"Audrey Hanard wird die neue Präsidentin von bpost", so die Schlagzeile von Le Soir. "Bpost überrascht mit starken Zahlen und einer jungen Vorsitzenden", titelt De Tijd. "Bpost bricht mit seiner Vergangenheit", meint sogar De Standaard.
Personalwechsel bei Bpost: Die neue Geschäftsführerin
Nach dem unrühmlichen Abgang des früheren bpost-Geschäftsführers Jean-Paul Van Avermaet vor sechs Wochen macht das Staatsunternehmen heute auch mal positive Schlagzeilen. Audrey Hanard soll Vorsitzende des Verwaltungsrates werden. Sie hat ein untypisches Profil: Sie ist jung, erst 36 Jahre alt. Und sie ist unabhängig, wobei es die PS ist, die sie vorgeschlagen hat. Die Brüsselerin arbeitet derzeit in London bei einem internationalen Consulting-Unternehmen. "Nicht nur, dass die PS mit Audrey Hanard eine Topmanagerin zur Vorsitzenden des Verwaltungsrates macht, das Management hat gestern auch gute Zahlen präsentiert - und eine klare Strategie", schreibt De Standaard.
Begründete Hoffnung für den Horeca-Sektor und auf Urlaubsreisen
"Es gibt Hoffnung auf eine Wiederöffnung der Restaurants am 1. Juni", so derweil die Aufmachergeschichte von La Dernière Heure. "Die vollständige Wiederöffnung des Horeca-Sektors kommt in Sicht", schreibt auch Het Nieuwsblad. Die belgischen Corona-Zahlen entwickeln sich positiv, alle maßgeblichen Parameter gehen zurück. "Wenn sich der Sinkflug der Zahl der Covid-Patienten auf der Intensivstation fortsetzt, dann ist eine vollständige Wiederöffnung des Horeca-Sektors Anfang Juni kein Wunschtraum mehr", meint Het Nieuwsblad.
"Die Ferien winken", freut sich La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Alle Corona-Zahlen sinken, und beim Impfen wird jetzt richtig Gas gegeben. Und seit einigen Tagen werden denn auch Reisebüros regelrecht überrannt. Natürlich hat auch unser kleines Land seine touristischen Highlights zu bieten. Viele Menschen haben dennoch Lust auf eine wirkliche Luftveränderung, sie wollen "raus".
Und, wenn uns keine vierte Welle dazwischen kommt - bei diesem verdammten Virus weiß man ja nie - dann können wir in diesem Sommer tatsächlich wieder unsere Lieblings-Urlaubsorte ansteuern. Und damit wird wohl auch der Tourismus-Sektor mit seinen tausenden Arbeitsplätzen wiederaufleben können. Endlich!
"Jegliche Euphorie ist verfrüht", mahnt demgegenüber aber das GrenzEcho. Klar kann man sehr viele positive Entwicklungen erkennen. Viele wollen sich diesen Erfolg an die Fahnen heften, doch sollte man da ein paar Fakten nicht aus den Augen verlieren. Erstens spielt uns der beginnende Frühling in die Karten. Zweitens dürfen wir nicht vergessen, dass uns im letzten Herbst die zweite Welle eiskalt erwischt hat. Und der wahrscheinlich wichtigste Faktor: Wir verfügen jetzt, im Gegensatz zum vergangenen Jahr, über Impfstoffe.
Aber gut, wichtig ist, dass die Pandemie an Kraft verliert. Dafür dürfen wir die Hände aber nicht in den Schoß legen. Bei aller Euphorie angesichts der anstehenden Öffnung der Terrassen sollte man nicht vergessen, dass gerade junge Menschen immer noch unter der Pandemie leiden. Lehrern wie Kindern sollte schnellstmöglich ein Impfangebot unterbreitet werden.
"Impf-Vorpfuscherin": Rücktrittsforderungen im Fall Veerle Heeren
Apropos Impfangebot: In Flandern sorgt die Bürgermeisterin von Sint-Truiden für Schlagzeilen. Die CD&V-Politikerin Veerle Heeren steht im Verdacht, sich und einigen Leuten aus ihrem Umfeld zu einer Impfung verholfen zu haben. De Morgen nennt sie eine "Impf-Vorpfuscherin". Sie hat das in einem Interview mehr oder weniger zugegeben.
