"Angriff auf die amerikanische Demokratie", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Tag der Schande für die amerikanische Demokratie", titelt L'Echo. "Am Ende bis zum Staatsstreich", so die Überschrift beim GrenzEcho.
Am späten Abend unserer Zeit ist es in der amerikanischen Hauptstadt Washington nach einer Rede von Donald Trump zu schweren Ausschreitungen und der Erstürmung des Kapitols durch aufgepeitschte Trump-Anhänger gekommen. Die endgültige Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden musste unterbrochen und die Abgeordneten mussten von Sicherheitsbeamten mit gezogenen Waffen vor dem Mob geschützt werden.
Die Bilder aus Washington kann man als versuchten Putsch bezeichnen, kommentiert Le Soir. Etwas, was es in den Vereinigten Staaten noch nie gegeben hat. Und der Haupt-Anstifter war Donald Trump. Und so wird man ihn in Erinnerung behalten: als unwürdig und den Willen des Volkes ignorierend. Nachdem er keine Unterstützung für seine Überlegungen gefunden hatte, die Macht durch die Verhängung des Kriegsrechts an sich zu reißen, hat er gestern seine glühendsten Anhänger zum Kapitol geschickt. Die Live-Szenen von dort wären einer Bananenrepublik würdig gewesen. Das wird Spuren hinterlassen. Und die Republikaner haben alles verloren: die Präsidentschaft, den Senat, das Abgeordnetenhaus. Und jetzt auch noch ihre Ehre.
Die Mittäterschaft der Republikaner
Auch andere Leitartikler verwenden heute die Begriffe "Bananenrepublik" und "Staatsstreich". Unter anderem La Libre Belgique. Die Zeitung bezeichnet die Vorgänge auch als "finales Fiasko Donald Trumps". Man kann nur von Chaos, sogar einem Aufstand sprechen. Und während Trump sicher die Hauptschuld trägt, ist er nicht allein. Verantwortung für die Ereignisse tragen auch die republikanischen Eliten und die lokalen und nationalen Volksvertreter, die das wirre Gefasel Trumps toleriert haben; die bei der Anerkennung des klaren Siegs Bidens lange gezögert haben; die die Verschwörungstheorien noch befeuert haben. Das dramatische Ergebnis dieses Verhaltens haben wir jetzt gesehen.
Wäre Trump nur alleine oder nur von Personen seines inneren Machtkreises unterstützt, könnte man eines oder sogar beide Augen zudrücken, meint auch das GrenzEcho. Leider haben sich aber auch viele republikanische "Volksvertreter" in das schmutzige Geschäft der Unterminierung eines eindeutigen Wahlergebnisses hineinziehen lassen. Ob aus Angst vor den Wutausbrüchen Trumps oder aus Machtgier, ist im Grunde egal. Entscheidend ist, dass sie der Demokratie und ihrem Land damit einen Bärendienst erwiesen haben. Das Trauerspiel unterminiert das Vertrauen in die westliche Demokratie insgesamt.
Schlag für das westliche demokratische Modell
Das ist nicht nur ein dunkler Tag für die Vereinigten Staaten, konstatiert auch De Tijd. Die Erstürmung des Kapitols wird weltweit große Auswirkungen haben. Das westliche Modell einer auf demokratischen Prinzipien beruhenden Gesellschaft hat einen mehr als heftigen Schlag bekommen. Und die autoritären Führer Chinas und Russlands lachen sich ins Fäustchen.
Donald Trump hat den Weg freigemacht für einen amerikanischen Wladimir Putin, urteilt unbarmherzig Het Nieuwsblad. Brutal, autoritär und mit einer absoluten Verachtung für demokratische Werte. Trump hat sich auch gestern wieder als das erwiesen, was er ist: ein ultimativer Demagoge. Und während er seine Hände in Unschuld waschen wird, lässt er seine Anhänger die Drecksarbeit machen. So wie jeder Populist. Sollte es zu Todesopfern kommen, muss er wegen Aufwiegelung angeklagt werden. Er hat die USA an den Rand des Bürgerkriegs gebracht. Die Bilder aus Washington sind historisch. Und vor allem angsteinflößend. Dieser versuchte Staatstreich Trumps muss international verurteilt werden.
Praktisch war das schon Bürgerkrieg, findet L'Avenir. Wenn es wirklich noch nötig war, dann hat Trump damit bewiesen, wie unwürdig er seines Amtes ist. Der Geschäftsmann, der Pleiten aneinanderreihte, der sich weigert, seine Niederlage einzugestehen, er hat die Zwietracht bis in seinen eigenen Amtssitz gesät. Sein ganzes Verhalten ist eher ein Fall für die Psychiatrie als für die Politik. Sich so an die Macht zu klammern ist wirklich krankhaft. Und früher oder später wird er sich verantworten müssen für die bereits geschehenen und zukünftigen Entgleisungen seiner Anhänger.
Alle Brücken abgerissen
Die beschämende Trump-Ära ist gestern zu Chaos und Aufruhr verkommen, wettert De Standaard. Und damit steht definitiv fest, dass Trump bis ans Ende seiner Tage behaupten wird, die Präsidentschaftswahl gewonnen zu haben. Genauso wie seine von ihm aufgepeitschten Anhänger, die auf sein Zeichen hin das Parlament gestürmt haben. Nach diesem Spektakel ist eine Rückkehr Trumps in vier Jahren undenkbar. Er hat alle Brücken hinter sich abgerissen. Für den Rest der Welt ist es gut, dass bald jemand im Weißen Haus sitzen wird, der energisch einen neuen Kurs einschlagen kann.
Das größte Problem sind vielleicht nicht die Hitzköpfe, die das Kapitol gestürmt haben und die noch zu wer weiß was fähig sind, analysiert Gazet van Antwerpen. Es sind die vielen Millionen Amerikaner, die nach Umfragen ebenfalls glauben, dass die Wahlen gefälscht waren und dass Joe Biden nicht ihr legitimer Präsident ist. Wie soll eine Gesellschaft funktionieren, wenn eine so große Gruppe Bürger die traditionelle Politik mit ihren Kompromissen, ihrer Vielfalt und ihren Wahlen ablehnt? Das sind Herausforderungen, denen wir uns hier weniger stark stellen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns keine Sorgen darüber zu machen brauchen.
Boris Schmidt