"Der Horeca-Sektor erwartet ein starkes Signal für den 1. Mai", titelt L'Avenir. "Eine Wiederöffnung zum 1. Mai ist aber mehr und mehr fraglich", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. Das GrenzEcho wird noch deutlicher: "Aktuell wenig Hoffnung für den Horeca-Sektor", schreibt das Blatt.
Am Mittwoch kommt erneut der Konzertierungsausschuss zusammen. Die Vertreter aller Regierungen des Landes müssen entscheiden, ob der Fahrplan zu halten ist, der derzeit im Raum steht.
Eigentlich sollten ja die Cafés und Restaurants am 1. Mai wieder öffnen. Doch hatte Corona-Kommissar Pedro Facon diesen Stichtag am Wochenende schon mit einem Fragezeichen versehen. Und auch der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat sich gestern sehr bedeckt gehalten.
Auch die Schulöffnungen am 19. April stehen auf der Kippe
Das Problem ist einfach nur, dass die Zahlen noch viel zu hoch sind. Im Moment liegen rund 900 Covid-Patienten auf der Intensivstation.
Und damit gerät noch eine andere Entscheidung in Gefahr. "Geringe Aussichten, dass jeder nach den Osterferien wieder zu Schule darf", titelt Het Nieuwsblad. "Womöglich dürfen nicht alle Schüler gleich wieder zur Schule", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Eigentlich war ja geplant, dass die Schulen am 19. April, also am kommenden Montag, wieder weitgehend auf Präsenzunterricht umschalten. Die Schlagzeilen von Het Nieuwsblad und De Morgen betreffen zwar erstmal nur Flandern, in den meisten Fällen gehen die Gemeinschaften aber koordiniert vor.
"Öffnungen. Und zwar schnell!", fordert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Menschen brauchen Luft zum Atmen, sie brauchen Freiheit, sie brauchen Reisen, Kino, Kulturveranstaltungen, Theater, sie brauchen ihre Frisörinnen und Frisöre. Und das schnell! Sehr schnell! Natürlich waren die Corona-Einschränkungen nötig - allein wegen der Lage in den Krankenhäusern - und das Pflegepersonal verdient den Nobelpreis.
Doch jetzt ist endlich Land in Sicht. Der Sieg ist zum Greifen nah. Belgien rangiert in Sachen Impfungen inzwischen europaweit in der Spitzengruppe. Jetzt ist also der Zeitpunkt gekommen, die Fenster, die Türen und die Grenzen zu öffnen.
Natürlich ist da weiter Vorsicht geboten. Aber, wenn wir verhindern wollen, dass die Menschen auf die Barrikaden gehen, dann wären die Regierungen des Landes gut beraten, den Lockerungs-Fahrplan umzusetzen.
Prädikat "Covid-sicher" gegen sinnlose Jo-Jo-Maßnahmen
"Wir brauchen Luft zum Atmen", ist auch Het Nieuwsblad überzeugt. Seit einem Jahr hangeln wir uns von Lockdown zu Lockdown. Und auch jetzt ist nicht klar, ob der Fahrplan eingehalten werden kann, der aktuell im Raum steht.
Das Problem ist, dass die belgische Corona-Politik nur schwarz oder weiß kennt: Entweder mit Brettern vernagelt oder offen. Jetzt, da die Impfkampagne endlich Fahrt aufnimmt, jetzt, da auch Schnelltests zur Verfügung stehen, jetzt ist auch mal Zeit für Grauzonen.
Und da sollte man doch mal über die Grenze in die Niederlande gucken. Dort wird mit "Test-Events" experimentiert. Es wird also untersucht, ob, beziehungsweise unter welchen Auflagen Veranstaltungen stattfinden können. Und die ersten Ergebnisse geben Anlass zum Optimismus.
Einfach mit Lockerungen vorzupreschen, das ist keine Option. Ein wenig Kreativität wäre aber sehr willkommen.
Eine solche Idee steht heute in Le Soir. Drei namhafte Experten plädieren dafür, sich von den "blinden" Maßnahmen zu verabschieden und die Entscheidungen wirklich auf die jeweiligen Sektoren oder gar einzelne Geschäftsräume zuzuschneiden. Die bekämen demnach nach einer Überprüfung das Label "Covid-sicher" verpasst.
"Das ist doch mal eine sinnvolle Initiative", lobt Le Soir in seinem Leitartikel. Zumindest bekäme man dadurch mal eine mittel- bis langfristige Perspektive. Und damit wäre auch endlich Schluss mit den manchmal willkürlich anmutenden Entscheidungen, die pauschal ganze Sektoren betreffen - und mit der aktuellen Jo-Jo-Politik.
Was wir jetzt jedenfalls nicht brauchen, das sind falsche Hoffnungen, mahnt La Dernière Heure. Jetzt, einige Tage vor einem neuen Konzertierungsausschuss, treten wir wieder in diese heikle Phase ein, in der alle möglichen Politiker alle möglichen Forderungen in den Raum stellen. In der Hoffnung, dass sie sich nach der Sitzung mit diesen Federn schmücken können.
Nur sind die Corona-Zahlen leider, wie sie sind. Man muss den Realitäten ins Auge sehen: Am Mittwoch werden wohl keine großartigen Lockerungen zu erwarten sein. Und auch die Wiederöffnung des Horeca-Sektors am 1. Mai ist fraglich, wenn nicht gar illusorisch geworden.
Und hier sieht man auch einen der wohl größten Fehler, den diese Regierung gemacht hat: Wieder einmal hat man den Menschen eine Perspektive vorgegaukelt, ohne dass man einen wirklichen mittelfristigen Plan gehabt hätte. Deswegen: Bitte keine falschen Hoffnungen mehr!
Tod eines 21-Jährigen nach einer Lockdown-Party
Wieder haben wir eine neue Runde Schattenboxen gesehen, kann auch De Morgen nur feststellen. Nicht fehlen darf da der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez, der bereits am Freitag forderte, dass der Horeca-Sektor und die körpernahen Dienstleistungen nicht auf dem Altar der Schulen geopfert werden dürfen.
Der flämische Unterrichtsminister Ben Weyts – noch so ein üblicher Verdächtiger – erklärte gestern, dass der Konzertierungsausschuss diesmal besser auf ihn hören würde. Dieses Hickhack hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Bei alledem geht es offensichtlich nur noch um Egos.
Wer aber nur in der Hoffnung agiert, hier punkten zu können, der streut den Menschen Sand in die Augen. Denn nur einer bestimmt die Agenda und das ist das Virus.
Gazet van Antwerpen schließlich beschäftigt sich mit dem tragischen Tod eines jungen Mannes. Der 21-jährige Damian hatte sich bei der Auflösung einer Lockdown-Party vor der Polizei versteckt und war dabei aus dem Fenster gefallen. Er überlebte den Sturz nicht.
"Das ist eine neue Form von Covid-Tragödien", meint das Blatt. Das Drama ist eine beinahe unvorstellbare Folge der schwierigen Situation, die wir gerade gemeinsam durchleben müssen.
Hoffentlich führt dieser schreckliche Unfall zu einer ernsthaften Debatte und zu gegenseitigem Verständnis. Das wäre der einzige Sinn, den ein so unfassbar sinnloses Unglück haben könnte: Dass man vermeidet, dass sich so etwas wiederholt.
Roger Pint