"De Croos Aufruf: 'Lassen Sie sich auf jeden Fall impfen'", titelt Het Nieuwsblad. Heute vor einem Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation WHO das Coronavirus offiziell zur Pandemie erklärt. Morgen jährt sich zum ersten Mal der Beginn des ersten Lockdowns in Belgien. Grund genug also, Bilanz zu ziehen. Premierminister Alexander De Croo hat das in Form einer Rede an die Bevölkerung gemacht, die über Facebook übertragen wurde.
Alexander De Croo hat sich mehr denn je als "Kriegspremier" inszeniert, analysiert Het Nieuwsblad. Das ist zwar eher "un-belgisch", aber im vorliegenden Fall doch durchaus erlaubt. Denn: Es sind und bleiben beispiellose Zeiten, die wir erleben. De Croos Botschaft war ihrerseits klar, ausgewogen und korrekt.
Naja, vielleicht war er doch etwas zu nachsichtig mit den politisch Verantwortlichen, denn viel, sehr viel ist schiefgelaufen, auch institutionell. De Croo bedankte sich jedenfalls bei all jenen, die sich regelrecht aufgeopfert und ihren Mann beziehungsweise ihre Frau gestanden haben. Der Premier wollte aber auch eine Botschaft der Hoffnung übermitteln. Und auch die war sehr willkommen!
Die Zeitungen blicken auf das Krisenjahr zurück
Aber nicht nur der Premier, auch viele Zeitungen blicken zurück auf die verrückten Tage im März letzten Jahres. Einige kommen zu dem Schluss, dass man die Krise anfangs unterschätzt hat: "Wer Angst hatte, der wurde als 'Dramaqueen' verunglimpft", schreibt Het Laatste Nieuws.
Bis heute ist die Schuldfrage nicht geklärt, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Und rückblickend haben wir damals im März 2020 auf den ersten Blick eigentlich auch viel richtig gemacht. Der Lockdown wurde vergleichsweise schnell verhängt. Das zeigt: Wenn der Druck nur groß genug ist, dann können in diesem komplexen Land tatsächlich auch schnelle Entscheidungen getroffen werden.
Die Fehler wurden wohl vor allem vorher gemacht, in der Zeit, bevor wir wussten, dass das Virus im Land war. Da hat man die Warnungen der Experten vielleicht nicht ignoriert, aber doch nicht ernst genug genommen. Zwar ist es nachvollziehbar, dass viele der damaligen Entscheidungsträger Angst hatten, am Ende an den Pranger gestellt zu werden. Es darf aber auch kein Tabu sein, zumindest einzuräumen, dass nicht immer alles glatt gelaufen ist.
De Morgen blickt im Rahmen seiner Artikelserie zum ersten Jahrestag des Lockdowns heute nach Ostbelgien: "Wie Bütgenbach zu DEM Corona-Hotspot von Belgien wurde", so die Schlagzeile. Das Blatt bringt eine Reportage aus dem Eifeldorf, in dem die Inzidenz ja im Herbst zeitweise auf fast 7.000 je 100.000 Einwohner gestiegen war. "Viele Ostbelgier scheinen sich der Gefahr nicht bewusst gewesen zu sein", so ein Fazit der Zeitung.
Gazet van Antwerpen hat sich zum ersten Jahrestag des Lockdowns etwas Besonderes einfallen lassen. "Diese Zeitung ist 100 Prozent Corona-frei", schreibt das Blatt auf Seite eins. "Kein Wort über das Virus", führt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel aus. Nicht, weil wir denken, dass die Schlacht geschlagen ist. Nicht, weil wir denken, dass es nicht mehr wichtig ist, die Corona-Regeln einzuhalten. Und bestimmt nicht, weil wir den Opfern der Pandemie nicht Respekt zollen wollen.
Nein, wir wollen einen "Waffenstillstand" anbieten: Einen Tag, an dem wir zeigen, dass es im Schatten der Coronakrise noch viele andere, spannende Geschichten gibt. Einen Tag, an dem wir unsere Leser nicht mit den Zahlen und dem damit verbundenen Kummer konfrontieren wollen...
Aufruf zum Nationalstreik: Ist das wirklich angebracht?
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem Streikaufruf der beiden großen Gewerkschaften CSC und FGTB. Weil die Verhandlungen über das Rahmentarifabkommen erst mal gescheitert sind, rufen die Arbeitnehmerverbände für den 29. März zu einem nationalen Protesttag auf.
