"Staatstrauer", titeln Le Soir und La Libre Belgique. "Der Tag danach", so die Schlagzeile von L'Echo. "Zwischen dem Warten auf sinkende Pegelstände und der schmerzhaften Feststellung der Schäden", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Verwüstung und Solidarität", so fasst es La Dernière Heure zusammen.
Inzwischen wird das Ausmaß der Flutkatastrophe deutlich. Auf vielen Titelseiten sieht man Fotos, die die gigantischen Schäden zeigen, die das Desaster angerichtet hat. "Die Katastrophe fordert einen grausamen Tribut an menschlichem Leid und materiellem Schaden", konstatiert De Standaard. "Aber es gibt eine große Welle der Solidarität", unterstreicht Gazet van Antwerpen. "Jeder will helfen", so auch die dicke Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Anpacken nach der Katastrophe", titelt das GrenzEcho.
Große Not, aber auch viel Solidarität
La Dernière Heure bedankt sich in seinem Leitartikel noch einmal ausdrücklich bei den Rettungskräften und den unzähligen freiwilligen Helfern. "Bravo und Dankeschön!" Angesichts der schrecklichen Bilder aus dem Katastrophengebiet, all dieser Not, dieser Zerstörung, dieser zahllosen verwüsteten Häuser, dieser von Angst und Verzweiflung gezeichneten Gesichter war es geradezu herzerwärmend, zu sehen, wie groß die Welle der Solidarität ist. In einer Zeit, in der eigentlich der Individualismus trumpft und das Motto "Jeder für sich!" gilt, haben unglaublich viele Mitbürger unglaublich viel Mitgefühl und Großzügigkeit an den Tag gelegt. All diese Helden tragen nicht unbedingt ein Kostüm, sie beanspruchen auch nicht die Vorsilbe "Super-". Es sind schlichtweg Helden des Alltags. Es ist noch nicht alles verloren.
Die Welle der Solidarität ist einfach nur fantastisch, meint auch La Libre Belgique. Und das auf allen Ebenen. Erstmal innerbelgisch: Ohne zu zögern sind Feuerwehren aus Flandern den wallonischen Kollegen zu Hilfe geeilt. Dann aber auch international: Hunderte Helfer aus Österreich, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland sind schnellstmöglich nach Belgien gekommen, mit dem Material im Gepäck, das uns hier so schmerzlich fehlte. In einer nächsten Phase werden wir uns die Frage stellen müssen, ob die Reform des Zivilschutzes richtig war und ob die budgetären Einschnitte nicht dafür gesorgt haben, dass es den Hilfskräften hierzulande an der nötigen Ausrüstung fehlt. Aber später! Jetzt ist nicht die Zeit für Polemik. Jetzt geht es nur um Durchhaltevermögen.
"Einsparungen beim Zivilschutz waren falsch"
Das mag stimmen, aber wir müssen nichtsdestotrotz die Lehren aus dieser Katastrophe ziehen und dabei nicht warten, bis sie "trocken" sind, mein L'Avenir. Denn irgendwie ist hier ein Muster erkennbar. Auch zu Beginn der Pandemie stand Belgien ziemlich unvorbereitet da. Und in diesem Land ist man sehr kreativ darin, die Seite umzublättern und sich eine neue Sorglosigkeit zu basteln. In gewisser Weise ist das beängstigend. Denn nein: Das hat längst nicht immer mit Schicksal zu tun. Das Gesundheitssystem und auch der Zivilschutz sind in den letzten Jahren regelrecht zusammengestrichen worden. Jetzt wissen wir, dass das der falsche Weg war.
In diesem Land ist man immer angemessen vorbereitet - auf die vorige Katastrophe, so die zynische Einschätzung von Het Nieuwsblad. Gleich nach den Anschlägen vom 22. März 2016 waren wir gut auf die terroristische Bedrohung vorbereitet. Und jetzt könnten wir auch der nächsten Pandemie trotzen. Die letzte Überschwemmung war offensichtlich leider zu lange her. Das Resultat: In den Katastrophengebieten mussten Menschen manchmal bis zu 36 Stunden auf Rettung warten. Im Fokus steht jetzt der N-VA-Politiker Jan Jambon. Der hat in seiner Zeit als föderaler Innenminister den Zivilschutz verschlankt. Dies gegen alle Einwände, unter anderem auch von Klimawissenschaftlern, die schon damals vor einer Häufung extremer Wetterphänomene warnten. Natürlich wird einem angesichts der Welle der Solidarität warm ums Herz. Wir dürfen aber nicht vergessen, aus dieser Katastrophe zu lernen.
De Standaard sieht das genauso. Die Organisation der Rettungskräfte und auch die möglichen tieferen Ursachen der Katastrophe, all das muss natürlich analysiert werden. Das erfolgt auf der "Makroebene". Diese Makroebene darf aber der Mikroebene nicht im Weg stehen. First things first: Erst muss die größte Not bekämpft werden.
Es ist fünf vor zwölf
Aber der Tag wird kommen, an dem man Bilanz ziehen und Verantwortlichkeiten festmachen muss, meint das GrenzEcho. Und es wäre zu einfach, wieder einmal die Schuld auf die Politik zu schieben und zur Tagesordnung überzugehen. Sicher trägt sie einen Teil der Verantwortung. Es wäre aber einfach unredlich, so zu tun, als wäre unsere Lebensweise das Produkt einer alleinigen Politik. Kosmetik wird nicht mehr ausreichen, wenn wir das Ruder noch herumreißen wollen. Wir sind an einer Zeitenwende angekommen.
Die Menschen, die bei der Flutkatastrophe ums Leben gekommen sind, das sind Klimatote, ist De Morgen überzeugt. Denn die Wissenschaftler haben genau solche Phänomene schon vor 30 Jahren vorhergesagt. Hier sieht man Parallelen mit der Corona-Krise. So wie es einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Neuinfektionen und unseren sozialen Kontakten gibt, so ist die Erderwärmung eine Folge des Ausstoßes von Treibhausgasen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Kurven exponentiell werden können, wenn gewisse Schwellenwerte überschritten sind. Und auch beim Klimawandel gibt es solche Tipping Points, die man besser nicht überschreitet, wenn man noch ein Mindestmaß an Kontrolle behalten will. Und vor allem hat Corona uns gezeigt, dass nur entschlossenes Handeln hilft.
Und doch gibt es immer noch Menschen und sogar Parteien, die den Klimawandel relativieren, wenn nicht abstreiten, beklagt Het Belang van Limburg. Wie lange werden diese Leute noch das Licht der Sonne leugnen? Ist es, weil sie von der Angst der Menschen profitieren? Es mag menschlich sein, bis zuletzt darauf zu hoffen, dass die Katastrophe nicht eintritt. Dafür wählen wir aber keine Politiker.
Wir haben die politisch Verantwortlichen, die wir verdienen, gibt aber De Tijd zu bedenken. Letztlich liegt es am Bürger, um in der Wahlkabine für Politiker zu stimmen, die mutige Entscheidungen getroffen haben oder treffen wollen. Seit spätestens dieser Woche wissen wir: Hier geht es nicht mehr nur um unsere Enkel, sondern um unser eigenes Leben. Vielleicht hilft das ja?
Roger Pint