"Eine zaghafte Aufklarung", titelt L'Echo. "Vorsichtig in die Freiheit", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Vorsicht hat Vorrang, trotz des schwelenden Aufstandes", schreibt La Libre Belgique.
Der Konzertierungsausschuss hat gestern einen angepassten Lockerungsfahrplan vorgelegt. Das wichtigste Stichdatum steht unter anderem auf Seite eins von De Tijd: "Am 8. Mai dürfen wir wieder auf die Terrassen". Da fehlt aber eine entscheidende Nuance: "Bald geht's wieder auf die Terrasse, ABER", schreibt Het Laatste Nieuws und das "ABER" steht da in dicken roten Buchstaben.
Das GrenzEcho formuliert es ähnlich: "Terrassen öffnen am 8. Mai, wenn...", schreibt das Blatt. Denn, in der Tat: Die Öffnung der Terrassen ist an Bedingungen geknüpft. Bis zum 8. Mai müssen 70 Prozent der Über-65-Jährigen geimpft sein. Und die Situation auf den Intensivstationen muss sich "nachhaltig verbessert haben", wobei nicht klar definiert ist, was das genau heißen soll. "8. Mai: eine Befreiung auf Bewährung", schreiben denn auch De Morgen und La Dernière Heure.
Vorsichtige Öffnung des Horeca-Sektors – mit Kleingedrucktem
Die Situation "muss sich nachhaltig verbessert haben": Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat da doch eine Zahl draufgesetzt, erläutert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel: Für ihn wäre die Schwelle von 500 belegten Intensivbetten akzeptabel. Das allerdings, das ist kein Pappenstiel! Innerhalb von drei Wochen müsste sich die Zahl der Covid-Patienten auf der Intensivstation damit mehr oder weniger halbieren. Erst dann könnte man also die Terrassen wieder öffnen.
Premierminister Alexander De Croo wollte sich seinerseits nicht auf eine Zahl festnageln lassen. Er ahnt wohl, dass der Druck schon jetzt zu hoch ist und dass die Zahlen schon ziemlich entgleisen müssten, um die Öffnung der Terrassen noch zu verhindern.
Dennoch ist die Befreiung mit Kleingedrucktem versehen, stellt auch De Morgen fest. Dabei ist schon der Stichtag ein Kompromiss: Im Raum stand der 1. Mai. Die Vorsichtigen, allen voran Frank Vandenbroucke, hatten für eine Öffnung zum 15. Mai plädiert. Also hat man die Mitte genommen. Doch weiß die Politik selbst nicht so genau, ob dieser Termin zu halten sein wird. Deswegen hat man das Ganze an Grundbedingungen geknüpft.
Das nicht aus Spaß an der Freude, sondern weil der Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, nach wie vor sehr hoch ist. Es ist letztlich ein Mittelweg, für den man sich entschieden hat. Das allerdings ist kein mit Rosen ausgelegter Boulevard, sondern ein holpriger Ziegenpfad, der sich seinen Weg sucht, inmitten von nach wie vor besorgniserregenden Zahlen und der Hoffnung auf Besserung...
Der Weg aus dieser Krise ist vor allem risikobehaftet, glaubt Het Nieuwsblad. Denn, wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass die derzeitige Lage eigentlich gar keine Lockerungen zulässt. Und doch ehrt es die Politik, dass sie nicht nur auf die Zahlen geschaut hat, sondern auch den Ruf aus der Bevölkerung gehört hat, die sich nach Öffnungen sehnt. Man kann nicht mehr leugnen, dass die Akzeptanz auf einem Tiefpunkt angekommen ist.
Gut, auf der anderen Seite wiederum sind die Krankenhäuser wieder im Krisenmodus. Bei alledem muss man sagen, dass Premierminister Alexander De Croo eigentlich noch einen vorzeigbaren Kompromiss finden konnte. "Hoffentlich schlägt uns das Virus kein Schnippchen", meint das GrenzEcho. Die Strategie erschöpft sich in der Umsetzung der Impfstrategie. Die allerdings hängt maßgeblich vom Tempo der Lieferungen ab.
