachlich.
Bemerkenswert vor allem: Die Uni-Professoren haben sich ernsthaft mit der Frage nach der Spaltung des Landes beschäftigt. Plan B ist nicht länger reine Science Fiction. Die Frage nach der Machbarkeit stellt sich nun nicht mehr, dafür umso mehr die Frage, ob ein Spaltungsszenario wünschenswert wäre. Und darauf antworten die Uni-Professoren zusammen mit der Bevölkerung mit einem ganz deutlichen Nein.
Das Verdienst der Fernsehsendung ist ganz klar, dass die Dinge nun endlich mal deutlich ausgesprochen wurden, meint Het Nieuwsblad. Eins dürfte jetzt deutlich sein: Das Ende dieses Landes kann nicht auf einen Slogan reduziert werden. Beim allem Getrommel: Niemand, weder in Flandern noch im frankophonen Landesteil, ist darauf vorbereitet, die Spaltung des Landes in die Praxis umzusetzen. Es sieht also danach aus, als müssten wir erst mal mit Belgien weitermachen.
Die Woche der Wahrheit
Das allerdings ist auch so schon schwierig genug, geben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen zu bedenken. Wenn Plan B auch vielleicht schwierig umzusetzen wäre, so muss man doch feststellen: Auch Plan A funktioniert nicht. Inzwischen deutet viel auf Neuwahlen hin. Tatsächlich ist es für den königlichen Vermittler Johan Vande Lanotte die Woche der Wahrheit, konstatiert auch L'Avenir. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob sein Kompromissvorschlag über ein neues Finanzierungsgesetz zumindest so konsensfähig ist, dass die sieben Parteien wieder miteinander reden wollen.
De Morgen kann in diesem Zusammenhang nur feststellen: Bei der SP.A, der Partei von Vande Lanotte, macht sich Pessimismus breit.
Folter am Arbeitsplatz
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit einem fast schon unglaublichen Fall von Mobbing, der in der vergangenen Woche aufgedeckt worden war. In einem Betrieb in Soignies sind mindestens zwei Mitarbeiter über Jahre hinweg regelrecht gefoltert worden. Zwei Opfer haben am Wochenende im Fernsehsender RTL-TVI ihren Leidensweg geschildert. Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad schlussfolgern beide gleichlautend auf ihrer Titelseite: "Sie wurden gemobbt und gebrochen".
Der Papst und das Präservativ
Schließlich beleuchten viele Zeitungen auch die jüngsten Aussagen des Papstes über den Gebrauch von Präservativen. In einem Interview öffnet das Oberhaupt der katholischen Kirche zaghaft eine Hintertür: Demnach dürfen Kondome in Einzelfällen benutzt werden, um einer Ansteckung mit AIDS vorzubeugen. Die Frage ist nur, so konstatiert L'Avenir, welche Fälle wären das denn im Einzelnen? Müssen die Kardinäle jetzt etwa erst eine Liste der Ausnahmefälle erstellen, in den die Kirche den Gebrauch von Kondomen toleriert?
De Standaard und Le Soir stellen derweil fest: Die Kirche hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Bislang war es so, dass kleine Sätzchen oftmals für einen Sturm der Entrüstung sorgten. Jetzt ist es umgekehrt: Aus einer zaghaften Öffnung wird eine Revolution. Das entspricht nicht der Realität¸ die Kirche hat keine 180 Grad-Wende vollzogen. Aber immerhin, Rom zeigt Einsicht. Und das allein ist tatsächlich schon ein Ereignis.