"Das größte Finanz-Datenleck aller Zeiten", titelt Le Soir. "Die Pandora Papers bringen Politiker, Stars und 1.200 Belgier in Verlegenheit", schreibt De Standaard auf Seite eins. "1.200 Belgiern werden in den Pandora Papers genannt", notiert auch Het Nieuwsblad. "Sogar ein Prinz und ein Radio Moderator tauchen in den Pandora Papers auf", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg.
Dem Internationalen Konsortium von Investigativ-Journalisten ist ein neuer Datensatz mit insgesamt knapp zwölf Millionen brisanten Dokumenten zugespielt worden. Die Unterlagen stammen von 14 Finanzdienstleistern, die auf undurchsichtige Finanzkonstruktionen in Steuerparadiesen spezialisiert sind. An sich sind solche Praktiken nicht illegal. Doch stellt sich die Frage, warum man auf eine Briefkastenfirma zurückgreifen würde, wenn man nichts zu verbergen hat? In den Dokumenten tauchen mehr als 300 Politiker und viele Prominente aus der ganzen Welt auf. Rund 30.000 Dokumente betreffen Menschen, die in Belgien wohnen. Ausgewertet wurden die von den Zeitungen Le Soir und De Tijd sowie dem Nachrichtenmagazin Knack. Diese Medienhäuser wollen auch einige Namen veröffentlichen.
Kampf gegen Steuerbetrug – eine Frage des politischen Willens
Es handelt sich – mal eben – um die größte Recherche aller Zeiten zum Thema Steuerparadiese, bemerkt Le Soir sichtlich stolz in seinem Leitartikel. Diese Mega-Untersuchung beweist zunächst, wie konsequent die Reichen dieser Welt, darunter 35 Staatschefs, auf ausgeklügelte Finanzkonstruktionen zurückgreifen, um in irgendeiner Weise vom Steuerrecht einiger paradiesischer Inseln zu profitieren. Wir sehen hier Fälle von Steueroptimierung, die sich noch im Rahmen der Legalität bewegen, es gibt aber auch Hinweise auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Unterm Strich geht es aber immer darum, möglichst wenig Steuern an den Staat abzuführen. Das ist umso schockierender in einer Zeit, in der die Pandemie und die Überschwemmungen die Staatsfinanzen unter Druck setzen. Gerade im Moment sucht die Vivaldi-Koalition wieder nach zwei Milliarden Euro, um das Budget in der Spur zu halten. Vielleicht sollte man sich noch ein bisschen mehr auf den Kampf gegen Steuerhinterziehung konzentrieren. Das allerdings setzt politischen Willen voraus, nicht nur in Belgien, sondern weltweit.
Stromausfall bei den Haushaltsberatungen?
Apropos Haushaltsberatungen: "Es gibt noch kein Abkommen über Maßnahmen zur Abmilderung der Energierechnung", titelt Het Nieuwsblad. "Keine Lösung für hohe Energiekosten", schreibt auch das GrenzEcho. Die Föderalregierung hat das ganze Wochenende über Maßnahmen beraten, um den Höhenflug der Energiepreise abzufedern. Das Problem ist nur: So etwas kostet Geld. Deswegen erwarten Beobachter, dass die Maßnahmen am Ende Teil des Haushaltsabkommens sein werden. Entsprechend wird man sich noch eine paar Tage gedulden müssen.
Nach dem Sperrfeuer an Ideen, wie man die Energierechnung senken kann, scheinen die Leitungen jetzt plötzlich gestört zu sein, kann Het Nieuwsblad nur feststellen. "Stromausfall", sollte man meinen. Was haben die Parteien nicht alles in den Raum gestellt? Vor allem unter den progressistischen Parteien schien ein Wettbewerb ausgebrochen zu sein nach dem Motto "Wer ist der Sozialste im ganzen Land"? Hohe Erwartungen zu schüren, das gehört zu den schlechten Angewohnheiten von Politikern. Sie können es nicht lassen. Wenn sich nach dem Realitätscheck aber Enttäuschung breitmacht, dann ist das Wasser auf den Mühlen von Extremisten. Denn die können versprechen, was sie wollen.
Falsche Energiedebatte
Eigentlich sehen wir hier eine falsche Energiedebatte, findet Het Laatste Nieuws. Klar, es sind erstmal die Energiepreise, die auf dem Weltmarkt durch die Decke gehen, was sich natürlich auf den Geldbeutel der Haushalte auswirkt. Das ist aber allenfalls die halbe Wahrheit. Längst hat sich die Energierechnung in eine Art Steuererklärung verwandelt. Mindestens ein Drittel besteht aus allerlei Abgaben und Gebühren. Und die sind zudem ungerecht verteilt, de facto bezahlen die Geringverdiener im Verhältnis mehr als die Reichen, also ausgerechnet die, die sich aufwendige Isolierung oder moderne, energiesparende Anlage leisten können. Es wird also Zeit, das ganze System mal grundlegend zu überdenken.
Für die Vivaldi-Koalition schlägt jetzt jedenfalls die Stunde der Wahrheit, ist La Dernière Heure überzeugt. Die Zeit des reinen Krisenmanagements ist langsam, aber sicher vorbei. Diese Regierung wird jetzt Akzente setzen müssen. Jetzt ist vor allem Premierminister Alexander de Croo gefragt. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Haushaltsberatungen ein solides Abkommen hervorbringen. Und ganz nebenbei auch einen ehrgeizigen Plan für die nächsten Jahre. Ansonsten wird diese Equipe eine reine Übergangsregierung bleiben. Und das würde der Wähler diesen sieben Parteien nicht verzeihen. Die N-VA betrachtet die Vivaldi-Koalition ohnehin schon als die perfekte Partitur für das Ende Belgiens. Die Partner sollten sich zusammenraufen und zu der Einsicht kommen, dass sie mit Blick auf 2024 in einem Boot sitzen.
Bemerkenswerte Aufmachergeschichte derweil heute in Het Laatste Nieuws: "20 Millionen Euro für Corona-Tests, die nie durchgeführt wurden", schreibt das Blatt. Offensichtlich hat also die Föderalregierung zu viel für die Teststrategie gezahlt. Profitiert haben offensichtlich auch die Labore der Universitätskrankenhäuser.
Böses Erwachen für die Briten
Het Belang van Limburg schließlich beschäftigt sich mit dem aktuellen Chaos in Großbritannien. Das Vereinigte Königreich ist offensichtlich in der Brexit-Realität angekommen: Trockene Tankstellen, leere Supermarkt-Regale. Der Grund ist, dass nicht genug LKW-Fahrer zur Verfügung stehen. Das allerdings ist eine direkte Folge der neuen, wesentlich strengeren Einwanderungspolitik. Und das ist wohl noch nicht alles. Touristen aus der EU brauchen jetzt ein Reisepass. Und auch die strengeren Kontrollen auf europäische Importe müssen erst noch kommen. Für die Briten ist es jetzt schon ein böses Erwachen aus ihren nostalgischen Träumen. Wobei Boris Johnson & Co. freilich dementieren, dass es irgendeinen Zusammenhang mit dem Brexit gibt. Geblendet von Flaggengewedel verschließen Ultranationalisten die Augen vor der Realität. Das mag komfortabel sein - bis der Sprit ausgeht.
Roger Pint