Ein Balanceakt zwischen Öffnungen und dem Schutz der Gesundheit
Für Het Belang van Limburg hält sich das Risiko eher in Grenzen. Dass man die Zügel etwas lockert, das ist mehr als logisch. Erst recht, wenn es um Aktivitäten unter freiem Himmel geht. Die Gesundheitsexperten, allen voran Marc Van Ranst, befürchten, dass die Lockerungen das Infektionsgeschehen wieder befeuern könnten. Da stellt sich aber die Frage, wie viele Menschen die Regeln überhaupt noch einhalten. Wer etwa beschränkt sich denn noch auf einen Knuffelkontakt? Irgendwo müssen die Neuansteckungen schließlich herkommen...
Es ist und bleibt ein wackliges Gleichgewicht, bringt De Tijd das Dilemma auf den Punkt. Auf der einen Seite muss man blind sein, um die Situation in den Krankenhäusern nicht zu sehen. Auf der anderen Seite wäre man taub, wenn man den Ruf nach Öffnungen beziehungsweise Perspektiven überhören würde. Und die Politik ist gezwungen, zwischen diesen beiden Feststellungen zu lavieren. Schon oft schien das Reich der Freiheit in Sicht zu sein, und jedes Mal wurden wir enttäuscht. Das können wir aber nicht der Politik vorwerfen. Es ist allein das Virus, das den Takt vorgibt.
Die Politik war zwischen Hammer und Amboss, analysiert auch L'Echo. Entsprechend vage sind die Beschlüsse; über den künftigen Lockerungen hängt nach wie vor ein Damokles-Schwert. Klar ist es logisch, dass man die Lockerungen nur schrittweise vornehmen kann. Nur ist der Konzertierungsausschuss eigentlich bei seiner bisherigen Vorgehensweise geblieben.
Dabei hätte es doch eine Alternative gegeben, nämlich den Vorschlag der drei Gesundheitsexperten, die ja für wesentlich gezieltere Maßnahmen geworben haben: Ein "Covid safe"-Label, was eine Abkehr von den blinden, pauschalen Maßnahmen bedeuten würde. Leider hat die Politik diese Idee nicht wirklich aufgegriffen.
Impfungen sind die einzige Perspektive und dafür braucht es Geduld
Genau das bedauert auch La Libre Belgique. Erst mal bleibt es dabei, dass ganze Sektoren zugemacht werden, ohne dass man die Situation vor Ort ausreichend in Betracht zieht. Resultat ist jedenfalls, dass der Konzertierungsausschuss wohl zu vorsichtig agiert, was dazu beitragen kann, dass das Vertrauen weiter schwindet.
Und stellenweise droht die Lage außer Kontrolle zu geraten, warnt Le Soir. Während etwa für die Krankenhäuser die Lockerungen zu schnell kommen, kommen sie anderen nicht schnell genug. In Lüttich bleiben viele Horeca-Betriebe dabei, dass sie – ungeachtet der gestrigen Beschlüsse – am 1. Mai öffnen werden. Die Politik darf das Heft nicht aus der Hand geben. Ansonsten droht ein monumentales Chaos, das sich ja jetzt schon anzubahnen scheint.
Und die Terrassen zu öffnen, das wird das Vertrauen auch nicht wiederherstellen, glaubt De Standaard. Die Politik ist dabei, die Kontrolle zu verlieren. Die einzige Hoffnung, das ist tatsächlich die Impfung.
L'Avenir sieht das ähnlich. In einigen Sektoren schwelt regelrecht ein Aufstand. Und die einzige wirkliche Perspektive, das ist die Impfung. Naja, wenn man sich die Situation in Deutschland und Frankreich anschaut, dann muss man aber zugeben, dass der Himmel bei uns etwas weniger bewölkt ist.
Was bleibt, das ist die bedauerliche Feststellung, dass wir wohl noch ein bisschen warten müssen, bis die Menschen wieder ausgelassen auf den Straßen feiern können, meint leicht resigniert La Dernière Heure. Erst mal müssen wir uns wohl damit begnügen, zum Frisör zu gehen und danach auf einer Terrasse ein Gläschen zu trinken. Das ist aber immer noch besser als nichts...
Roger Pint