"Endlich frei!", titelt La Dernière Heure. "Zum ersten Mal seit Monaten gibt es die Aussicht auf ein normales Leben", schreibt De Tijd auf Seite eins. Und auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws sieht man erst mal nur ein Datum: "9. Juni".
Der Konzertierungsausschuss hat gestern einen Lockerungsfahrplan beschlossen, der tatsächlich das Ende der Krise einzuläuten scheint. Das erste Schlüsseldatum, das wird der 9. Juni sein. Dann können die Horeca-Betriebe auch ihre Innenräume wieder öffnen. Danach geht es in Etappen weiter: Ab Mitte August sollen auch wieder große Außenevents möglich werden. "Belgien lockert mit einem großen Sommerplan", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "In vier Schritten in die Freiheit", präzisiert Gazet van Antwerpen. La Libre Belgique sieht ihrerseits "Fünf Etappen auf dem Weg zurück in ein normales Leben".
Einige Blätter freuen sich jedenfalls auf den Sommer. "Dieser Sommer wird festlich; wenn alles gut geht", schreibt Le Soir. "Es wird der Sommer der Freiheit", ist Het Belang van Limburg überzeugt. Das Ganze ist aber an Bedingungen geknüpft. Kurz und knapp: Die Zahlen müssen stimmen. Ob die einzelnen Lockerungsschritte eingeleitet werden können, das wird vor allem von der Impfquote abhängen.
Dennoch bringen einige Gesundheitsexperten auch ihre Sorgen zum Ausdruck. De Morgen bringt es auf den Punkt: "Kommt die Freiheit nicht zu früh?", fragt sich die Zeitung. "Die Regierungen versprechen die Freiheit, gehen dabei aber doch große Risiken ein", warnt auch De Standaard.
Ein unbehaglicher Optimismus
"Der Lockerungsfahrplan sorgt gleichermaßen für Hoffnung und Angst", so fasst es Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel zusammen. Der Konzertierungsausschuss hat gestern die Tür in Richtung Freiheit sperrangelweit aufgestoßen. Klar: Das Ganze ist an Bedingungen geknüpft. Das Problem ist nur, dass sich – nicht zuletzt seit gestern – bei vielen Menschen das Gefühl einstellen kann, dass die Pandemie (so gut wie) vorbei ist. Ob der derzeitige Optimismus gerechtfertigt ist, und ob der 'Sommerplan' wirklich umsetzbar ist, das wird sich erst noch zeigen müssen. Man wird die Situation genauestens im Auge behalten müssen. Denn Fehltritte sind nicht erlaubt.
Bei De Morgen überwiegt bei alledem immer noch das Unbehagen: Die Frage ist und bleibt, ob wir die Tür in Richtung Freiheit nicht zu früh aufstoßen. Und die einzige wirklich ehrliche Antwort ist, dass wir es nicht wissen. Eben weil es zu viele Unbekannte gibt, das hat uns die Krise längst gelehrt. Insofern ist die gestrige Entscheidung des Konzertierungsausschusses letztlich eine Wette auf die Zukunft. Gut, nach all den Monaten der Entbehrungen und der notwendigen Vorsicht musste irgendwann der Tag kommen, an dem wir lernen müssen, mit dem Virus und der Gefahr zu leben. Wer kann es sich heute vorstellen, dass wir schon in drei Monaten auf einer Festivalwiese stehen könnten? Das werden wohl die wenigsten sein.
"Vom Krisenmanagement zum Risikomanagement"
"Die Freiheit winkt, doch sollten wir den Sicherheitsgurt anlegen", meint Le Soir. Erstmal überwiegt natürlich die Erleichterung. Zu lange haben wir auf einen Lockerungsfahrplan gewartet; da will man sich jetzt auch nicht gleich wieder die Freude darüber vermiesen lassen. Dennoch: Diese Freiheit, die da in Aussicht gestellt wird, die wird nicht grenzenlos sein. Ab jetzt wird es auch und vor allem um individuelle Verantwortung gehen. Wir alle haben es in der Hand, um dafür zu sorgen, dass das Virus nicht wieder überhand nimmt. "Impfung", so lautet da das wohl wichtigste Zauberwort. Und dieser Appell richtet sich vor allem an die Wallonen und ganz besonders nochmal an die Brüsseler.
"Wir schalten jetzt um: Vom Krisenmanagement auf ein Risikomanagement", analysiert L'Echo. Der Konzertierungsausschuss bleibt auf dem Pfad des Pragmatismus: Ungeachtet der Warnungen einiger Virologen nimmt man weiter den Druck vom Kessel. Es ist aber ein kalkuliertes Risiko, denn es gibt ja die Impfkampagne. Das ist der wahre und einzige Schlüssel.
Nicht vergessen: Die Pandemie ist noch nicht vorbei
Es wird der Sommer der Impfungen, zumindest sollte das so sein, meint L'Avenir. Denn, nicht vergessen: Letztlich wird es die Impfquote sein, die darüber entscheidet, ob der Lockerungsfahrplan in seiner jetzigen Form umgesetzt werden kann. Entsprechend hoch dürfte der Druck auf diejenigen werden, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen wollen. Denn sie werden es am Ende vielleicht "schuld" sein, wenn die eine oder andere Lockerung nicht vorgenommen werden kann.
Aber, nicht vergessen, wirft das GrenzEcho ein: Experten warnen davor, dass die Wirkung der Impfstoffe mit der Zeit nachlassen wird. Der Impfschutz wird also aufgefrischt werden müssen. Hier lässt die Disziplin aber leider oft zu wünschen übrig. "Jetzt lockt der Sommer, aber danach kommt der Herbst"; es wäre falsch, von einem Sieg über das Virus zu sprechen.
La Libre Belgique sieht das genauso. Die Pandemie ist nicht vorbei. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass sich so viele Bürger wie möglich impfen lassen. Hinzu kommt: Es gibt neue, gefährliche Varianten. Entsprechend bleibt auch die Einhaltung der Grundregeln geboten. Von beiden Parametern wird die Zukunft abhängen: Sich impfen zu lassen und die Abstandsregeln einzuhalten, das ist unsere gemeinsame Mission für die nächsten Wochen und Monate.
La Dernière Heure schließt sich diesem Appell an: Das Ende des Tunnels ist definitiv in Sicht. Doch werden wir doch noch ein – hoffentlich – letztes Mal auf die Zähne beißen müssen, um es auch wirklich zu erreichen. Jetzt liegt es mehr denn je vor allem an uns.
Impfung und Innenraumbelüftung
Eigentlich gibt es ab jetzt zwei wichtige "I"s, glaubt Het Laatste Nieuws. I für Impfung, aber auch I für Innenraumbelüftung. Beim Thema Impfungen schaut man derzeit vor allem besorgt auf Brüssel, wo der Weiher der Impfwilligen sichtbar auszutrocknen droht. Neben der Impfung wird aber auch die Belüftung der Innenräume wirklich zum Thema. Premierminister Alexander De Croo hat gestern erstmals wirklich den Nachdruck darauf gelegt. Demnach sollen also strenge Belüftungsnormen eingeführt werden, etwa für Horeca-Betriebe, aber auch für Fitnesscenter und Veranstaltungssäle. Hoffentlich werden diese Regeln nicht am Ende wieder unter dem Druck von Lobbygruppen verwässert...
Roger Pint