"Heute wird Joe Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Amtseinführung Joe Bidens – Ohne Menschenmenge, unter höchsten Schutzvorkehrungen", lautet die Schlagzeile bei L'Avenir. "Festung Washington", so formuliert es das GrenzEcho.
Am heutigen Tag wird wenig wie gewöhnlich sein, wenn der 46. Präsident der Vereinigten Staaten seinen Amtseid ablegen wird, kommentiert Le Soir. Das Publikum wird abwesend sein. Der Amtsvorgänger wird abwesend sein. 25.000 Nationalgardisten werden patrouillieren, Straßen und Brücken werden gesperrt sein. Und für die Bewohner Washingtons gibt es nur eine Anweisung: Bleibt zu Hause. Der gesamte Kontext könnte kaum düsterer sein. Das zerrissene Land lebt in der Angst vor neuen Angriffen von Extremisten.
400.000 Amerikaner sind derweil am Coronavirus gestorben - bislang. Das ist die Atmosphäre, in der die Demokratie diesen symbolischen Tag erleben wird. Und es wird auch ein historischer Tag. Er verkörpert gleichzeitig die Fragilität der Freiheiten und den Willen und die Notwendigkeit, diese Freiheiten gegen alles und jeden zu verteidigen. Die Demokraten der Welt werden aufatmen, wenn der heutige Tag ohne Gewalt abgelaufen ist - und wenn sie die schädliche Präsenz Trumps an der Spitze der größten Macht des Planeten los sind.
Die größte Herausforderung seit der Weltwirtschaftskrise
De Morgen fasst in seinem Leitartikel die Trump-Präsidentschaft zusammen: Streit suchen mit den Verbündeten in NATO und in der UN. Dicke Freundschaften mit Despoten wie Wladimir Putin und Kim Jong-Un. Konfrontationskurs mit China. Einreiseverbot für Muslime. Klimaabkommen und Iran-Deal in die Luft jagen. Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Kinder ohne Papiere von ihren Eltern trennen. Die Verbündeten in Syrien im Stich lassen. Truppen aus Afghanistan abziehen, ohne dass es Frieden gäbe.
Aber dafür die Armee gegen Anti-Rassismus-Demonstranten einsetzen. Und gleichzeitig die bewaffneten weißen Rassisten loben. Zwei Amtsenthebungsverfahren, eines wegen Machtmissbrauchs, eines wegen Anstiftung zum Aufstand. Insgesamt mehr als 30.000 belegte Lügen und 400.000 Corona-Tote. Nein, die meisten Amerikaner und die Welt werden Trump nicht vermissen, wenn er das Weiße Haus heute durch die Hintertür verlässt.
Heute endet die Präsidentschaft Trumps, hält auch La Libre Belgique fest. Eine verkorkste Präsidentschaft, meint eine Mehrheit der Amerikaner. Die schlimmste Präsidentschaft in der Geschichte der Vereinigten Staaten, meinen sogar zahlreiche Experten. Eine Präsidentschaft, die endet, wie sie verlaufen ist: schäbig und flegelhaft. Trump weigert sich ja, der Vereidigung seines Nachfolgers beizuwohnen. Wie ein verzogenes Kind, das dickköpfig verlangt, dass man ihm das Spielzeug zurückgibt, das man ihm weggenommen hat.
Ein Mensch, der so hochmütig und von sich selbst eingenommen ist, dass er keine Niederlage akzeptieren kann. Das Ganze wäre eigentlich nur lächerlich und verachtenswert - ja, wenn Trump mit seinen Lügen nicht die Mehrheit seiner Anhänger mitgerissen hätte. Joe Biden sieht sich der größten Herausforderung seit dem Krieg gegenüber, sogar der größten seit der Weltwirtschaftskrise.
Auch die längste Reise beginnt mit einem kleinen Schritt
Die Vergangenheit wird heute nicht ausgelöscht werden können, erinnert L'Avenir. Biden wird Zeit und Geduld brauchen, um die Wunden zu heilen, die die Präsidentschaft Trumps ans Licht gebracht hat. Und der neue Präsident und seine Vizepräsidentin Kamala Harris werden Hartnäckigkeit brauchen, um den Kurs zu halten. Und viel Fingerspitzengefühl. Sonst könnte ihnen ein Schicksal wie einst Gorbatschow in der Sowjetunion drohen - im Ausland beliebter zu sein, als im eigenen Land. Aber heute am Tag der Amtseinführung muss man Optimismus an den Tag legen und sich daran erinnern, dass auch die längste Reise mit einem kleinen Schritt beginnt.
