"Treibjagd auf durchgedrehten Soldaten mit Raketenwerfer", so der große Aufmacher bei De Standaard. "Fest entschlossen, einen Anschlag zu verüben", ergänzt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Rechtsextrem, Impfgegner und Marc Van Ranst-Hasser", titelt De Morgen.
Die noch erfolglose Suche nach einem offenbar schwer bewaffneten und möglicherweise sehr gefährlichen Limburger Militärangehörigen nimmt Het Nieuwsblad zum Anlass, um sich allgemeiner mit der Problematik auseinanderzusetzen: Bekannte Virologen und ihre Familien haben mittlerweile Apps auf ihren Handys, um im Fall von Gefahr sofort die Polizei benachrichtigen zu können. Grund ist der nicht enden wollende Strom an Hassnachrichten. Der ist gerade in den sogenannten Sozialen Medien mittlerweile schon fast zu einem Stilmittel geworden. Niemand weiß, welche dieser Drohungen wie ernst zu nehmen sind.
Gestern ist hier aber einen Gang höher geschaltet worden, als der Virologe Marc Van Ranst und seine Familie an einen sicheren Ort evakuiert werden mussten. Ein Berufssoldat mit einem Haufen Waffen, der Van Ranst in der Vergangenheit bereits bedroht hatte, hat die Warnlichter auf Orange springen lassen. Ob der Virologe tatsächlich das Ziel des Mannes ist, ist noch nicht gesichert – aber das ist ein Risiko, das die Sicherheitskräfte nicht eingehen wollen.
Überrascht dürfen wir allerdings nicht sein. Seit Monaten scheint es keine Grenzen zu geben bei dem, was sich die Experten anhören müssen. Es kann offenbar gar nicht arg, hart und extrem genug sein, was manche Menschen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit da von sich geben. Man kann nicht so tun, als ob Radikalisierung nicht im Kopf beginnt – und als ob Worte und Taten nichts miteinander zu tun hätten. Wie kann man so ein Verhalten in Gottes Namen denn bitte noch normal finden?, so die scharfe Kritik von Het Nieuwsblad.
Positives und Negatives
Die meisten Leitartikler befassen sich heute aber mit dem gestern verkündeten Maßnahmenpaket der Föderalregierung für emissionsfreie Firmenwagen. Ab 2026 dürfen viele Belgier ihren Firmenwagen weiter zu einem Teil ihres Gehalts machen, konstatiert Le Soir, und zu einem essenziellen Werkzeug ihrer Mobilität und einem Symbol ihres sozialen Status. Und ab dann eben mit einem besseren und grüneren Gewissen.
Auf der positiven Seite muss man festhalten, dass die Einigung gut für die Regierung De Croo ist. Sie hat es geschafft, eine Lösung zu finden, die alle Koalitionspartner irgendwie zufrieden und niemanden sauer macht. Die Liberalen können ihre Firmenwagen behalten, die Grünen den Fuhrpark umweltfreundlicher machen, die CD&V punktet steuertechnisch und die Sozialisten können mit ein bisschen mehr Kaufkraft glänzen.
Es sind nicht nur die Parteien, die glücklich sind: Für viele Belgier sind ihre Firmenwagen heilige Kühe. Sogar die Experten erkennen an, dass grünere Firmenwagen nach und nach zu einem insgesamt umweltfreundlicheren Fuhrpark führen werden. Auf der Minusseite muss man festhalten, dass durch die Entscheidung das absurde System zementiert wird, nach dem die Nutzung des Autos steuerlich gefördert wird, resümiert Le Soir.
Offene Fragen
Firmenwagen sind eine der wichtigsten Ursachen für Staus, erinnert La Libre Belgique. Und daran wird auch ein grünerer Firmenwagen-Pool nichts ändern. Hinzu kommen die haushaltstechnischen Folgen: Die Verluste an Einnahmen aus den Abgaben auf Benzin und Diesel für den Fiskus werden auf eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt. Wie das finanziert werden soll, dazu schweigt sich die Politik aus. Wie auch zu den praktischen und logistischen Fragen der Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos, die durch die Umstellung nötig werden wird. Und da haben wir noch nicht über die Frage gesprochen, von wo und wie der höhere Strombedarf überhaupt gedeckt werden soll, unterstreicht La Libre Belgique.
Firmenwagen bleiben sinnvoll, so lange die Lohnsteuer nicht gründlich reformiert wird, kommentiert De Tijd. Auch wenn das System leider zu Umweltverschmutzung führt und zu einer übermäßigen Nutzung des Autos animiert. Die Entscheidung der Regierung ist richtig, aber sie ist unvollständig. Als nächstes muss die Energiepolitik auf den Tisch kommen. So lange bei der Stromproduktion CO2 ausgestoßen wird, sind Elektro-Firmenwagen kein definitives ökologisches Verkehrsmittel. Und auch bei der Mobilitätspolitik muss etwas passieren. Ansonsten sollte schon mal damit begonnen werden, Ladestationen entlang der Autobahnen zu bauen, auf denen die ganzen Elektro-Autos weiter im Stau stehen werden, stichelt De Tijd.
Die echte Debatte muss erst noch beginnen
Das ist ein kolossales Unterfangen, das hier ansteht, hebt derweil L'Echo hervor. Anfang 2021 waren nur 2,3 Prozent aller Firmenwagen in Belgien elektrisch. Aber es ist dennoch eine logische Entwicklung. Eine Entwicklung, die zu einem notwendigen globalen Wandel gehört, wenn wir die Klimaziele in puncto weniger CO2-Ausstoß und Verringerung der Erderwärmung erreichen wollen, erinnert L'Echo.
Weniger Staus, weniger Gefahren im Straßenverkehr, mehr fürs Klima tun, ein ehrlicheres Steuersystem – von diesen Zielen ist Belgien auch jetzt noch immer weit entfernt.
Aber dennoch ist dieser erste Kompromiss nicht unwichtig. Neben den diversen Schritten in die richtige Richtung muss man der Einigung auch zugutehalten, dass sie die grundlegende Diskussion über das Prinzip Firmenwagen politischer und konkreter macht. Es ist aber auch klar, dass die echte Debatte über ein Ende des Firmenwagensystems geführt werden muss. Und hiermit ist noch immer nicht begonnen worden, bedauert De Morgen.
Boris Schlidt