"Afghanistan ist gefallen", titelt Gazet van Antwerpen. "Der Fall von Kabul", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Die Taliban ergreifen wieder die Macht in Afghanistan", notiert De Morgen. "Das nur anderthalb Monate nach dem amerikanischen Truppenabzug", beklagt Het Laatste Nieuws.
In Afghanistan haben sich die Ereignisse überschlagen. In den letzten Wochen hatten die Taliban das Land im Eiltempo zurückerobert. Am Wochenende ist die radikalislamische Terrormiliz dann in Kabul einmarschiert. "Die Taliban nehmen den Präsidentenpalast ein", titelt De Standaard. Das hatte so niemand erwartet. Zumindest nicht so schnell. "Und jetzt geht es zurück ins Mittelalter", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Die Taliban werden jetzt wohl ihre fundamentalistische Schreckensherrschaft wieder etablieren. Der Koran wird zum einzigen Gesetz. Frauenrechte gehen wieder gegen Null.
Afghanistan – Die Verantwortlichen haben sich selbst belogen
Was wir gerade in Afghanistan sehen, das ist das schlimmste aller möglichen Szenarien, analysiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Insbesondere für die Amerikaner gerät der Abzug aus Afghanistan zu einem unbeschreiblichen Debakel. Natürlich konnten die Amerikaner nicht ewig in Afghanistan bleiben. Und Präsident Joe Biden hat die Situation letztlich auch nur geerbt. Dennoch: Die USA lassen jetzt die Afghanen im Stich, insbesondere die Frauen. Wie ist es möglich? Wie konnte man die Lage so falsch einschätzen? Das Scheitern des Generalstabs und der Nachrichtendienste des mächtigsten Landes der Welt ist erschütternd. Für Amerika ist es eine Demütigung, die an die Ereignisse in Saigon im Jahr 1975 erinnert.
Insbesondere die Verantwortlichen der US-Streitkräfte haben sich offensichtlich selbst belogen, glaubt auch Gazet van Antwerpen. Im Pentagon ist man offensichtlich davon ausgegangen, dass die afghanische Armee jetzt ohne amerikanische Unterstützung den Taliban gewachsen sein würde. Was für ein fataler Irrtum! Die Afghanen können jetzt nur noch hoffen, dass die Taliban von 2021 nicht mehr dieselben sind, wie die von 1997. Die ersten Berichte, die aus Afghanistan kommen, verheißen da nichts Gutes. Wer für internationale Organisationen gearbeitet hat, der wird exekutiert. Abbildungen von Frauen im Straßenbild werden übermalt. Hier kündigt sich ein neues Drama an. Hoffentlich wird sich die internationale Gemeinschaft wenigstens auf die zu erwartenden Flüchtlingsströme einstellen.
Die Rückkehr der Taliban lässt Schlimmstes befürchten, meint auch L'Avenir. Ende der 90er-Jahre hat die Terrormiliz aus Afghanistan eine Insel des Dschihadismus und der Scharia gemacht. Kultur und Schulbildung wurden verbannt, den Frauen wurden alle Rechte entzogen und obendrauf gewährte man auch noch dem Terrorfürsten Osama bin Laden Unterschlupf, der von Afghanistan aus die Anschläge vom 11. September planen konnte. Ein schlimmeres Regime ist kaum vorstellbar. 20 Jahre lang haben die Amerikaner mit ihren Alliierten versucht, das Land zu befrieden und neu auszurichten. Tausend Milliarden Dollar wurden in dieses Fass ohne Boden gesteckt. Und am Ende steht doch ein Debakel.
Lasst uns die afghanischen Frauen nicht vergessen!
Letztlich ist das Ende der westlichen Militärpräsenz in Afghanistan noch die größte Fehlkalkulation in der schon langen Liste der Fehlkalkulationen, die die letzten 20 Jahre geprägt haben, glaubt Het Nieuwsblad. Die Amerikaner haben offensichtlich nicht erkannt, dass die afghanische Regierung lediglich Fassade war. Präsident Joe Biden war offensichtlich fest entschlossen, nicht der nächste Präsident zu werden, der diesen endlosen Krieg nicht beenden konnte. Die Folge ist aber, dass die Taliban ihr frauenverachtendes und barbarisches Regime wieder etablieren können. Die gesamte internationale Gemeinschaft hat jetzt die Pflicht, so schnell wie möglich eine zufriedenstellende Antwort zu suchen.
Dabei vergessen wir mal wieder die afghanischen Frauen, beklagt De Standaard. Die Amerikaner sind vor allem darum bemüht, den Imageschaden, insbesondere für die Biden-Regierung, zu begrenzen. Europa versinkt wieder im Selbstmitleid, weil ein neuer Flüchtlingsstrom zu erwarten ist. Das Schicksal der Mädchen und Frauen in Afghanistan scheint aber irgendwie niemanden ernsthaft zu interessieren. In Afghanistan selbst sehnen sich die Menschen nach Ruhe und Stabilität. Viele hoffen, dass die Taliban genau das bringen werden. Dass die Frauen dafür den Preis zahlen müssen, stört offensichtlich niemanden. Afghanistan ist offensichtlich trotz der Einmischung des Westens eine ultrakonservative Männergesellschaft geblieben.
Das sollte uns allen eine Lehre sein, findet De Morgen. Eine Lehre vor allem in Sachen Demut. Trotz der astronomischen Summen, die nach Afghanistan geflossen sind, hat die afghanische Armee das Land nahezu kampflos den Taliban übergeben. Auch die Bevölkerung scheint das mehr oder weniger passiv hinzunehmen. Es sieht also verdächtig danach aus, als sei das zivilisatorische Projekt auf der ganzen Linie gescheitert. Es wäre mehr als logisch, dass alle Beteiligten sich die Frage stellen, was da schiefgelaufen ist. Auch wir Belgier. Schließlich waren unsere Streitkräfte 19 Jahre lang vor Ort. Was haben wir erreicht? Was können wir beim nächsten Mal besser machen? Jetzt jedenfalls muss das Schicksal der afghanischen Flüchtlinge absolute Priorität haben. In einer ersten Phase darf Belgien bis auf Weiteres keine Asylbewerber mehr nach Afghanistan abschieben.
Direktorin von Spa-Francorchamps ermordet
Ganz andere Geschichte schließlich noch auf Seite eins von La Dernière Heure und L'Avenir: "Die Direktorin der Rennstrecke von Spa-Francorchamps wurde von ihrem Mann ermordet", schreibt L'Avenir auf Seite eins. Das Drama hat sich in Gouvy in der Provinz Luxemburg ereignet. Der Mann soll erst seine Frau und ihre Liebhaberin ermordet und dann Selbstmord begangen haben. La Dernière Heure fasst es in einer Schlagzeile zusammen: "Er hat sie im Bett erwischt und getötet".
Roger Pint