Gepanzerte Fahrzeuge in den Straßen, bis an die Zähne bewaffnete Soldaten, die eine Wiederholung der Szenen von der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger verhindern sollen. Eine Stadt im Belagerungszustand. Es ist bestürzend, dass die führende Demokratie der Welt eine Machtübergabe so schützen muss, zeigt sich Het Belang van Limburg entsetzt. Es ist die sichtbare Rechnung für vier Jahre Populismus und politische Aufstachelung.
Mit Biden kehrt die Normalität in das Weiße Haus zurück. Auch wenn noch viele Trump-Trümmer zu räumen sein werden. Die Amtseinführung ist lediglich der Beginn einer wahren Herkulesaufgabe. Und wir sollten uns davor hüten, das alles als rein amerikanisches Phänomen abzutun. Auch in unserem Land ist die Abkehr von der Demokratie bei vielen Menschen offensichtlich. Nur weil bei uns keine Parlamente gestürmt werden, heißt das nicht, dass wir nicht wachsam sein müssen.
"Nicht naiv sein"
Mit der Vereidigung Bidens wird die Seite Trump umgeblättert, meint De Tijd. Mit einer vollständigen Rückkehr zu einer Politik wie von vor 2016 wird man dennoch nicht sicher rechnen können. Manches hat sich einfach zu einschneidend verändert. Eine Rückkehr zum Klimaabkommen und in die Weltgesundheitsorganisation ist eine Sache. Ob die Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation wiederhergestellt wird, ist schon weniger sicher.
Und das Verhältnis zu Europa wird delikat bleiben. Militärisch sollen die Verbindungen über die NATO wieder gestärkt werden. Es steht zu erwarten, dass die Zukunft einen scharfen Konflikt mit Russland und China bringen wird. Und dafür ist eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben notwendig. Wird Europa da mitziehen? Der wichtigste Auftrag Bidens ist aber, das Vertrauen der Verbündeten in die Vereinigten Staaten wiederherzustellen. Das ist dramatisch gesunken.
Joe Biden ist mit ungesehenen Herausforderungen konfrontiert, analysiert auch L'Echo: Eine sehr schwierige wirtschaftliche Lage. Ein gesundheitlicher Notzustand, ein zutiefst gespaltenes Land. Und nach dem Angriff auf das Kapitol auch noch eine schwer angeschlagene Demokratie. Biden ist ein alter Hase in der Politikwelt, die Aufgabe, der er sich stellen muss, ist dennoch gewaltig. Es wäre riskant, Wunder zu erwarten. Zum einen sind die Wunden, die Trump geschlagen hat, tief und brauchen Zeit, um zu heilen. Zum anderen wird der Trumpismus nicht wie von Zauberhand verschwinden.
Wer weiß, ob nicht in vier Jahren wieder ein Extremist die Schlüssel zum Oval Office bekommen wird. Ja, der Abgang Trumps sorgt für Erleichterung. Aber Europa darf nicht naiv sein und passiv darauf warten, was Biden unternehmen wird. Europa muss mehr denn je seine eigene Agenda vorantreiben, seine Interessen verteidigen und seine unabhängige Strategie verstärken. Europa muss sein Schicksal in die Hand nehmen – ohne vom guten Willen Washingtons abhängig zu sein. Gegenüber der Biden-Administration ist Zusammenarbeit und Entgegenkommen angebracht. Aber auch Wachsamkeit und Standfestigkeit.
Boris Schmidt
Man muss Trump wirklich nicht nachtrauern, aber was soll dieses Zitat hier:
"... Insgesamt mehr als 30.000 belegte Lügen und 400.000 Corona-Tote. Nein, die meisten Amerikaner und die Welt werden Trump nicht vermissen..."
Wenn Biden oder jemand anderes im Jahr 2020 Präsident gewesen wäre, dann hätte es auch 400.000 tote US-Amerikaner wegen Corona gegeben.
Warum macht man von der Leyen nicht verantwortlich für fast 400.000 tote Europäer?
Wenn ab morgen weitere hunderttausend US-Amerikaner an COVID versterben, welcher Präsident ist das denn schuld? Trump oder Biden?
Herr Scholzen, die Todeszahlen wären mit Sicherheit nicht so hoch gewesen, denn jeder andere Präsident hätte die Pandemie schlichtweg ernst genommen.