Kommen wir zunächst zu dem Erzbischof, der gestern durch einen Ausspruch im RTBF-Fernsehen erneut von sich reden machte, indem er die Ansicht vertrat, man solle alte Priester, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben, nicht unbedingt strafrechtlich verfolgen. Er ging sogar so weit zu behaupten, dies wäre eine Art Racheakt.
De Standaard bringt dazu die Reaktion des Kirchenrechtlers und Senators Rik Torfs, der diese Haltung scharf kritisiert. Seines Erachtens hätte Léonard erst und vor allen Dingen sagen sollen, dass die Justiz ihre Arbeit tun muss und dabei Priester und Nicht-Priester in gleicher Weise behandeln sollte.
Léonard schockiert
Le Soir befragte den französischen Philosophen und Religionshistoriker Frédéric Lenoir, nach dessen Meinung, die von Léonard geäußerte Ansicht in das vorige Jahrhundert gehört. Außerdem, so gibt er zu bedenken, entspricht sie keineswegs der Meinung des Papstes, der noch kürzlich gefordert habe, dass jede von der katholischen Kirche abhängende Person bei pädophilen Vergehen vor Gericht kommen sollte.
Auch Het Laatste Nieuws bringt das Thema auf seine Titelseite mit der Feststellung, dass der Monseigneur erneut schockiert hat. In dem entsprechenden Artikel zitiert die Zeitung einen Priester mit den Worten: erst wurde der Missbrauch durch Priester totgeschwiegen, und jetzt sollen jene, die ein gewisses Alter haben, in Ruhe gelassen werden.
Die Zeitung zitiert aber auch den Sprecher des Erzbischofs, der bemüht ist, den Ausspruch abzuschwächen. Natürlich, so betont er, will auch Léonard Gerechtigkeit und nichts totschweigen. Alles, was er sich wünscht, ist etwas Menschlichkeit gegenüber betagten Priestern.
Neue Unterkünfte für Asylbewerber
Ein weiteres Kommentarthema in verschiedenen Zeitungen ist die gestrige Entscheidung der geschäftsführenden Regierung Leterme, weitere 2000 Auffangplätze für Asylbewerber in vier Kasernen des Landes zu schaffen. Diese sollen, Het Laatste Nieuws zufolge, in erster Linie für jene dienen, die zurzeit in Hotels untergebracht sind.
Dabei handelt es sich um 1200 Antragsteller, deren Hotelrechnung sich insgesamt bisher auf 14 Millionen Euro beläuft. Nach Darstellung der Zeitung ist ein Ende nicht in Sicht, denn die Aussicht auf eine Gratisunterkunft in einem Hotel lockt die Menschen aus aller Herren Länder nach Belgien.
Obdachloser Asylant kassiert 500 Euro pro Tag
In diesem Zusammenhang berichtet La Derniere Heure von einem Asylbewerber, dem ein Richter, weil der Staat ihn einen Monat lang nicht unterbringen konnte, eine Summe von 15.500 Euro zuerkannte bekam: Das sind 500 Euro pro Tag. Der Richter begründete die Höhe der Summe damit, dass man den Staat nur so zwingen könne, sich um ausreichend Platz für Asylbewerber in unserem Land zu kümmern, bis über deren Antrag auf Bleiberecht entschieden wird.
Het Belang van Limburg hält das für maßlos übertrieben und glaubt zu wissen, dass viele besonders im Winter bei uns vorbeischauen, mal kurz kassieren und den Sommer dann wieder zuhause verbringen.
Es ist höchste Zeit, dass jene, die von unserem System profitieren, unverzüglich ausgewiesen werden. Auch wäre es wichtig, die Zahl der Asylbewerber zu reduzieren. Jene, die ein Bleiberecht erhalten, gilt es hingegen, korrekt aufzunehmen und zu begleiten, damit sie sich integrieren.
Belgien weniger großzügig
Vielleicht sind es die soeben beschriebenen Zustände, die zur Folge haben, dass die Großzügigkeit der Belgier, so berichten Le Soir und L'Avenir, rrückläufig ist. Eine entsprechende Untersuchung ergab, dass nur einer von fünf belgischen Haushalten Geld für Bedürftige gibt. Übrigens sind es die Reichen, die sich als die knausrigsten erweisen, denn die Untersuchung weist aus, dass von den 4500 Steuerzahlern, die über 250.000 Euro Jahreseinkommen deklarieren, kein einziger eine Spende angegeben hat.
Vande Lanotte scheint der richtige Mann zu sein
Kommen wir abschließend zur Politik, bzw. zur Vermittlermission von Johan Vande Lanotte im Rahmen der Regierungsbildung. La Libre Belgique zufolge kümmert er sich nicht nur um das Finanzierungsgesetz, sondern auch um die übrigen Hürden bei der Staatsreform und das Problem Brüssel-Halle-Vilvoorde. In seinem Fall sind auch die Frankophonen überzeugt, dass er einen ehrlichen und ausgeglichenen Kompromiss zum Ziel hat.
Im gleichen Zusammenhang notiert De Morgen, Vande Lanotte zwingt mit seiner Methode jede einzelne der sieben Verhandlungsparteien im Hinblick auf ein neues Finanzierungsgesetz Farbe zu bekennen. Die Verhandlungsmarge wird somit deutlicher, doch ob es endlich die erhoffte Lösung bringt, bleibt abzuwarten.
Bild:belga