"Alarmstufe Rot", titelt Het Belang van Limburg. "Alarmstufe Rot für die Menschheit", präzisiert Gazet van Antwerpen. "Alarmstufe Rot für den Blauen Planeten", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Der Weltklimarat hat einen neuen Klimabericht vorgelegt. Und die Diagnose ist alarmierend. "Die Erde erwärmt sich immer schneller", so fasst es De Morgen zusammen. "Extremes Wetter ist das neue Normal", warnt De Tijd. Het Nieuwsblad wird ganz präzise: "8,6 x häufiger Hitzewellen; 1,5 x häufiger extremer Regen", schreibt das Blatt auf Seite eins. Und "der Klimawandel, der ist schon da", schreibt alarmiert L'Avenir. Auf den Titelseiten der Zeitungen sieht man denn auch entweder Fotos von den verheerenden Überschwemmungen in der Wallonie oder von den Waldbränden im Süden Europas. Das Fazit von La Libre Belgique: "Die Menschheit steht am Rande des Abgrunds."
"Erst gegen die Wand, jetzt Richtung Abgrund"
"Dabei ist es nicht so, als wären wir nicht gewarnt gewesen", meint L'Avenir anklagend in seinem Leitartikel. Spätestens seit 1990 warnt der Weltklimarat mit immer drastischeren Worten vor dem menschengemachten Klimawandel. Und spätestens jetzt gibt es echt nichts mehr zu beschönigen: Wir sind schon gegen die Wand gefahren. Wir sehen die Folgen des Klimawandels ja inzwischen auch vor unserer Haustüre. Aber es passiert zu wenig. Zwar hat man auch schon bei der Pariser Klimakonferenz 2015 die Alarmglocke gezogen. Seither sind die Treibhausgasemissionen aber nur noch weiter gestiegen. Vielleicht findet jetzt endlich ein Umdenken statt - jetzt, da auch die Industriestaaten die Folgen zu spüren bekommen. Denn nachdem wir gegen Wand gefahren sind, schleudern wir jetzt in Richtung Abgrund.
"Die Erde ist krank", kann Le Soir in seinem Leitartikel nur feststellen. "Ist es schlimm, Herr Doktor?" – "Ja, es ist schlimm!". Und die Symptome häufen sich. Unwetter, Waldbrände und andere extreme Wettereignisse sind ein klares Indiz für die akute Klimakrise. Nun sollten wir auch nicht verzweifeln, mahnen die Forscher. Es ist noch nicht alles verloren. Allerdings müssten wir jetzt resolut das Ruder herumreißen. Die Lösung kennen wir, zumindest theoretisch: Wir müssen uns von fossilen Brennstoffen verabschieden. Und das geht eigentlich nur, wenn diese Herausforderung auf Weltebene gemanagt wird.
Ein wirklich globales Engagement!
"Die USA und China müssen die Führung übernehmen", ist auch das GrenzEcho überzeugt. Würde etwa die EU hier alleine voranschreiten, würde sich an der globalen Situation nur wenig ändern. Zum Glück, möchte man angesichts dessen fast sagen, sind es die G20-Staaten, die für mehr als 80 Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich sind. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass auch sie durch konzertierte Aktion das Ruder herumreißen können. Da muss aber jemand die Führung übernehmen. Die zunehmenden Reibereien zwischen den wichtigsten Supermächten USA und China sind dafür kein gutes Omen.
"Wie schlimm es wird, das haben wir selbst in der Hand", mahnt De Tijd. Der Weltklimarat hat Alarmstufe Rot für die Menschheit ausgerufen. Und doch bleiben die Taten noch immer viel zu oft hinter den Worten zurück. Das gilt für die EU, die sich trotz aller ehrgeizigen Pläne immer noch zu halbherzig zu engagieren scheint. Ganz zu schweigen von den USA und China, die noch einen viel weiteren Weg vor sich haben. Beim Weltklimagipfel in Glasgow im November wird jeder Farbe bekennen müssen. Dort wird sich zeigen, wie groß die Bereitschaft ist, jetzt endlich entschlossene Ziele zu setzen. Nichts zu tun ist keine Option mehr. Entscheidend ist aber, dass wir wesentlich mehr tun als jetzt.
