"Die SNCB schließt ihre Ticketschalter", titelt De Morgen. Einige Blätter sind präziser: "Die SNCB opfert 44 Schalter", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Nur einer von sechs Bahnhöfen behält einen Verkaufsschalter", schreibt L'Avenir auf Seite eins. Die Nationale Eisenbahngesellschaft SNCB hat einen doch drastischen Umstrukturierungsplan beschlossen. In vielen Bahnhöfen werden die Schalter dicht gemacht. Stattdessen sollen die Kunden ihre Tickets am Automaten ziehen; ohne eine Fahrkarte über ihr Smartphone ordern.
"Ungelesen in den Mülleimer"
"Darum verdienen sie Vorrang", so derweil die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Sie", damit sind die Jugendlichen gemeint. In einem offenen Brief plädieren bekannte flämische Persönlichkeiten dafür, dass Jugendliche früher geimpft werden sollen als bisher geplant. "Ein Plädoyer für die junge Generation", schreibt auch das GrenzEcho.
In Flandern hat Gesundheitsminister Wouter Beke der Forderung aber schon eine klare Absage erteilt... "Wouter Beke hat das Plädoyer für die junge Generation quasi ungelesen in den Mülleimer geworfen", kritisiert Het Nieuwsblad. Dabei könnte man doch auch mal nuanciert darüber nachdenken. Fakt ist, dass die Jugendlichen in dieser Krise, wenn überhaupt, dann gerade mal die dritte Geige spielen. Sie kommen nicht vor. "Wenn die jungen Leute geimpft sind, dann werden sie wilde Partys feiern", unken die Kritiker.
Ach so? Und, wenn die Über-65-Jährigen geimpft sind, werden die dann nicht verreisen? Jede Generation wird wohl dazu neigen, die Regeln in den Wind zu schießen, wenn sie einmal geschützt ist. Minister Beke sagt, dass erst die Risikogruppen an die Reihe kommen sollen. Der Punkt ist: Niemand hat etwas anderes gefordert! Indem er so tut, als habe man gefordert, den Jugendlichen absoluten Vorrang zu geben, schlägt er die Tür unbarmherzig zu. Dabei sollte er als Gesundheitsminister doch eigentlich für die Gesundheit aller zuständig sein.
Vorsicht vor einem Generationenkonflikt!
Dass die Diskussion überhaupt geführt wird, das ist aber schon mal ein gesellschaftlicher Gewinn, meint De Morgen. Jungen Menschen den Eindruck zu geben, dass sie in der Prioritätenliste nicht ganz unten stehen, das ist an sich eine sympathische Idee. Wobei: Es gibt auch Argumente, die gegen die Forderung sprechen, junge Menschen früher zu impfen als bislang angedacht.
Jugendliche haben das Glück, dass das Risiko bei ihnen wesentlich geringer ist, ernsthaft zu erkranken. Das Problem der Überbelastung der Krankenhäuser, das wird vor allem durch die älteren Bevölkerungsgruppen verursacht. Deswegen sollten Jugendliche tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass es sinnvoller ist, wenn sie ihren Großeltern und Eltern den Vorrang geben. Aber apropos: Statt "über" die Jugendlichen zu reden, sollte man besser mal "mit" ihnen reden.
Es gibt Argumente auf beiden Seiten, meint Het Belang van Limburg. Wir werden die Jugendlichen brauchen, um die Welt nach Corona wieder zum Laufen zu kriegen, sagen die einen. "Wir müssen der jungen Generation signalisieren, dass sie es wert sind, dass man in sie investiert". Auf der Seite ist es aber so: Wenn man Jugendliche früher impft und damit älteren Bevölkerungsgruppen vorzieht, dann heißt das im Umkehrschluss, dass die Corona-Beschränkungen länger in Kraft bleiben müssen. Denn die jungen Menschen sorgen in den Krankenhäusern eben für die geringsten Probleme. Es ist letztlich eine politische Entscheidung. Fast noch wichtiger als die eigentliche Entscheidung ist aber die Art und Weise, wie man sie kommuniziert. Wir müssen alle mitnehmen, ansonsten droht uns schlimmstenfalls ein Generationenkonflikt.
