"Gute Neuigkeiten für Menschen, die ein Haus kaufen wollen", titelt Gazet van Antwerpen. "Die Regierung Jambon regelt die Immobilienbesteuerung neu", schreibt De Tijd auf Seite eins. Het Laatste Nieuws wird konkreter: "Die Eintragungssteuer für den Kauf einer ersten Wohnung wird sich auf nur noch drei Prozent belaufen", so die Schlagzeile.
Die flämischen Zeitungen haben heute nur Augen für die sogenannte Septembererklärung von Ministerpräsident Jan Jambon. Zum Auftakt eines jeden neuen politischen Jahres skizziert die Regierung darin ihre Vorhaben für die nächsten Monate. Sichtbarste Neuerung: Ab Januar kommenden Jahres wird man in Flandern nur noch drei Prozent beim Kauf einer ersten Wohnung zahlen; statt bisher sechs Prozent. Das dürfte den ohnehin schon aufgeheizten Immobilienmarkt weiter befeuern: "Notare erwarten einen Sturmlauf auf Häuser und Wohnungen", notiert jedenfalls Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Der flämische Löwe brüllt nicht wirklich"
Auf frankophoner Seite sieht man das alles mit gemischten Gefühlen. Warum: "Eintragungssteuer: Die Schere zwischen den Regionen wird himmelschreiend", stellt etwa L'Echo fest. Denn in der Tat: In Brüssel und in der Wallonie beläuft sich der Satz immer noch auf 12,5%, also mehr als viermal so viel wie bald in Flandern. "Flandern wird Wallonen und Brüsseler anziehen", glaubt denn auch La Dernière Heure.
Die flämischen Leitartikler bewerten die Septembererklärung von Ministerpräsident Jambon dennoch eher kritisch. "Der flämische Löwe brüllt nicht wirklich", findet etwa Gazet van Antwerpen. Zwar war Jan Jambon sichtlich bemüht, demonstrativen Optimismus an den Tag zu legen. Und doch wirken die konkreten Ambitionen eher bescheiden. So soll das Haushaltsgleichgewicht erst 2027 wieder erreicht werden. Und sparen will man ausgerechnet im Unterrichtswesen beziehungsweise in der Gesundheits- und Sozialpolitik. Unter anderem soll das Kindergeld nicht mehr so schnell steigen, wie bislang versprochen.
"Hat man wirklich keinen anderen Bereich gefunden, wo man den Sparhobel ansetzen konnte?", giftet dazu De Morgen. Kaum hatte man versprochen, dass das Kindergeld den Lebenshaltungskosten folgen würde, da verabschiedet man sich schon wieder davon. Zugegeben: Ein großer, wohlhabender Teil der Bevölkerung wird das kaum merken. Das reine Signal ist aber schon desaströs. Dabei gäbe es Alternativen: Man hätte zum Beispiel die Dienstleistungschecks verteuern können. Die sind ja nichts anderes als ein Zuschuss für die Mittelklasse, um eine Putzhilfe legal beschäftigen zu können. Was lernen wir daraus? Die Mittelklasse wird weiter unterstützt, auch durch die Senkung der Eintragungssteuer, und wer nicht zur Mittelschicht gehört, der hat Pech gehabt.
Eine verpasste Chance
"Man spart eben lieber bei Kindern als bei Putzhilfen", bringt es Het Belang van Limburg auf den Punkt. War das Geld wirklich nicht anderswo aufzutreiben? Und dann auch noch Sparmaßnahmen im Unterrichtswesen! Das Ganze klingt irgendwie wie ein ganz billiger politischer Kompromiss.
Kopfschütteln auch bei Het Laatste Nieuws. Es ist ebenso schade wie unverständlich, dass innerhalb der flämischen Regierung niemand den Reflex hatte, zu sagen: "Sorry, aber vom Kindergeld lassen wir prinzipiell die Finger!" Niemand scheint sich dessen bewusst zu sein, dass diese angeblich rein technische Korrektur doch ziemlich schlecht ankommen würde nach einem Jahr, in dem die Kinderarmut weiter zugenommen hat. Insbesondere Jan Jambon hatte offensichtlich nur vor Augen, sein doch ramponiertes Image aufzupolieren.
Und doch sind in der Septembererklärung einige bemerkenswerte Anzeichen für einen Kurswechsel zu erkennen, glaubt De Standaard. Die Flausen in Bezug auf die vielbeschworene "flämische Identität" sind verschwunden. Und plötzlich hält das Thema Klimaschutz Einzug. Bislang hatte man dazu von der Equipe Jambon nichts gehört. Wie Flandern die Klimaschutzziele erreichen will, dazu schwieg sich der Ministerpräsident jedoch aus. Vielleicht hören wir dazu im kommenden Jahr was.
Het Nieuwsblad spricht insgesamt von einer verpassten Chance. Ziel der flämischen Regierung war offensichtlich in erster Linie, die Mittelschicht zu schonen. Wirkliche Zukunftsvisionen sucht man vergebens. Die Welt hat sich verändert, die flämische Regierung offensichtlich nicht.
Wenn der Hund mit dem Schwanz gewedelt wird
Was man von der deutschen Politiklandschaft nicht behaupten kann. Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit dem Endergebnis der Bundestagswahl im östlichen Nachbarland. "In Deutschland hat der Gewinner nicht die Schlüssel in die Hand", kann Het Belang van Limburg nur feststellen. "Kleinigkeiten werden entscheiden, ob der Gewinner Scholz die neue Merkel wird", stellt De Standaard auf seiner Titelseite fest.
In Deutschland wedelt diesmal der Schwanz mit dem Hund, analysiert das GrenzEcho. Denn an den Grünen und der FDP führt kein Weg vorbei. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werden somit die kleineren Koalitionspartner die Richtung vorgeben. Wobei sowohl die Liberalen als auch die Grünen die Zukunft des Landes verkörpern, weil gerade sie von den Jungwählern bevorzugt wurden. Der neue Bundeskanzler wird also an der kurzen Leine der grün-gelben Erneuerer gehalten werden.
L'Echo sieht in dem Ganzen ein höchstinteressantes Experiment. Dass Liberale und Grüne jetzt Vorsondierungen führen werden, das kann sogar für Europa Signalwirkung haben. Beide Lager scheinen sich auf den ersten Blick gegenseitig auszuschließen. Wenn sie es aber schaffen, sich zusammenzuraufen, dann würden sie der ersten Regierung nach der Ära Merkel wirkliche Ambition geben: Die politische Ökologie würde mit der Wirtschaftswelt versöhnt werden. Wenn das klappt, dann wäre das eine schöne Lehre, die uns die deutschen Wähler erteilt hätten.
Roger Pint