"Noch ein Favorit muss nach Hause", titelt Het Nieuwsblad. "Bye-Bye Deutschland", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Deutschland geschlagen im Kampf der Titanen gegen England", so formuliert es Het Laatste Nieuws. "Beindruckende Engländer erreichen das Viertelfinale", so die Schlagzeile von La Dernière Heure.
Deutschland hat ja gestern im Achtelfinale mit 0:2 gegen England verloren. Nach Frankreich, den Niederlanden und Portugal musste also eine weitere große Fußballnation den Heimweg antreten.
"Und wir kriegen vielleicht Hazard zurück", schreibt Het Nieuwsblad. "Eden fühlt sich besser", so auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Wir gewinnen aber am Freitag sowieso", das sagen Italiener auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
Die bedenkliche, anti-französische Haltung der Belgier
"Warum die Belgier es lieben, die Franzosen zu hassen", schreibt derweil L'Avenir auf Seite eins. Nach dem Aus für Frankreich bei der EM gab es in Belgien Jubelszenen, die zum Teil nicht mehr vorzeigbar waren. "Geht das Ganze nicht etwas zu weit? Wo ist unsere Belgitude geblieben?", fragt sich La Dernière Heure im Innenteil.
Was wir in den letzten Tagen gesehen haben, diese extrem anti-französischen Ressentiments, das ist dann doch bedenklich, analysiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Denn hier ging es nur darum: Es war nicht die Freude über den Sieg der Schweizer, sondern die über die Niederlage der "Bleus". Klar: Fußball ist gleichbedeutend mit Emotionen, mit Rivalitäten zwischen Fans. Und bis zu einem gewissen Maß ist das Folklore; das gehört dazu.
Im vorliegenden Fall geht das aber wirklich zu weit. Stellenweise sieht man eine regelrechte Aversion. Und die sagt mehr über uns und unser Verhältnis zu Frankreich aus als über Frankreich selbst. Belgien hat sich inzwischen einen Platz in der Fußballwelt erkämpft. Nur sollten wir uns hüten vor deplatzierter Arroganz. Auf die Gefahr hin, dass wir am Ende chauvinistisch und überheblich werden; genau das Verhalten also, das wir den Franzosen vorwerfen.
Probleme für Vivaldi: Hungerstreiks und Haushaltsdisziplin
"Die Hungerstreikenden schlagen einen Keil in die Regierung", so derweil die Aufmachergeschichte von De Morgen. An mehreren Orten in Brüssel sind Menschen, die über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfügen, in den Hungerstreik getreten. Einige haben sogar damit begonnen, sich selbst zu verstümmeln. Sie wollen damit ein Bleiberecht in Belgien erzwingen.
Die Vivaldi-Koalition ist in dieser Frage gespalten. "Ich stehe auf und gehe schlafen mit der Angst, dass es einen Toten gibt", sagt Asylstaatssekretär Sammy Mahdi auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. "Die Hungerstreikenden bringen aber auch die Ärzte in ein Dilemma", schreibt De Standaard. Denn in der Tat: Wie soll man damit umgehen, wenn Menschen sich bewusst selbst verstümmeln...?
"Dura lex, sed lex", Gesetz ist Gesetz, so hart es auch sein mag, bemerkt De Standaard in seinem Leitartikel. Wenn jemand keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hat, dann hat er nun mal auf dem belgischen Staatsgebiet nichts verloren. Diese Sichtweise mag für viele logisch oder richtig klingen, nur: Das Problem wird damit nicht weggezaubert. In Belgien gibt es zehntausende Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Tendenz steigend. Diese Menschen leben oft unter prekären Bedingungen. Die Hungerstreikenden legen eigentlich nur den Finger in die Wunde.
Dafür kann man deren Vorgehensweise aber immer noch nicht tolerieren. Eine Regularisierung wäre in jedem Fall das Ende der Vivaldi-Regierung. Eine solche Maßnahme ist in Flandern absolut unannehmbar. Aber eins ist sicher: In dieser Geschichte gibt es nicht die eine Patentlösung.
Nur an das Gesetz zu erinnern, das reicht nicht, meint auch Le Soir. Hier sollte vor allem die Suche nach pragmatischen Lösungen im Vordergrund stehen. Denn man darf nicht vergessen: Hier geht es um Menschen und hier sind sogar Menschenleben in Gefahr. Eine Regularisierung wäre allerdings politisch heikel, weil eine solche Maßnahme nämlich nur den Rechtsextremisten und Nationalisten in Flandern Auftrieb geben würde.
Insgesamt kann man feststellen: Mit der Lockerung der Corona-Einschränkungen kommen auch altbekannte Probleme wieder aus der Versenkung hervor. Und in vielen Fällen zeigt sich, dass sich die Situation während des Lockdowns eher noch verschlimmert hat. Das sieht man auch am Beispiel Haushalt, scheint La Libre Belgique einzuhaken. Gerade erst hat der Internationale Währungsfonds Belgien wieder auf die Finger geklopft. Der IMF fordert neben Strukturreformen vor allem nachdrücklich Haushaltsdisziplin. Weil das nicht die erste Empfehlung dieser Art ist, kann die Vivaldi-Regierung das nicht länger ignorieren. Eins steht jetzt schon fest: Im September, nach der Sommerpause, warten hitzige Haushaltsdiskussionen. Hier droht eine Konfrontation zwischen dem rechten und dem linken Flügel der Koalition...
Die DG stellt sich gegen das Freihandelsabkommen der EU
Het Belang van Limburg warnt in seinem Leitartikel vor der "Gefahr Alibaba". Der chinesische Online-Händler will ja den Flughafen Lüttich zu seinem europäischen Drehkreuz machen. Alibaba, das ist ein Wolf im Schafspelz, meint das Blatt. Auf den ersten Blick mag es ein angenehmer Gedanke sein: Man bestellt für ein paar Euro eine Zahnbürste, und die kommt dann auch noch rasend schnell an. Der gesamtgesellschaftliche Preis dafür ist aber gigantisch.
Dank chinesischer Staatsbeihilfen und niedriger Produktionskosten kann Alibaba die Konkurrenz regelrecht plattmachen. Ganz zu schweigen von den dortigen Arbeitsbedingungen und dem ökologischen Fußabdruck. Wir verstehen immer noch nicht, dass Alibaba nur Teil einer chinesischen Strategie ist, die man als Handelskrieg bezeichnen muss. Wir sind und bleiben naiv und organisieren quasi unseren eigenen Niedergang.
Das GrenzEcho beschäftigt sich schließlich mit der Resolution des PDG, wonach in der Praxis die Unterstützung für das Freihandelsabkommen Mercosur verweigert wird. "Ist es mutig oder eher verwegen, wenn sich die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft gegen ein Abkommen stemmt, das die EU mit Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Venezuela ausgehandelt hat?", fragt sich das Blatt.
Nun, erst mal zeigt sich, dass die Globalisierung nicht mehr sakrosankt ist. Zum anderen beweist die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft, dass sie ihre institutionelle Rolle mit der notwendigen Gründlichkeit und Sorgfalt wahrnimmt. Man will ein besseres Verhandlungsergebnis als das nun vorliegende einfordern, das in vielen Punkten gegen europäische Werte verstößt. Und das ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der DG-Volksvertretung.
Roger Pint