Der steinige Weg zu einer neuen Regierung und die hiermit verbundenen Scharmützel zwischen einigen Spitzenpolitikern beherrschen weiterhin die belgische Inlandspresse.
König konsultiert Vize-Premiers
Das Wirtschaftsblatt De Tijd macht heute mit der Balkenüberschrift „König startet Parallelgespräche mit Vize-Premiers“ auf und meint, dass das Staatsoberhaupt besorgt ist, weil weiterhin eine nur die Amtsgeschäfte führende Regierung vorhanden sei.
Die Zeitung fragt sich, ob die bislang angewendete Formel nicht langsam an ihre Grenzen stößt. Um eine Antwort hierauf und die Frage "Ist eine Notregierung nötig?" zu finden, habe der König parallel zur Arbeit des Vermittlers Johan Vande Lanotte eine Gesprächsrunde mit den Vize-Premiers, allen voran MR-Parteichef und Finanzminister Reynders, begonnen.
Im Leitartikel meint die Zeitung, dass der König mit dem Feuer spiele und sich mehr denn je auf dünnem Eis bewege. Albert II erforsche die Grenzen seiner politischen Rolle als König der Belgier. Der Leitartikler meint: Wenn Albert (oder zukünftig Philippe) noch eine Rolle spielen wollen, ist dies nur möglich, wenn die Monarchie über der Parteipolitik steht.
Befugniserweiterung für scheidende Regierung?
Auch L'Echo hat das Thema auf der Titelseite und meint, dass die scheidende Regierung von Premier Leterme möglicherweise in den Genuss einer Befugniserweiterung kommen könnte, um den Handlungsspielraum einer nur geschäftsführend amtierenden Regierung auszudehnen. Es sei nämlich überdeutlich, so L'Echo, dass eine neue Regierung wohl noch lange auf sich warten lasse.
Im Leitartikel meint L'Echo, dass Bart De Wever, der angibt 80% der Flamen zu repräsentieren, mit dieser Aussage falsch liegt. Im Bezug auf seinen institutionellen Kompromiss und zur Frage einer Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde gebe es andersdenkende Flamen. Auch wenn die N-VA die größte Partei im Land bleibe, stellt der Leitartikler in L'Echo fest: Flandern ist nicht nur die N-VA.
PS will N-VA in Regierung
Doch, so meint De Standaard heute, wolle die PS auf französischsprachiger Seite die N-VA nicht links liegen lassen. Parteichef Di Rupo erkläre, dass eine Ausgrenzung der neuen flämischen Allianz nie zur Debatte gestanden habe. Selbstverständlich müsse die N-VA einer der Koalitionspartner in der nächsten Föderalregierung sein. In der vergangenen Woche, so notiert De Standaard, habe cdH-Parteichefin Joëlle Milquet allerdings noch für eine Notregierung plädiert, was nach einem Szenario ohne die N-VA ausgesehen habe.
Für Le Soir poltert Bart De Wever in diesen Tagen gegen all jene, die seinen Kompromissvorschlag zu Staatsreform und Finanzierungsgesetz, abgelehnt hatten. Da De Wever zunehmend isoliert sei, stelle er sich zunehmend aggressiver auf. Es habe den Anschein, so meint die Brüsseler Tageszeitung, als würden die flämischen Nationalisten nicht mehr an einen Kompromiss glauben und auch nicht glauben wollen, dass Regierungsszenarien ohne sie nicht doch zur Debatte standen.
Auch für Het Belang van Limburg nimmt die Isolation von Bart De Wever zu. Der N-VA-Parteichef finde nirgendwo Unterstützung für eine forcierte Spaltung des Wahlbezirks BHV. Gestern habe nämlich auch die CD&V angekündigt, den entsprechenden Dringlichkeitsantrag zur Spaltung von BHV übermorgen im Parlament nicht zu unterstützen. Vor der Entscheidung der flämischen Christdemokraten hatten dies bereits SP.A, Open VLD und Groen angekündigt.
Sinneswandel
Für La Libre Belgique bedeutet dies aber noch nicht, dass der Wind sich in Flandern dreht. Eine Schwalbe mache noch keinen Sommer, meint das Blatt und glaubt, dass auch wenn die flämischen Parteien vorsichtig etwas Abstand zur N-VA nehmen würden, dies noch nicht bedeute, dass die flämischen Nationalisten gemäßigter auftreten und sich wirklich einem Kompromiss verschreiben würden. Dennoch, so meint La Libre Belgique, gelte es festzuhalten, dass man einen bemerkenswerten Wandel in Sachen BHV miterlebe.
Het Nieuwsblad glaubt dennoch, dass von Versöhnung in der Rue de la Loi keine Rede sein könne. Bart De Wever hole erneut zum Schlag aus und werfe seinen Gegenspielern intellektuelle Unehrlichkeit vor. Das Vorgehen des N-VA-Parteichefs wirft derweil beim flämischen Christdemokraten Eric Van Rompuy Fragen zur Strategie Bart De Wevers auf. Het Nieuwsblad sprach für die heutige Ausgabe mit Van Rompuy, der im Interview mit der Zeitung erklärt, dass die N-VA mit niemandem gemeinsam überlege.
Els Clottemans vor Kassationsgericht - Asylsituation gerät außer Kontrolle
Het Laatste Nieuws bringt ein anderes Thema auf die Titelseite. Diese Zeitung macht mit der Entscheidung der wegen Mordes mit einem sabotierten Fallschirm verurteilten Els Clottemans auf, ihr Urteil vor dem Kassationsgericht anzufechten.
De Morgen titelt heute zu den zahllosen anhängigen Verfahren gegen Fedasil. Die Behörde ist nicht in der Lage Asylbewerber während der Bearbeitung ihrer Anträge unterzubringen und wird deshalb immer häufiger vor den Kadi zitiert.
Gazet Van Antwerpen schließlich informiert heute unter anderem über die Möglichkeit, Briefpost, die per Einschreiben zugestellt werden soll, in Kürze auch elektronisch verschicken zu können und das deutlich günstiger als in der Papierversion.
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