Akademische Freiheit ist kein Freibrief
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute wieder mit dem schwelenden Konflikt zwischen der Politik und den Gesundheitsexperten. Vor allem der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez hatte ja lauthals beklagt, dass einige Gesundheitsexperten keine Gelegenheit ausließen, um Angst zu schüren.
Het Laatste Nieuws kann die Kritik in Teilen nachvollziehen. Ja, es gibt zweifelsohne Gesundheitsexperten, die auch schon mal die Gelegenheit auslassen, einfach den Mund zu halten. Ja, es gibt Fachleute, die sich sehr häufig sehr weit auf das politische Terrain vorwagen. Einige von ihnen sind sogar in Diensten des Staates, werden von der öffentlichen Hand zumindest teilweise bezahlt.
Klar: Es gibt die akademische Freiheit. Nur ist das kein Freibrief, um jeden Tag wütend auf den Barrikaden zu stehen. Wenn der Unmut so groß ist, dann muss man als bezahlter Berater vielleicht auch mal seine Konsequenzen ziehen. Denn, eins muss man wissen: Selbst, wenn sich die Bezahlung für einige Gesundheitsexperten auf 50 Euro Sitzungsgeld beschränkt, uneigennützig handelt da niemand. Sie alle erhöhen mindestens ihr Prestige - und das ihrer Unis...
Gazet van Antwerpen mahnt ihrerseits zur Besonnenheit: "Macht Euch doch nicht gegenseitig das Leben so schwer", appelliert das Blatt. Georges-Louis Bouchez scheint noch nicht verstanden zu haben, dass die meist bescheidene Vergütung für Gesundheitsexperten kein Schweigegeld ist. Auf der anderen Seite muss man aber zugeben, dass die Gesundheitsexperten auch schon mal ein bisschen viel durcheinander reden. Aber, schaut man sich mal die Zahlen an, so sind die derzeit in Belgien doch immer noch vergleichsweise gut. Die Politiker und die Virologen haben eigentlich gemeinsam gute Arbeit geleistet. Kein Grund also, sich gegenseitig zu zerfleischen...
"Trostloses Birma"
Einige Zeitungen schließlich blicken ins Ausland, genauer gesagt nach Fernost. "Die Armee ergreift wieder die Macht in Myanmar", titelt De Tijd. "Ein Staatsstreich beendet die fragile Demokratie in Birma", schreibt L'Echo auf Seite eins. In Myanmar, früher Birma, hat die Armee die Zivilregierung abgesetzt. Die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde festgesetzt. "In Birma setzen die Militärs der demokratischen Episode ein Ende", schreibt La Libre Belgique. "Myanmar erweckt die Diktatur", notiert De Standaard. Le Soir bringt eine düstere Schlagzeile: "Die Rückkehr der dunklen Jahre".
"Trostloses Birma", meint traurig La Libre Belgique. Myanmar ist und bleibt neben Nordkorea der kranke Mann Asiens. Generationen von Generälen haben das Land zu Grunde gerichtet. Diplomaten nannten das Regime in Birma einmal "die dümmste Diktatur der Welt". Und Aung San Suu Kyi hat den Fehler gemacht, zu glauben, dass man eine Diktatur von innen reformieren kann. Zu allem Überfluss hat sie sich auch noch faktisch zur Komplizin gemacht.
Aung San Suu Kyi erinnert an eine tragische Figur aus der griechischen Mythologie, meint Le Soir. Sie, die Friedensnobelpreisträgerin, hatte die Gräueltaten der Armee bei der Vertreibung der muslimischen Minderheit nicht verurteilt, eher geduldet. Sie wollte wohl die Militärs nicht vor den Kopf stoßen. Die haben es ihr nicht gedankt und Aung San Suu Kyi nun doch abgesetzt. Jetzt hat sie alles verloren: ihre internationale Glaubwürdigkeit und die Demokratie in ihrem Land...
Roger Pint