Das ist aber anscheinend nach hinten losgegangen: "Der Druck auf Veerle Heeren nimmt nach einem ungeschickten Interview noch zu", schreibt Het Belang van Limburg. Het Nieuwsblad sieht das ähnlich: "Veerle Heeren steckt noch tiefer in Schwierigkeiten".
Einige Leitartikler gehen mit der Bürgermeisterin hart ins Gericht. "Geen commentaar", das war die Standard-Antwort des früheren Premierministers Jean-Luc Dehaene, erinnert sich Het Laatste Nieuws. Auch Veerle Heeren wollte zunächst gar nichts zu den Vorwürfen sagen. Sie war überzeugt, niemandem gegenüber Rechenschaft ablegen zu müssen, verwies auf die ärztliche Schweigepflicht.
Mann, Mann, Mann! Es mag Zeiten gegeben haben, in denen man sich mit einem lapidaren "Kein Kommentar" aus einer Sache herausreden konnte. Aber nicht, wenn es um Selbstbereicherung geht. Das Schlimmste ist, dass bei Heeren weit und breit kein Schuldbewusstsein zu erkennen ist. Das nährt bei vielen noch den Verdacht, dass Veerle Heeren nicht die einzige Bürgermeisterin ist, die sich vorgepfuscht hat.
Veerle Heeren, das ist so etwas wie die Marie-Antoinette von Sint-Truiden, meint De Morgen. Jene französische Königin also, die es offenbar sehr erstaunlich fand, dass die arme Bevölkerung bei Brotknappheit nicht einfach Kuchen isst. Auch Veerle Heeren scheint sich ihrer Privilegien nicht bewusst zu sein. Sie hätte, wie selbstverständlich, ihre Dosis an Menschen abtreten sollen, die sie dringender brauchten. Auf der Titanic wusste man auch schon: In der Krise ist die Haltung des Kapitäns entscheidend für die Moral.
Bei den US-Marines ist es umgekehrt, konstatiert De Tijd. Dort essen die leitenden Offiziere als letzte. In der Geschichte aus Sint-Truiden ist definitiv alles daneben. Erst hat die Bürgermeisterin wochenlang gelogen. Dann hat sich herausgestellt, dass nicht nur sie, sondern auch ihr erweitertes Umfeld schon im März eine Impfung bekommen hat. "Die Bürgermeister-Liste", könnte man sagen, wobei der Begriff normalerweise zu einer Wahlkampagne, und nicht zu einer Impfkampagne, passt. Sie selbst spricht lediglich von einem "Einschätzungsfehler" und von "falschen Eindrücken". Oft ist die Kritik an den angeblichen "Eliten" unbegründet, mehr noch: Sie untergräbt das Vertrauen in die Politik. Umso mehr hätte man auf diese Geschichte sehr gut verzichten können.
"Was war das für eine magere Entschuldigung", beklagt auch Het Belang van Limburg. Veerle Heeren bleibt dabei, dass sie keinen Fehler gemacht habe - zumindest im rechtlichen Sinne. Technisch gesehen mag das stimmen. Moralisch ist das aber nicht schönzureden. Sie behauptet, dass ihr Impfstoff verabreicht wurde, der sonst liegengeblieben wäre. Eine gute Bürgermutter hätte stattdessen die älteren Menschen ihrer Gemeinde zusammengetrommelt, die zu dem Zeitpunkt noch nicht geimpft waren.
Gerade in Zeiten, in denen den Bürgern große Opfer abverlangt werden, wird von Politikern Integrität erwartet. Wer das nicht mehr gewährleisten kann, der muss zurücktreten.
Het Nieuwsblad ist noch schärfer: Veerle Heeren ist zum Sinnbild des populistischen Klischees geworden, des Vorurteils, wonach Politiker sich am Ende doch immer zu aller erst selbst bedienen. Und sie scheint sich zu allem Überfluss der Schwere ihres Fehlers nicht mal bewusst zu sein. Hier geht es um eine extreme Form von Vetternwirtschaft. Es gibt mehr als einen Grund, sofort zurückzutreten...
Roger Pint