De Morgen ist da nicht ganz so pessimistisch. Überall auf der Welt scheinen Politiker doch einzusehen, dass Klimaschutz kein teures Hobby ist. In den USA ruft Präsident Joe Biden die große Energierevolution aus. Parallel dazu scheint auch China eine Vorreiterrolle anzustreben. Weil jeder inzwischen einsieht, dass das technologisch und wirtschaftlich auch enorme Chancen eröffnet. Jeder Vorsprung ist wohlstandserhaltend.
Drohende politische Instabilität
Dabei reicht es aber nicht, sich nur auf den Ausstoß von Treibhausgasen zu fokussieren, warnt L'Echo. Gleichzeitig müssen wir auch unsere Strukturen auf die zu erwartenden Wetterkapriolen einstellen. Das eine schließt das andere nicht aus. Wie sich das anfühlt, wenn man den Elementen schutzlos ausgeliefert ist, hat die Wallonie am eigenen Leib erfahren müssen.
De Standaard fragt sich dennoch, ob die Bürger wirklich bereit sind für die nötigen Umwälzungen. Bislang galt die Maxime, wonach dem Allgemeinwohl am besten gedient ist, wenn jeder nach seinem eigenen, persönlichen Wohl streben kann. Das nennt man freie Marktwirtschaft. Dieses Modell wirkt aber angesichts der Klima-Herausforderung ohnmächtig. Denn angesichts einer existentiellen Bedrohung müssen persönliche Rechte und Freiheiten in den Schatten gestellt werden. Das hat uns auch die Corona-Krise gelehrt. Nur: Wenn Politiker die Maßnahmen ergreifen, die nötig sind, wissen sie, dass sie nicht mehr gewählt werden. Daraus folgt politische Instabilität. Und das ist das Letzte, was wir angesichts dieser Herausforderung gebrauchen können.
Hier sind wirklich alle gefragt, meint denn auch La Libre Belgique. Die Staaten, die Unternehmen, die Bürger, die Parteien. Und zwar ALLE Parteien, bitteschön! Jeder muss jetzt seinen Beitrag dazu leisten, die CO2-Emissionen zu senken. Und das bedeutet auch, dass die verschiedenen Machtebenen in diesem Land Hand in Hand gehen müssen. Ungeordnete, punktuelle Maßnahmen in den einzelnen Regionen bringen nicht genug. Wir müssen jetzt wirklich an einem Strang ziehen.
Die Grenzen des "Ökorealismus"
Einige flämische Zeitungen blicken in diesem Zusammenhang kritisch auf ihre Regionalregierung. Die N-VA hat ja den sogenannten Ökorealismus als politische Leitlinie ausgegeben.
Ab jetzt gilt eindeutig Alarmstufe Rot, meint Het Nieuwsblad. Um eine Katastrophe noch zu verhindern, muss die Welt bis 2050 Klimaneutralität erreicht haben. Das gilt überall, aber nicht für ein Fleckchen auf diesem Erdball, das dieses Ziel nämlich nicht erreichen will, weil es "ökorealistisch" sein möchte. Die Rede ist von Flandern. Die EU-Klimaziele seien "nicht realistisch", sagt allen voran die N-VA-Umweltministerin Zuhal Demir. Was für eine armselige Haltung! Dieser "Ökorealismus" erinnert inzwischen doch stark an Negationismus.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Als die EU ihren neuen Klimaschutzplan vorstellte, war die Reaktion der flämischen Umweltministerin Zuhal Demir, dass sie erst noch überprüfen wolle, ob diese Ziele auch "erreichbar und bezahlbar" sind. Nun, dazu nur so viel: Nichts zu tun, ist von Natur aus immer erreichbar, doch ist genau das letztlich unbezahlbar.
Roger Pint