"Vier Wochen Oster-Pause", titeln Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Belgien geht in den Oster-Lockdown", so die Schlagzeile des GrenzEchos. "Vier Wochen, um die Dritte Welle zu brechen", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Ganz klar im Mittelpunkt stehen heute die Beschlüsse des Konzertierungsausschusses. Die Vertreter aller Regierungen des Landes haben ja gestern die Verhängung eines neuen verschärften Lockdowns beschlossen. Wobei das Wort "Lockdown" bei der Pressekonferenz nicht gefallen ist. Vier Wochen lang soll das Öffentliche Leben wieder heruntergefahren werden, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Im Grunde ist es das gleiche Szenario wie im vergangenen Herbst. "Rückwärtsgang", so den auch die lapidare Schlagzeile von L'Echo. "Belgien wird wieder unter eine Käseglocke verfrachtet", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Der Exit aus dem Lockdown rückt wieder weiter weg", meint De Morgen. De Tijd drückt es so aus: "Statt eines 'Frühlings der Freiheit' bekommen wir einen strengeren Lockdown".
Ein feiger politischer Kompromiss?
"Vier Wochen Osterpause, kriegt man das noch verkauft?", fragt sich derweil Het Laatste Nieuws. Denn, in der Tat: Die Akzeptanz ist nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Monaten. Und auch die politische Einheit bröckelt. "Es ist der Lockdown des Zanks", schreibt denn auch Le Soir auf Seite eins. Der Streit entzündet sich vor allem an den Schulen.
Was wir gestern gesehen haben, das ist vor allem das Eingeständnis des eigenen Scheiterns, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Es ist in erster Linie das Scheitern der Strategie "testen, tracen, isolieren" von Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. Klar: Die Zahlen hatten sich derartig verschlechtert, dass man eingreifen musste. Doch sind die beschlossenen Gegenmaßnahmen wenig kohärent und es mangelt auch an Feingefühl. Warum etwa werden die sogenannten "nicht-unentbehrlichen" Geschäfte geschlossen, wenn sich doch die Krankheitsherde erwiesenermaßen in den Schulen und Unternehmen befinden? Oder sehen wir hier letztlich nur einen politischen Kompromiss, nach dem Motto: "Wir machen alles dicht, um uns nicht entscheiden zu müssen"?
"Eingeständnis des eigenen Scheiterns"
La Libre Belgique wählt denselben Begriff: "Eingeständnis des eigenen Scheiterns". Der Frühling sollte der der wiedergewonnenen Freiheit werden. Stattdessen wird wieder alles geschlossen, werden neue Einschränkungen verhängt. Die dann, noch dazu, sehr willkürlich anmuten. Und die schleppende Impfkampagne, die wird einfach ausgeblendet. Man fühlt sich um ein Jahr zurückversetzt: Dieselben Einschränkungen, dieselben logischen Fehler. Was für ein schrecklicher, dramatischer Fehlschlag!
"Kann man der Politik eigentlich noch glauben?", fragt sich auch La Dernière Heure. In den letzten zwölf Monaten haben wir die Maskensaga erlebt, das Test-Fiasko, und im Moment kommt die Impfkampagne nicht von der Stelle. Stattdessen ziehen es die Politiker vor, uns die Schuld zu geben. Im Kampf zwischen der Politik und dem Virus steht es jetzt 3:0. Für das Virus, wohlgemerkt. Und das Spiel ist noch nicht vorbei.
Je länger die Krise dauert, umso mehr regiert das reine Chaos, meint auch das GrenzEcho. Ein Jahr Krise, doch die Rezepte scheinen immer noch die gleichen zu sein. Genau wie die Sprüche, mit denen die Menschen zu weiterem Verzicht und weiterem Durchalten aufgefordert werden. Wer, bitteschön, glaubt denn noch, dass die Gastronomie am 1. Mai wieder öffnen wird? Wer glaubt noch, dass wir einen normalen Sommer erleben werden? Das Licht am Ende des Tunnels, das man uns schon seit vielen Monaten verspricht, es ist längst zum Irrlicht mutiert.
