"Phä-no-me-nal", titelt La Dernière Heure. "Thriller mit Happy End", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Die Roten Teufel ringen Portugal nieder", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Belgien hat sich für das EM-Viertelfinale qualifiziert. In einer spannenden Partie besiegten die Roten Teufel Portugal mit 1:0. Es war ein Zittersieg. Die Roten Teufel waren gegen Ende der ersten Halbzeit in Führung gegangen. Den Treffer erzielte Thorgan Hazard, den man heute auch auf fast allen Titelseiten sieht. In der zweiten Halbzeit ließ sich die Mannschaft dann aber einschnüren; einer portugiesischen Angriffswelle folgte die nächste.
"Die Roten Teufel haben gelitten, um sich das Viertelfinale gegen Italien zu erkämpfen", so fasst es La Libre Belgique zusammen. "Schuften und Schwitzen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Gazet van Antwerpen geht noch einen Schritt weiter: "Mit Blut, Schweiß und Tränen Portugal ausgeschaltet", schreibt das Blatt. "Tränen", das ist auch eine Anspielung auf die Verletzungssorgen der Mannschaft: Mittelfeld-Genie Kevin De Bruyne und auch Kapitän Eden Hazard mussten angeschlagen ausgewechselt werden. "Und Italien in München, das wird noch heißer", warnt L'Avenir......
Die Lektionen von 2018 sind gelernt
Die Roten Teufel haben die Lektionen von 2018 gelernt, analysiert La Dernière Heure in ihrem Sportteil. Sie wissen jetzt, wie sie eine Partie verwalten, wie sie noch effizienter sein können, gehen ganz einfach realistischer an die Sache heran. Gegen Portugal zeigte die Mannschaft eine fast schon chirurgische Präzision. Zugegeben: Die Roten Teufel haben gelitten, sie konnten sich aber auf eine solide Abwehr stützen. Die ist zwar alt, konnte aber die Zweifel ausräumen: Das Trio Alderweireld-Vermaelen-Vertonghen war auf der Höhe. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass unsere beiden Mittelfeld-Genies Kevin De Bruyne und Eden Hazard im Viertelfinale wieder fit sein werden...
Nach den drei "Aufwärmspielen" in der Vorrunde galt es noch, einige Fragen und Zweifel aus der Welt zu schaffen, und das haben die Roten Teufel am Abend getan, ist L'Avenir überzeugt. Offen war bislang noch, ob die Mannschaft ihr Niveau steigern kann, wenn's mal gegen einen richtig starken Gegner geht. "Kann sie", das haben wir gesehen. Bis auf weiteres ist das erst mal beruhigend. Die Roten Teufel haben geglänzt durch Reife, Solidarität und Pflichtbewusstsein. Das erste Hindernis ist jetzt aus dem Weg geräumt.
Es warten aber noch ganz andere harte Brocken. Am Freitag geht's in München gegen Italien. Die Squadra Azzura ist gegen Österreich vielleicht nicht ganz so souverän aufgetreten wie zu Beginn der EM. Die Mannschaft wird aber schwer zu schlagen sein. Für die Roten Teufel ist es das vierte Viertelfinale in Folge in einem großen Turnier. Hoffentlich schaffen sie es diesmal bis zum Ende...
Weiter so, um einer vierten Welle zu entgehen
Die Fans haben am Abend natürlich ausgiebig den Sieg der Roten Teufel gefeiert. Seit gestern sind ja auch neue Lockerungen in Kraft. "Bei alledem sollte man aber nicht die Delta-Variante unterschätzen", warnt La Dernière Heure. Diese Coronavirus-Mutation hat schon in 85 Ländern der Welt Fuß gefasst. In Moskau gab's noch nie so viele Covid-Tote wie jetzt, in Sidney wird ein neuer Lockdown verhängt, in Südafrika wurden in diesem Jahr noch nie so viele Neuinfektionen gezählt. Alles wegen der Delta-Variante. Auch in Belgien gewinnt diese Mutation an Boden. Und doch sind die Experten nicht ernsthaft besorgt. Denn die Impfkampagne läuft weiter auf Hochtouren. Deswegen werden wir wohl einer vierten Welle entgehen. Wir müssen nur weiter so machen!