Das ist nicht unbedingt die schlaueste Antwort auf die sozialen Fragen, die durch die Krise aufgeworfen werden, glaubt De Morgen. In den letzten Monaten ist die Wirtschaft kräftig durchgeschüttelt worden. Nicht vergessen: Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft um sechs Prozent geschrumpft - der größte Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Die wirklichen Folgen sind noch nicht absehbar, aber man kann davon ausgehen, dass viele Unternehmen trotz der staatlichen Hilfen die Kurve nicht kriegen und viele Arbeitnehmer ihren Job verlieren werden.
Entsprechend ist das Timing der Gewerkschaften denn auch, sagen wir, "merkwürdig". Ihr Streikaufruf wird schließlich auch Unternehmen treffen, die gerade ums Überleben kämpfen. Das mag ein Indiz dafür sein, wie sehr die Gewerkschaften inzwischen durch linksextreme Kräfte unterwandert sind. Interessant wird in diesem Zusammenhang sein, wie vor allem die sozialistischen Parteien auf den Streikaufruf reagieren werden.
"Was für ein absurder Irrweg!", wettert ihrerseits De Tijd. Wir leben in verrückten wirtschaftlichen Zeiten. Und dass einige das nicht kapieren, das macht das Ganze noch verrückter. Offensichtlich ist es so, dass der Staat die Krise durch Hilfen aller Art so gut abgefedert hat, dass der eine oder andere vergessen hat, dass es die Krise überhaupt gibt.
Dabei haben wir keine Ahnung, wie das dicke Ende aussehen wird: Wie viele Unternehmen werden der Krise doch noch zum Opfer fallen, wie hoch wird die Rechnung sein? Vor diesem Hintergrund Lohnerhöhungen zu fordern, die über den Index hinausgehen, das ist einfach nur rücksichtslos. Damit würde man nur die Grundlage für die Entlassungen von morgen schaffen.
"Jetzt einen Streik vom Zaun zu brechen, das ist nicht konstruktiv", meint auch De Standaard. Die Lohnnorm von 0,4 Prozent, die ist gesetzlich festgelegt. Die Prozedur ist korrekt verlaufen. Dagegen jetzt zu streiken, das fördert nicht wirklich den Dialog zwischen den Sozialpartnern. Zumal allzu hohe Lohnforderungen neben dem ohnehin existierenden Index gerade im Moment angesichts der Krise nur schwer zu rechtfertigen sind.
Hinzu kommt: Allgemein wächst die Einsicht, dass das Gesetz, das die Lohnentwicklung regelt, überarbeitet werden muss. Wenn die Gewerkschaften jetzt auf Konfrontationskurs gehen, dann wird die Aussicht auf eine Reform eher kleiner. Das einzige, was die Gewerkschaften erreichen werden, dass ist eine Verschlechterung des sozialen Klimas.
10. Jahrestag der Katastrophe von Fukushima
Heute gibt es noch einen weiteren Jahrestag zu vermerken: Vor zehn Jahren explodierte das Kernkraftwerk Fukushima. "Zehn Jahre danach: Die Lehren aus der Katastrophe", titelt La Libre Belgique und bringt zehn Sonderseiten über die Folgen des Unglücks. L'Avenir analysiert die Lage in Belgien: "Fukushima, wie steht es um die Sicherheit bei uns?".
Zehn Jahre nach der Katastrophe gehört die Kernkraft immer noch nicht der Vergangenheit an, kann La Libre Belgique nur feststellen. Klar: Länder wie Deutschland und auch Belgien haben den Atomausstieg beschlossen. Die sind aber längst nicht repräsentativ. Immer noch sind weltweit rund 450 Atomreaktorblöcke in Betrieb. Die internationale Staatengemeinschaft muss das zur Kenntnis nehmen und mehr denn je an der Verbesserung der Sicherheit der Kernreaktoren arbeiten.
In der Region um den Reaktor Fukushima wurde mal eben ein Gebiet mit der Fläche der Wallonie wirtschaftlich verwüstet, bemerkt L'Avenir. Ein Bereich vergleichbar mit der Größe der Region Brüssel gilt als Sperrzone. Und doch schafft es die Welt nicht, sich von dieser Energiequelle abzuwenden. Auch in Belgien gibt es wieder wachsende Zweifel am Atomausstieg. Es wird Zeit, dass in dieser Frage endlich eine klare Entscheidung getroffen wird...
Roger Pint
"De Morgen" schreibt als Schlagzeile "Wie Bütgenbach zu DEM Hot-Spot von Belgien wurde". Steht denn in der Artikelserie des Blattes auch dass Bütgenbach zur Zeit, was die Inzidenz-Zahl angeht, an viertletzter Stelle Belgiens und an letzter Stelle der Provinz Lüttich steht? (18/100.000, bzw. 1 Infizierter pro 14 Tage)
Aber daraus lässt sich ja auch keine Schlagzeile machen...