Von Schuld und Glaubwürdigkeit
Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen sind da nicht ganz so streng. "Es hätte noch schlimmer kommen können", gibt etwa Gazet van Antwerpen zu bedenken. Schließlich haben die Zahlen inzwischen wieder gefährliche Größenordnungen erreicht. Und dafür tragen alle die Schuld. Homeoffice wird zu wenig praktiziert, zu viele Menschen gehen zu locker mit den Regeln um. Und was in Belgien passiert, das sehen wir so auch in den Nachbarländern: Lockdowns in allen Variationen. Wir sollten einfach nur das Beste draus machen.
Die Politik sollte aber besser aufhören, Versprechen zu machen, empfiehlt L'Avenir. Gerade erst wurde ja wieder eins gebrochen, mit der Entscheidung, die nicht-medizinischen Kontaktberufe wieder zu schließen. Und was wäre, wenn vier Wochen Osterpause nicht reichen, um die Zahlen zu drücken? Dann wäre die Glaubwürdigkeit wohl endgültig dahin.
"Lektion in Sachen Demut"
Für De Standaard scheint das schon ausgemachte Sache zu sein. Auf dem Papier werden wir jetzt wieder vier Wochen auf die Zähne beißen müssen. In der Praxis wird diese "Pause" aber vielleicht bis Pfingsten andauern. Und niemand weiß, ob das wirklich die letzte Kraftanstrengung sein wird. Mit dieser Situation kann niemand zufrieden sein. Auch Alexander De Croo sprach von einer "Lektion in Sachen Demut". Das allerdings hätte sich jeder zu Herzen nehmen sollen. Das politische Hickhack hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht. Auch die Politik hätte wohl mal eine Abkühlungszeit nötig.
Gemeint sind vor allem MR-Chef Georges-Louis Bouchez und der flämische N-VA-Unterrichtsminister Ben Weyts. Kaum war der Konzertierungsausschuss gelaufen, da übten beide schon harsche Kritik an den dort getroffenen Entscheidungen. Dabei saßen Vertreter beider Parteien mit am Tisch.
Was wir jetzt brauchen, das ist vor allem Motivation, meint De Tijd. Und da ist es nicht dienlich, wenn Mehrheitspolitiker die Maßnahmen nicht verteidigen, sondern, im Gegenteil, auf die eigenen Regierungen schießen.
Das Virus tötet letztlich zweimal
Von wegen "Tous ensemble", meint auch Het Laatste Nieuws. Jeder predigt nur noch für die eigene Kapelle. Die Kakophonie überstimmt die doch so nötige Einhelligkeit. Wenn die Politik schon die eigenen Entscheidungen torpediert, wie soll man dann noch von den Bürgern erwarten, dass sie die Beschlüsse respektieren? Wir alle haben die Nase voll von der Pandemie. Das gilt allerdings auch für diese ewigen politischen Streitereien.
De Morgen sieht das genauso. Wenn sich Leute wie Bouchez oder Weyts meinen, sich mit ihrer Kritik profilieren zu können, dann irren sie sich. Die Menschen durchschauen diese Manöver. Sie sehen nur die ewig gleichen politischen Kabbeleien. Die Menschen haben die politischen Spielchen genauso satt wie die Pandemie. Und das jetzt erst recht.
Das Virus tötet letztlich zweimal, meint nachdenklich Le Soir. Nicht nur, dass Menschen an den Folgen von Covid-19 sterben, diese Krise tötet uns auch in sozialer Hinsicht. Sie spaltet uns, sie rüttelt an unserem Zusammengehörigkeitsgefühl und an der Glaubwürdigkeit der Politik, sie bringt Wirtschaftssektoren gegeneinander auf. Unser aller Nerven liegen blank. Aber, nicht vergessen: Wir kämpfen nicht gegen den Nachbarn, den Kollegen, den politischen Gegner. Nur zur Erinnerung: Der wahre Feind, das ist einzig und allein das Virus.
Roger Pint