"Riesig", titelt La Dernière Heure. "Der große Tag des Wout Van Aert", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Der Held aller Radsportfans", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Der belgische Radprofi Wout Van Aert hat gestern eine der schwersten Etappen der diesjährigen Tour de France gewonnen. Es ging gleich zwei Mal über den Mont Ventoux, den legendären Berg in der Provence. Van Aert legte die letzten rund 40 Kilometer im Alleingang zurück. "Van Aert erobert den Mont Ventoux", schreibt Het Belang van Limburg. "Wout Van Aert zähmt die Hänge des Mont Ventoux ", formuliert es blumig Le Soir. "Wout Van Aert schreibt Geschichte am Mont Ventoux", glaubt sogar Gazet van Antwerpen. "Schwarz-Gelb-Rot erstrahlte am Mont Ventoux", titelt L'Avenir. Denn: Van Aert fährt aktuell im Trikot des belgischen Meisters, also in den Landesfarben. Het Nieuwsblad fasst all das in einer Schlagzeile zusammen: "Der Mont Ventoux gehört uns".
"Ein Anschlag auf uns alle"
Viele Zeitungen blicken aber auch heute wieder in die Niederlande. "Niederlande nach Anschlag unter Schock", schreiben Gazet van Antwerpen und das GrenzEcho auf Seite eins. Am Dienstagabend war der Journalist Peter de Vries in Amsterdam auf offener Straße niedergeschossen worden. Der 64-Jährige kämpft weiter um sein Leben. "Die ersten Spuren weisen in Richtung eines Drogenbarons", titelt Het Nieuwsblad. De Vries war in einem Drogenprozess eine der Vertrauenspersonen des Kronzeugen. Viele gehen davon aus, dass er deswegen zum Ziel des Anschlags wurde. "Die Drogenmafia bedroht auch in Belgien Anwälte und Journalisten", bemerkt indes De Standaard auf Seite eins. Auch in Belgien werde die Drogenmafia immer dreister und bedrohe unverhohlen missliebige Magistrate oder Journalisten.
In den Niederlanden ist nach dem Politiker Pim Fortuyn und dem Filmemacher Theo Van Gogh also wieder ein Mensch öffentlich hingerichtet worden, beklagt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Auf offener Straße, am helllichten Tag. Die Justiz sieht einen möglichen Zusammenhang mit dem Prozess gegen den bekanntesten Drogenbaron des Landes. "Was heute in den Niederlanden passiert, das wird morgen auch hier passieren", warnte der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever. Und tatsächlich nimmt auch in seiner Stadt die Zahl der Granatenanschläge und Schießereien zu. Der Kampf gegen das gewissenlose Drogenmilieu ist ein schwieriger. Es fehlen zudem die entsprechenden personellen und materiellen Mittel. Bis auf Weiteres können wir solch feige Anschläge nur entschieden verurteilen. Denn ein Anschlag auf einen Journalisten, Anwalt oder Richter, das ist ein Anschlag auf uns alle.
"Hier geht es letztlich um den Rechtsstaat"
Eine versuchte Hinrichtung auf offener Straße; das kannten wir bislang eigentlich nur aus Ländern wie Kolumbien oder Mexiko, stellt Het Nieuwsblad besorgt fest. Entsprechend hat der Anschlag auf Peter de Vries eine Schockwelle ausgelöst, die auch Belgien erschüttert. Denn dieses Land hat nicht umsonst die zweifelhafte Ehre, mit dem Antwerpener Hafen über DAS Einfallstor für Kokain in Europa zu verfügen. Die Folgen davon sind auch längst spürbar: Drohungen gegen Magistrate, Polizisten und Journalisten sind auch hier eine Realität. In den Niederlanden sind aus Worten schon Taten geworden; dort fühlt sich die Drogenmafia offensichtlich schon unantastbar. Noch ist es hier nicht so weit. Noch haben wir eine kleine Chance, niederländische Verhältnisse zu verhindern. Dafür muss der Staat aber jetzt alle seine Dienste in die Schlacht werfen. Schnell und massiv.
Natürlich wird der Kampf nicht leicht, doch wäre es dramatisch, ihn dafür aufzugeben, ist De Tijd überzeugt. Denn hier geht es nicht mehr "nur" um Drogen, hier geht es um den Rechtsstaat in seiner Gesamtheit. Und zum Glück wird von Zeit zu Zeit auch mal eine Schlacht gewonnen; man denke nur an die Leistung der belgischen Behörden, denen es gelungen war, das Kommunikationssystem der Drogenmafia zu knacken. Leider werden noch viele Schlachten ausgefochten werden müssen, um diesen Krieg zu gewinnen. Das einzig Positive an dem Anschlag in Amsterdam ist, dass uns jetzt diese Herausforderung noch einmal aufgezeigt wurde...
Ein Finger in die Wunde und ein ideologischer Tunnelblick
Keine 24 Stunden nach dem Anschlag hatte sich schon der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever vor die Kameras gestellt, um seinen eigenen "War on Drugs" wieder auf die Agenda zu setzen, konstatiert Gazet van Antwerpen. Kritiker haben ihm vorgeworden, das Amsterdamer Drama schamlos zu instrumentalisieren. Ist das so? Man könnte auch sagen, dass De Wever die Gelegenheit beim Schopf gepackt hat, um noch einmal den Finger in die Wunde zu legen. Denn immer noch kann man den Eindruck haben, dass der Staat sich nicht die nötigen Mittel gibt, um dieses Problem resolut anzugehen.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Hat De Wever mit seiner Pressekonferenz den Anschlag gegen Peter de Vries instrumentalisiert? Ja, das kann man so sehen. War das dafür taktlos? Nein! Vielmehr hat De Wever die Chance genutzt, um ein Problem ins Scheinwerferlicht zu stellen, das genau da auch hingehört. Das einzige, was man De Wever vorwerfen kann, das ist sein ideologischer Tunnelblick. Etwa, wenn er über gewisse Alternativlösungen prinzipiell nicht einmal nachdenken will, wie zum Beispiel eine Legalisierung von Drogen.
Wobei man nicht glauben sollte, dass das ein Patentrezept wäre, warnt De Morgen. Klar: Die bescheidenen Erfolge, die De Wever bislang mit seinem "War on Drugs" verbuchen konnte, die sind nicht wirklich ein Beweis dafür, dass dieser Ansatz der richtige ist. Das gleiche gilt aber auch für die Idee einer Legalisierung von Drogen. Die Niederlande haben Erfahrungen gesammelt mit einer Teillegalisierung, wenn auch nur für sogenannte "leichte Drogen". Und, wenn man eins feststellen kann, dann, dass das organisierte Verbrechen dadurch nicht verschwunden ist. Auch bei angeblich "progressiven" Lösungsansätzen sollte man skeptisch bleiben. Man könnte aber auch bei der Nachfrage ansetzen. Und da muss man feststellen, dass die Kriminalisierung der Drogenkonsumenten bislang nicht den geringsten Effekt gehabt hat. Vielleicht sollte man die problematischen Konsumenten als Menschen sehen, die statt Bestrafung in erster Linie Hilfe nötig haben.
Roger Pint