"Wenn es noch einmal strengere Maßnahmen in der Corona-Krise geben sollte, dann nur für Ungeimpfte" – das fordert der Chef der flämischen Sozialisten Vooruit, Conner Rousseau in Gazet van Antwerpen auf Seite eins. Wir schreiben es nur widerwillig, aber er könnte damit Recht haben, kommentiert De Morgen den Vorstoß. Das Blatt findet, dass sich die Impfkampagne jetzt besonders an junge Menschen richten sollte – erst recht in den Schulen.
De Morgen plädiert zwar nicht für eine Impfpflicht, aber für Nachdruck. Wir machen das zum Beispiel bei Polio oder den Masern, warum also nicht auch bei einem Virus, das seit fast zwei Jahren die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt? Über die Jugendlichen in der Schule können nicht zuletzt auch ihre Eltern erreicht werden. Es gibt keine andere Wahl: entweder der Impfstoff oder das Virus. Wer sich für eine Impfung entscheidet, sollte in seiner Freiheit nicht durch diejenigen eingeschränkt werden, die ihre Freiheit nutzen, um die falsche Entscheidung zu treffen, meint De Morgen.
Coronapass wäre ein heißes Eisen bei Vivaldi
De Standaard hingegen schreckt beim Stichwort Coronapass zurück. Wer seinen Urlaub in Frankreich verbracht hat, konnte sehen, wie Menschen in Restaurants abgewiesen wurden, wenn sie keinen Coronapass hatten. Wie weit geht die Solidarität mit denen, die sich nicht solidarisch zeigen, fragt das Blatt und meint, dass diese Frage nur schwer zu beantworten ist. Wir schließen ja auch niemanden wegen anderen gesundheitsschädlichen Gewohnheiten aus – wie schlechter Ernährung, Trinken oder Rauchen.
De Standaard sieht in der Frage nach einem Coronapass außerdem neuen Sprengstoff für die Regierung. Die liberalen Parteien und Premierminister Alexander De Croo haben sich immer wieder gegen eine "Passgesellschaft" ausgesprochen. Es wäre ein neues Spannungsfeld für die Vivaldi-Koalition neben der Rente, dem Atomausstieg und dem Arbeitsmarkt.
Analyse der Flutkatastrophe bitte mit Maß und Gelassenheit
Das Wallonische Parlament setzt einen Untersuchungsausschuss zur Hochwasserkatastrophe ein. Was war unvorhersehbar und daher unvermeidbar und welche Fehler oder mangelhafte Strukturen haben die Krise verschärft? Die Opfer verdienen jedenfalls die vollständige Aufklärung, findet das GrenzEcho in seinem Kommentar, ist aber skeptisch, dass das wirklich gelingen kann. Der Wallonische Infrastrukturminister Philippe Henry hat schon den voreiligen Schluss gezogen, dass die Eupener Talsperre nicht das Problem sei. Er zieht damit eine Schlussfolgerung, bevor der Ausschuss die Arbeit überhaupt aufgenommen hat.
Ähnlich sieht es Le Soir. Ohne konkret zu werden, sieht das Blatt jetzt schon Versuche, den Untersuchungsausschuss zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen. Neben dem Untersuchungsausschuss im Wallonischen Parlament hat außerdem die Kammer einen eigenen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Für Le Soir ist das der erste Fehler in der Aufarbeitung. Die Zeitung befürchtet, dass sich die Machtebenen so die Fehler in der Hochwasserkatastrophe gegenseitig zuschieben werden.
L’Avenir warnt vor der Erwartung, dass durch den Untersuchungsausschuss Köpfe rollen werden und müssen. Natürlich gibt es einen großen Kontrast zwischen der Lage in den Hochwassergebieten und der politischen Debatte zur Krise. Während die Opfer auch sieben Wochen später immer noch gegen die Folgen der Katastrophe ankämpfen, denken Politiker schon über die langfristigen Lehren nach. Aber beides schließt sich nicht aus. Die Ursachen der Katastrophe waren vielschichtig: klimatisch, politisch oder auch institutionell. Das zu akzeptieren und mit Maß und Gelassenheit zu analysieren, ist auch eine Art, die Opfer der Überschwemmungen zu ehren, meint L’Avenir.
Empörung über Tom Van Griekens TikTok-Drohung
Vlaams Belang Chef Tom Van Grieken sorgt vor allem in Flandern durch ein Video für Aufsehen, das er im Sozialen Netzwerk TikTok veröffentlicht hat. Darin droht er mit Konsequenzen für Lehrer, die seiner Meinung nach im Unterricht allzu sehr linke Positionen vermitteln. Die Empörungswelle ist ebenso groß wie erwartbar, findet Het Laatste Nieuws. Es mag sein, dass linke Parteien bei Lehrern besser abschneiden als andere. Trotzdem würden die meisten Lehrerinnen und Lehrer wohl einfach nur ihre Arbeit machen und unvoreingenommen unterrichten.
Het Belang van Limburg sieht das kritischer und sagt: Van Grieken will einschüchtern. Eine Technik, die vor allem extreme Regime wie etwa Kommunisten, Islamisten oder Faschisten nutzen. Die Drohung von Van Grieken könnte damit ein Beispiel für einen "sehr interessanten Unterricht" sein. Aber das war wahrscheinlich nicht Van Griekens Absicht, meint Het Belang van Limburg süffisant.
Auch La Dernière Heure zeigt sich angewidert, vertraut aber der Neutralität der Schulen. Sie ist ein Bollwerk gegen ideologische Indoktrinierung – egal von welcher Seite. Die Schule ist der Motor, um aus Kindern mündige Bürger zu machen und die Lehrer sind ihr Treibstoff. Das Letzte, was Lehrer jetzt brauchen, ist politische Einmischung in ihre Arbeit. Das tun schon Eltern und Schüler mehr als genug.
Olivier Krickel