"Und die Welt geriet aus den Fugen…", schreibt La Libre Belgique zu einem ganzseitigen Foto des Moments, als das zweite Flugzeug in das World Trade Center einschlägt. "Der Tag, der die Welt veränderte", titelt das GrenzEcho über einem Bild vom so genannten "Ground Zero". "20 Jahre 9/11", so die fast gleichlautende Überschrift bei Het Belang van Limburg und zahlreichen anderen Zeitungen.
Es ist eines dieser Daten, die das Leben von uns allen gezeichnet haben, kommentiert La Dernière Heure. Zumindest die etwas Älteren unter uns wissen sehr genau, wo wir waren und was wir gemacht haben, als am 11. September 2001 der Terror zuschlug. Das war der Auftakt zu 20 Jahren Horror, Tod und Terrorismus. Es war ein Erdbeben globaler Größenordnung zwischen zwei Welten, der Beginn eines Kampfes ohne Gnade. Das symbolische Herz des amerikanischen Imperialismus zu treffen, hat die fanatischen Moslems angestachelt – die Extremisten, die weltweit die Scharia einführen wollen. Der Kampf für die Demokratie ist noch lange nicht vorbei und sicher nicht gewonnen. Nach dem 11. September kamen Charlie Hebdo, der 13. November 2015 in Paris und der 22. März 2016 in Brüssel. Unsere westlichen Gesellschaften haben all das überlebt. Auch wenn natürlich nichts mehr war wie zuvor, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
Die radikalen Islamisten waren schon vor dem 11. September eine reale und tödliche Bedrohung, erinnert L'Avenir. Aber die Attentate passierten in Afrika oder an sonstigen Orten weit weg und betrafen unseren Alltag meist nur indirekt. Mit den Flugzeugen, die in die Türme des World Trade Centers rasten, nahm der internationale Dschihadismus eine neue Dimension an – der Terrorismus hielt Einzug in unsere Wohnzimmer. Die Extremisten selbst spielen immer auf zwei Ebenen: die eigentlichen Angriffe, die Opfer verursachen sollen; und die Kommunikation darüber, die als massive Propagandawaffe dient. Der 11. September hat bei Gemeinschaften, die sich vernachlässigt fühlten, revanchistische Gefühle geweckt. Die Lektion war: Wenn wir die Vereinigten Staaten treffen können, dann können wir auch mit den Ungläubigen in Paris und Brüssel abrechnen. 20 Jahre später bezahlen wir noch immer diese Rechnung, so L'Avenir.
Folgen und Ursachen bekämpfen
De Morgen zählt auf, wie sehr sich unser Alltagleben durch die Anschläge manchmal verändert hat: Arbeiter, die schwere Kisten in ein Gebäude tragen, ein herrenloser Rucksack in einem Zug, das sich Umschauen im Flugzeug oder in Menschenmengen, ob nicht vielleicht irgendwo verdächtige Männer mit Bärten sitzen, ein Knall bei gewöhnlichen Unfällen – wie oft denken wir unweigerlich bei solchen Dingen an eine Terrorgefahr? Noch schmerzhafter ist, wie stark das Misstrauen und der Hass auf Moslems zugenommen haben. Nicht nur durch den 11. September selbst, sondern auch durch die Rachefeldzüge der USA, die nur zu mehr Terror, Spaltung und Moslemhass geführt haben. Unsere Ängste können wir lernen zu bezwingen. Aber leider gibt es keine allgemeingültigen Rezepte gegen den Hass auf Moslems, beklagt De Morgen.
In Belgien ist islamistischer Terror aktuell kein so großes Thema, konstatiert Het Nieuwsblad. Für die Staatssicherheit jedoch stellt er noch immer die größte Bedrohung dar. Umso wichtiger ist es, nach entsprechenden Vorfällen nicht nur oberflächlich die Symptome zu bekämpfen. Der Radikalisierung muss der Nährboden entzogen werden: Es muss langfristig und nachhaltig gegen Armut und Kriminalität vorgegangen werden. Was aber auch passieren muss, ist, dass das Vertrauen in die Obrigkeit und in die Institutionen wiederhergestellt wird, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Neue Bedrohungen
Le Soir zieht eine vernichtende Bilanz des "Kriegs gegen den Terror": Der internationale Dschihadismus ist noch immer eine Gefahr. Die von den USA geführten Kriege in Afghanistan und im Irak haben dem Extremismus in der ganzen Region Auftrieb gegeben; der schmähliche Abzug aus Kabul symbolisiert die Niederlage des Weltpolizisten. Mehr noch: Die USA sind gespaltener und fragiler denn je zuvor. Auch die westliche Allianz hat schwer gelitten. Die alten Verbündeten können nur noch feststellen, dass Russland und China heute bestimmen, wo es langgeht, meint Le Soir.
Genau diese beiden Länder greift auch De Tijd auf: Die Zeitung mahnt, nach dem Abzug der USA aus Kabul unter Brüskierung der europäischen Verbündeten und dem Ende der Ära Angela Merkel kein Vakuum entstehen zu lassen. 20 Jahre nach 9/11 hat der Terror auch andere Formen angenommen und manifestiert sich zum Beispiel auch in Cyberangriffen. Und kommt aus anderen Ecken. Über all das nach Amerika und Afghanistan schauen vergessen wir China und Russland, findet De Tijd.
In diesem Kontext ruft La Libre Belgique die USA dazu auf, ihre Führungsrolle neu zu durchdenken. Das ist umso dringender, da am Horizont bereits China Ansprüche erhebt, um die Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht abzulösen. Peking nutzt jede Schwäche Amerikas, um vorzurücken, siehe Südchinesisches Meer oder die Zusammenarbeit mit den Taliban. Reagieren die USA nicht, dann steht zu befürchten, dass die letzte Konsequenz des 11. September sein wird, dass das Weltgeschehen in Zukunft von einer Diktatur bestimmt wird, die mehr denn je Demokratie und Menschenrechte mit Füßen tritt, befürchtet La Libre Belgique.
Die Einheit wiederfinden
Vor 20 Jahren haben uns die Attentate zusammengeschweißt, wir hatten ein gemeinsames Ziel: den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, schreibt L'Echo. 20 Jahre ist das her. Die Einigkeit, die Zuversicht, das Gefühl von Macht – sie sind verschwunden; zerbrochen an unseren eigenen Lügen und Irrtümern. Wenn wir den Terrorismus in Schach halten wollen, dann müssen wir uns von der alten Leier des Wer-nicht-für-uns-ist-der-ist-gegen-uns verabschieden. Wir müssen unsere Dämonen bekämpfen: die Spaltung, die Fake News, das Schwarz-Weiß-Denken. Wir müssen dieses Gefühl der Einheit wiederfinden, das wir damals am 11. September 2001 um 9:03 Uhr New-Yorker-Zeit gespürt haben, als kein Zweifel mehr daran bestand, dass es sich um einen Terroranschlag handelt, fordert L'Echo.
Boris Schmidt