"Haushalt – 45 Milliarden, das historische Defizit Belgiens", titelt Le Soir. "Wirtschaftsschock auffangen – Jetzt muss selektiver unterstützt werden", bringt das GrenzEcho ein Zitat des Gouverneurs der Nationalbank, Pierre Wunsch, auf seiner Titelseite. "Gouverneur der Nationalbank plädiert für CO2-Steuer", greift sich De Tijd ein anderes Element aus dem jüngsten Jahresbericht der Nationalbank heraus.
Bereits vor der Corona-Krise war die Nationalbank angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen beunruhigt, erinnert L'Echo in seinem Kommentar. Durch die Pandemie und den Lockdown ist das Defizit explodiert und die Staatsschuld hat einen Höchststand erreicht. Von den in den europäischen Verträgen festgelegten Vorgaben ist Belgien weit entfernt. Aber Nationalbank-Chef Pierre Wunsch hat Recht: Jetzt ist nicht die Zeit für eine erzwungene und schnelle Sanierung der Staatsfinanzen. Zuerst muss sichergestellt werden, dass die wirtschaftliche Wiederbelebung gelingt. Erst nach der Gesundheitskrise werden wir uns der Verschuldung zuwenden können, meint L'Echo.
Belgien am "Scheideweg"
Belgien hat die coronabedingte Wirtschaftskrise im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch relativ gut überstanden, greift Het Belang van Limburg einen anderen Befund der Nationalbank auf. Das sei dem schnellen und energischen Eingreifen der politisch Verantwortlichen und der Finanz- und Währungseinrichtungen zu verdanken. Auch wenn es hierbei durchaus auch einen Mangel an Koordination gegeben habe. Und auch wenn Wunsch eine rasche Wiederbelebung der Wirtschaft erwartet, wisse man eigentlich noch nicht genau, wie groß der Corona-Schaden ausfallen werde. Es sei eine delikate Aufgabe, ein gutes Gleichgewicht zwischen der Gesundheit der Betriebe und der Gesundheit der Staatsfinanzen zu finden. Und auch wenn der Nationalbankchef das nicht so explizit sagt: An der gewöhnlichen - sprich Nicht-Corona-Politik - muss ebenfalls dringend gearbeitet werden. Denn auch hier gibt es viele Baustellen, die die öffentlichen Finanzen belasten, betont Het Belang van Limburg.
Der Gouverneur der Nationalbank sieht Belgien aktuell am "Scheideweg", schreibt das GrenzEcho. Bislang hat die Politik großzügig den Geldhahn aufgesperrt. Doch jetzt, so fordert der Chef der Nationalbank, müsse selektiv unterstützt werden. Belgien hat, wie andere Länder auch, in der ersten Phase der Krise relativ wahllos versucht, zu retten, was zu retten war. Dass dabei auch viele Euros in bereits vor der Krise bestehende Löcher flossen, liegt auf der Hand. Dass es zu Ungerechtigkeiten gekommen ist, ebenso. Und der überwiegende Teil der über 20 Milliarden Hilfsgelder sind keine Investitionen in die Zukunft. Genau die wären aber notwendig, damit die Wirtschaft die leeren Staatskassen in Zukunft wieder füllen kann, warnt das GrenzEcho.
Strukturelles Rassismus-Problem und schmerzhafter Eindruck
De Morgen beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem Gerichtsprozess, der dem Vlaams Belang-Kammerabgeordneten Dries Van Langenhove und acht anderen Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Schield & Vrienden droht. Die Feststellung, dass die meisten von ihnen als Mitarbeiter oder Aktivisten für den Vlaams Belang aktiv sind, macht das Ganze auch politisch relevant. Es ist schon länger offensichtlich, dass der Vlaams Belang wieder versucht, mit den extremistischeren und oft rassistischen Strömungen am rechten Rand anzuknüpfen. Und das zieht sich durch bis zur Spitze. Nicht umsonst hat Parteivorsitzender Tom Van Grieken die gefährliche "Umvolkungs"-Verschwörungstheorie verteidigt. Und auch wenn die Partei die Ehrbezeugungen eines inzwischen rausgeworfenen Parteimitglieds für die SS als bedauerlichen Einzelfall herunterzuspielen versuchte: Die Untersuchung der Justiz legt nahe, dass Rassismus und Extremismus beim Vlaams Belang eben nicht nur Einzelfälle sind, sondern dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, hält De Morgen fest.
Het Laatste Nieuws nimmt den Ärger um die flämische OpenVLD-Parlamentsabgeordnete Sihame El Kaouakibi als Aufhänger für allgemeinere Kritik. Die "Beyoncé aus Boom", die Bilderstürmerin, die manchen an Michelle Obama erinnerte – jetzt steht Sihame El Kaouakibi vor allem für einen großen Scherbenhaufen. Und der Ärger um letztlich öffentlichen Gelder illustriert ein viel größeres Problem: Die Parteien haben zu viel Geld. Und das führt dazu, dass der politische Kampf konstant wütet. Und ein anderer schmerzhafter Eindruck wird hängenbleiben: dass Politiker Profiteure sind. Und die Affäre El Kaouakibi ist da auch nur der soundsovielte Tropfen auf den heißen Stein des schon arg besudelten öffentlichen Bildes der Politik, giftet Het Laatste Nieuws.
Eine politische Entscheidung
17.000 Obdachlose gibt es in Belgien, klagt derweil L'Avenir an und bezieht sich dabei auf einen Bericht des Roten Kreuzes, davon allein 4.000 in Brüssel. Diese Zahlen sind unglaublich und nicht hinnehmbar. Wie konnte es in einem so reichen Land wie Belgien so weit kommen? Wie konnte ein so reiches Land wie Belgien die Augen vor so viel Elend verschließen? Warum hat Belgien dieses Problem nicht zur Priorität gemacht? Denjenigen, die vor Ort helfen, dieses Leid zu mildern, gebührt unendlicher Respekt. Ein entsprechendes Engagement würde man sich auch von der Politik wünschen. Das Problem der Obdachlosigkeit zu lösen, wäre möglich. Ebenso, wie das Geld dafür in die Hand zu nehmen. Und das ist eine politische Entscheidung.
Boris Schmidt