"Wieder Zweifel an Astrazeneca - In den nächsten Wochen 200.000 Dosen weniger für Belgien, Dänemark setzt Impfung aus", schreibt Het Nieuwsblad. "Astrazeneca infrage gestellt, aber nicht in Belgien", titelt La Dernière Heure. "Keine Gründe, mit Astrazeneca aufzuhören", bringt Het Belang van Limburg die entsprechende Entscheidung des föderalen Gesundheitsministers Frank Vandenbroucke auf Seite eins.
Die Negativschlagzeilen um einen möglichen Zusammenhang zwischen Blutgerinnseln und dem Astrazeneca-Impfstoff werden das Vertrauen der Menschen noch weiter untergraben, die ohnehin schon prinzipiell am Sinn einer Impfung zweifeln, befürchtet Le Soir. Und spezifisch das Vertrauen in den Impfstoff von Astrazeneca.
Um das stand es von Anfang an nicht gut. Denn anfangs schien das Vakzin deutlich weniger effizient zu sein als die von Pfizer und Moderna. Obendrauf kam dann noch die Entscheidung verschiedener Länder inklusive Belgiens, den Astrazeneca-Impfstoff nicht gleich für alle Altersgruppen freizugeben. All diese Zweifel sind mittlerweile ausgeräumt.
Belgien und viele andere Länder setzen massiv auf Astrazeneca im Kampf gegen das Coronavirus. Sollten sich diese Länder entscheiden, Astrazeneca vorsichtshalber auszusetzen, würde sie das unmittelbar vor die riesige logistische Herausforderung stellen, ihre Impfkampagnen umplanen zu müssen. Aber jetzt gibt es nur eine gute Lösung: eine rein wissenschaftliche Aufklärung der Blutgerinnsel-Geschichte, ohne Berücksichtigung anderer Erwägungen, fordert Le Soir.
Einen kühlen Kopf bewahren
Gazet van Antwerpen kritisiert die Entscheidung Dänemarks scharf als Alarmismus. Aus allen Zahlen geht hervor, dass der Astrazeneca-Impfstoff sicher ist. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Meldungen die Unruhe bei den Menschen vergrößern werden. Und das kann die ganze Impfkampagne verkomplizieren. Ja, es ist eine logische spontane Reaktion, dass Menschen jetzt doch lieber kein Astrazeneca gespritzt bekommen wollen.
Aber es gibt keinen Grund dafür. Auf Millionen verabreichter Dosen kommen ein paar Dutzend Thrombosen mit einigen wenigen Todesfällen, zu denen es wahrscheinlich auch ohne Impfung gekommen wäre. Die Experten der Europäischen Arzneimittelagentur sehen keinen Zusammenhang. Natürlich kann man nicht völlig ausschließen, dass der Impfstoff von Astrazeneca in Einzelfällen Blutgerinnsel verursachen könnte. Aber selbst in diesem rein theoretischen Fall wäre dieses Risiko viele Male kleiner als das durch eine Corona-Erkrankung.
Außerdem wurde beim gerade zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson festgestellt, dass es bei Testpersonen etwas häufiger Blutgerinnsel gab, als bei der Kontrollgruppe, aber nicht genug, um die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA zu verunsichern. Wir müssen vor allem einen kühlen Kopf bewahren und nicht in die Falle einer überzogenen Vorsicht tappen. Menschen beunruhigen geht immer schneller, als ihr Vertrauen wiederherzustellen. warnt Gazet van Antwerpen.
Belgien wird zwar nicht das Verimpfen von Astrazeneca-Impfstoff wegen eines Todesfalls in Dänemark aussetzen, kommentiert das GrenzEcho. Dafür haben es andere Länder bereits getan. Die damit einhergehende Verunsicherung der Menschen nimmt man in diesen Ländern offensichtlich billigend in Kauf.
Gesundheitsminister Vandenbroucke hat in der Kammer betont, dass weder Dänemark noch die EMA Erkenntnisse vorliegen hätten, wonach ein Zusammenhang hergestellt werden könnte. Er sehe also keinen Grund, die Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff auszusetzen. Recht hat er.
Allerdings geistern nun die Nachrichten von den erneuten Zweifeln an dem Impfstoff durch sämtliche Medien. Kein Wunder, dass Menschen zögern, sich impfen zu lassen oder nach einer Impfung "à la carte" verlangen. Denn das notwendige Wissen und die Kompetenz haben nur die wenigstens, um Wirkung und Nebenwirkungen der unterschiedlichen Impfstoffe einzuschätzen, meint das GrenzEcho.
Viel getroffen, wenig beschlossen
Die Geschwindigkeit der Impfkampagne bleibt behäbig, stellt derweil De Morgen resigniert fest. Das liegt unter anderem natürlich an den Lieferschwierigkeiten für die verschiedenen Impfstoffe. Aber es steckt mehr dahinter: Belgien ist ohne nennenswerte Vorbereitung in die Kampagne gestartet. Das wird immer offensichtlicher.
Im Dezember, als klar wurde, dass der Pfizer-Impfstoff zum Jahreswechsel verfügbar sein würde, hat man sich viel getroffen, viel beraten und besprochen - aber wenig beschlossen. Das erklärt denn auch die Probleme mit dem elektronischen Impf-Einladungssystem, den fehlenden Protokollen für Impfungen zuhause, den Datenbanken mit Risikopatienten mit Vorerkrankungen. Es scheint wirklich so, als ob sowohl auf föderaler als auch auf regionaler Ebene erst dann gehandelt wird, wenn es absolut unvermeidlich wird, giftet De Morgen.
Riskant und egoistisch
La Dernière Heure greift die Unwilligkeit von beträchtlichen Teilen des Gesundheitspersonals auf, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Auch wenn man persönliche Entscheidungen respektieren muss, sind wir schockiert von dem Verhalten jener, die nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern auch Vertrauen aufbauen sollten.
Monatelang hat das Gesundheitspersonal die Überlastung der Krankenhäuser beklagt und vor deren Zusammenbruch gewarnt. Und wir haben sie alle dabei unterstützt, während wir auf den einzigen Ausweg gewartet haben: die Impfung. Die ist jetzt prioritär für das Gesundheitspersonal verfügbar, von dem sich viele aber sträuben. Das ist nicht nur riskant, sondern auch egoistisch. Neben einem schlechten Signal an die Bevölkerung ist es nämlich auch Wasser auf die Mühlen der Impfgegner, wettert La Dernière Heure.
Boris Schmidt