Wir haben aber keine Zeit zu verlieren, betont Het Belang van Limburg. Das zeigt sich am Beispiel Großbritannien. Dort gehen die Corona-Zahlen gerade wieder durch die Decke. Die Briten bezahlen jetzt den Preis für ihre Impfstrategie. Dort hat man ja vor allem den Nachdruck gelegt auf die erste Impfdosis. Und man hat zudem fast ausschließlich auf den Impfstoff von Astrazeneca gesetzt. Beides rächt sich jetzt, weil das dazu führt, dass die Menschen anfälliger sind für die Delta-Variante. Zum Glück ist Belgien bei seiner Impfstrategie geblieben. Und zum Glück schreitet die auch weiter schnell voran. Denn das ist bitter nötig. Bevor die Delta-Variante auch hierzulande dominant wird, müssen so viel wie möglich zweite Impfdosen verabreicht sein...
Der ultimative Testfall
Gazet van Antwerpen kommt noch einmal zurück auf die Polemik um das neue ungarische Gesetz, das die Darstellung von Homosexualität untersagt, zumindest in Publikationen, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind. Die niederländischen Fans haben vor dem Spiel ihrer Mannschaft in Budapest sogar ihre Regenbogenfähnchen abgeben müssen, beklagt die Zeitung. Ministerpräsident Viktor Orban zieht seine Politik also unbeeindruckt durch. Auch die Kritik seine Amtskollegen bei letzten EU-Gipfel ist offensichtlich an ihm abgeprallt.
Dabei ist Ungarn einer der größten Nettoempfänger der EU: Ungarn kassiert pro Einwohner knapp 460 Euro. Belgien bezahlt davon 86 Euro pro Einwohner. Nach all den Jahren der Kritik an der illiberalen Politik von Viktor Orban ist der Streit über das neue Gesetz jetzt der ultimative Testfall. Wenn die Ungarn auch damit davonkommen, dann stehen wirklich die europäischen Grundwerte auf dem Spiel. Denn spätestens jetzt ist sonnenklar: Ungarn will unser Geld, aber nicht unsere Werte...
Echte Regimekrise
Einige frankophone Zeitungen beschäftigen sich ihrerseits mit den Regionalwahlen in Frankreich. Auch in der zweiten Runde war die Wahlbeteiligung auf einem Rekord-Tiefstand. Von den 48 Millionen Wahlberechtigten sind 31 Millionen nicht zur Wahl gegangen, stellt La Libre Belgique fest. Das mag damit zu tun haben, dass die regionale Ebene in Frankreich nicht wirklich sichtbar ist. Aber es wäre zu einfach, allein die Politik für das demokratische Fiasko verantwortlich zu machen.
Es sind die Bürger, die diese demokratische Faulheit an den Tag legen. Und das sind dieselben Leute, die morgen schon wieder motzen werden über die Entscheidungen, die von Menschen getroffen wurden, die aus einer Wahl hervorgegangen sind, an der sich nur ein Bruchteil der Bürger beteiligen wollten. Bürger zu sein, das gibt einem nicht nur Rechte, das ist auch mit Pflichten verbunden. Es gibt aber zumindest eine gute Neuigkeit: Immerhin hat es der rechtsextreme Rassemblement National nicht geschafft, eine Region für sich zu erobern.
Dafür haben sich die Wähler aber immer noch nicht anderen Parteien wieder zugewandt, gibt Le Soir zu bedenken. Sie haben sich nicht vom RN distanziert, weil die anderen sie überzeugt hätten. Das macht die Diagnose eigentlich noch schlimmer: Offensichtlich glauben die Franzosen nicht einmal mehr, dass die Versprechen der Populisten ihr Leben verändern könnten.
Wir sehen hier eine veritable Regimekrise. Die spektakulär niedrige Wahlbeteiligung ist ein Symptom für Demokratieverdrossenheit. Das kann man nicht so stehen lassen! Man muss den Menschen zeigen, dass ihr Leben nichts mit Schicksal zu tun hat, dass man das nicht so hinnehmen muss. In Frankreich darf's auf keinen Fall ein "Weiter so" geben...
Roger Pint