"Heute treten die ersten Lockerungen in Kraft – Reisen erneut möglich, Schulen wieder offen, aber teilweise mit Fernunterricht", schreibt Gazet van Antwerpen. "Fernunterricht: Kinderärzte schlagen Alarm", titelt Le Soir. "Der Horeca-Sektor boykottiert die Schließung der Terrassen um 20 Uhr", so La Dernière Heure. "Die Kulturwelt hebt die Beschränkungen selbst ab dem 30. April auf", lautet die Überschrift bei La Libre Belgique.
Die Aufhebung des Verbots nicht-essenzieller Reisen wird nicht viel ändern, kommentiert L'Avenir. Zunächst einmal bleiben touristische Reisen nach außerhalb der Europäischen Union verboten. Und im Schengen-Raum sind fast alle Regionen Coronavirus-Hochrisikogebiete. Das bedeutet, dass das Verbot, dorthin zu reisen, durch eine strenge Test- und Quarantänepflicht ersetzt wird. Mit entsprechenden Strafen, um Reisewillige zu entmutigen.
Die Wiederöffnung der Schulen kann man derweil nicht wirklich als Lockerung bezeichnen. Denn sie kehren nur zu den Maßnahmen zurück, die vor den verlängerten Osterferien in Kraft waren. Das, was ab diesem Montag gilt, sind also höchstens zwei kleine Maßnähmchen.
Die echten Maßnahmen kommen – vielleicht – am 26. April mit den nicht-essenziellen Geschäften und den nicht-medizinischen Kontaktberufen. Und am 8. Mai mit den Terrassen der Bars, Cafés und Restaurants. Für die Regierungen hat ein Rennen gegen die Zeit begonnen, um bis dahin einen möglichst großen Schutz durch Impfungen aufzubauen. Und den Druck besonders auf die Intensivstationen abzubauen, die jetzt quasi voll sind.
Zwölf Tage bleiben den politisch Verantwortlichen dafür. Denn egal, welche Daten der Konzertierungsausschuss vorgegeben hat: Die Belgier werden am 1. Mai beginnen, den Lockdown aufzuheben. Und der Countdown dazu, der hat heute begonnen, warnt L'Avenir.
Ein teilweises Versagen
Dass die Schulen heute wieder öffnen, ist an sich eine gute Nachricht, schreibt Le Soir. Die Anstrengungen, die uns allen während der Pandemie abverlangt worden sind, waren nicht nur, um Leben zu retten und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern, sondern auch, um eine maximale Öffnung und ein bestmögliches Funktionieren der Schulen zu gewährleisten.
Nicht nur aus bildungstechnischen Gründen. Ziel war auch, die sozialen Kontakte und die geistige Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu erhalten und sie so vor dem totalen Absturz zu bewahren. Die Rückkehr in die Schulen heute ist aber auch teilweise ein Versagen, denn 100 Prozent Präsenzunterricht sind wegen der hartnäckigen Virus-Varianten nicht möglich.
Hinzu kommen die erschreckenden Befunde der Kinderärzte: Covid trifft auch die Seelen der Heranwachsenden, demotiviert, deprimiert, schürt Selbstmordgedanken und Zukunftsängste. Das einzige Mittel dagegen ist eine Rückkehr zu einem vollständigen Präsenzunterricht: Darin sind sich alle Psychiater einig. Und es braucht langfristige Unterstützungsmaßnahmen, die über den reinen Unterricht hinausgehen, fordert Le Soir.
So lange, wie es die Forderung gibt, die Schulen offenzuhalten, wird unterstrichen, wie wichtig die Luftqualität in den Klassenzimmern ist, um das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten, erinnert Het Nieuwsblad. Die perfekte Lösung dafür sind CO2-Messgeräte.
Und hier hat sich Flandern beziehungsweise der flämische Unterrichtsminister Ben Weyts nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Diese Messgeräte können einen großen Unterschied machen. Viel mehr jedenfalls als populistische Forderungen nach prioritären Impfungen, wettert Het Nieuwsblad.
Echte Perspektiven
La Libre Belgique kommt in ihrem Leitartikel auf die Ankündigung eines Kollektivs des Kultursektors zurück, zwischen dem 30. April und dem 8. Mai zahlreiche Veranstaltungsorte unter Beachtung der Corona-Regeln zu öffnen.
Das Ziel ist klar: Sie wollen den Konzertierungsausschuss unter Zugzwang setzen. Der Berufsstand fühlt sich vergessen, verlassen, geopfert – und vor allem ungerecht behandelt auf der Basis wissenschaftlich fragwürdiger Maßnahmen.
Auch wenn die epidemiologische Situation extrem problematisch bleibt und die Auslastung der Intensivstationen weiter Sorge bereitet: Es ist längst höchste Zeit, dass die Politik der Verzweiflung des Kultursektors Gehör schenkt. Und ihm echte Perspektiven gibt, anstatt immer nur vage und hypothetische Versprechungen, kritisiert La Libre Belgique.
Lieber nicht zu viel trinken
La Dernière Heure schließlich kommentiert den Horeca-Sektor. Falls alles gutgeht, soll der die Terrassen am 8. Mai wieder öffnen können. Falls. Vorsicht ist bei den epidemiologischen Bedingungen nämlich geboten, um weitere schlechte Überraschungen für den schwer gebeutelten Sektor zu vermeiden.
Außerdem sind noch keine sanitären Protokolle für die Wiederöffnung veröffentlicht worden. Obwohl der Konzertierungsausschuss letzten Mittwoch war und alle seit Monaten über den Horeca-Sektor reden.
Was allerdings noch beunruhigender ist, sind erste Details, die durchgesickert sind. So sollen die Gastronomen angeblich bereits um 20 Uhr schließen müssen und dürfen maximal sechs Personen an einem Tisch sitzen.
Also, fassen wir die Regeln für Kontaktblasen ab dem 8. Mai mal kurz zusammen: Zwei Personen drinnen, zehn Personen draußen, aber nur vier während der Nacht und nur sechs auf einer Terrasse – und das auch nur bis 20 Uhr. Eines ist schon mal sicher bei diesem Surrealismus in Reinkultur: Zu viel trinken sollte man nicht, wenn man den Überblick über seine Kontaktblasen behalten will, frotzelt La Dernière Heure.
Boris Schmidt