Wie soll es jetzt weitergehen? Das ist die Frage, die heute mehrere Zeitungen zu beantworten versuchen, nachdem am Wochenende die frankophonen Parteien die De Wever-Vorschläge zur Staatsreform verworfen hatten. Inzwischen ist also der König wieder am Zug, der seit gestern die Präsidenten der sieben bisher verhandelnden Parteien empfängt, wobei viele sich die Frage stellen, ob er diesmal auch mit den Liberalen reden wird.
Der König konsultiert wieder - auch die Liberalen?
Glaubt man La Libre Belgique, so ist letzteres vorerst nicht vorgesehen. Zunächst will Albert II. noch testen, ob die bisherige Formel mit den sieben Parteien nicht doch noch Aussicht auf Erfolg hat. Um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, wird er vermutlich einen Vermittler - oder sogar zwei - benennen. Diesbezüglich sind sich die flämischen Parteien darüber einig, dass jetzt nur ein frankophoner Politiker in Frage kommt, um das politische Minenfeld zu entschärfen.
Im Gegensatz zu dieser Sicht der Dinge geht La Dernière Heure davon aus, dass der König die Liberalen zumindest anhören wird. Dafür gibt es nach Ansicht der Zeitung zwei gute Gründe. Zum einen wäre es wohl angebracht, eine neue Formel zu testen, nachdem die Verhandlungen zwischen den bisherigen sieben Parteien gescheitert sind. Zum anderen haben die Sozialisten erstmals angedeutet, dass sie nichts dagegen hätten, sollten die Liberalen hinzugezogen werden.
Le Soir zufolge hängt die Frage, ob mit oder ohne Liberale, weitgehend von dem Treffen ab, das die bisher verhandelnden frankophonen Parteien mit der liberalen MR von Didier Reynders anberaumt haben. Möglicherweise wird die MR danach bei den Regierungsgesprächen auch eine Rolle spielen. Die Frage ist allerdings, wie weit diese gehen wird. Wird die MR in die Regierung gelotst, oder soll sie lediglich zu den Verhandlungen über die Staatsreform hinzugezogen werden, um später deren Umsetzung im Parlament aus der Opposition heraus zu unterstützen?
Wankelmütige PS
Mehrere flämische Zeitungen wundern sich über das Verhalten der frankophonen Sozialisten. Dazu heißt es in Het Belang van Limburg, nachdem PS-Präsident Di Rupo das De Wever Konzept als total unmöglich abgeschossen hatte, kommt sein Parteifreund Paul Magnette und sagt, mit 90 % sei man einverstanden, lediglich die restlichen zehn Prozent, insbesondere das Finanzierungsgesetz, müssten neu verhandelt werden.
Eifersüchtiger Di Rupo?
Gazet van Antwerpen glaubt, für diese auf den ersten Blick unverständlichen Reaktionen der frankophonen Sozialisten eine Erklärung gefunden zu haben. Di Rupo war als Präformateur gescheitert und so ist seine krasse Ablehnung des De Wever-Papiers im Grunde ein Racheakt. Er wollte ganz einfach nicht, dass der N-VA-Chef erfolgreicher war als er selbst. Allerdings wollte die PS auch nicht für das Ende der Verhandlungen verantwortlich sein, weil dies schnurstracks zu Neuwahlen führen würde. Deshalb wurde gestern Magnette in die Arena geschickt, um den Wunsch seiner Partei, die Verhandlungen fortzusetzen, mit allem Nachdruck zu betonen.
Het Laatste Nieuws zufolge ist mehr als vier Monate nach den Wahlen eines klar: Die beiden Wahlsieger De Wever und Di Rupo müssen es richten. Man könnte allerdings in Erwägung ziehen, die Liberalen dazu zu nehmen, ausgehend von dem Prinzip, dass eine große Staatsreform möglichst durch alle gesellschaftlichen Kräfte des Landes getragen werden sollte.
Finanzierungsgesetz - Experten sollen Folgen kalkulieren
De Morgen zeigt Verständnis für die frankophone Befürchtung, dass die Wallonie und Brüssel durch eine Umsetzung der De Wever-Vorschläge schwere finanzielle Verluste hinnehmen müssten. Um in dieser Frage endlich Klarheit zu schaffen, schlägt die Zeitung vor, die finanziellen Folgen durch unparteiische Experten der Nationalbank, des Rechnungshofes und des wirtschaftlichen Planbüros berechnen zu lassen. Dann könnte man wenigstens in voller Kenntnis der Sachlage reden.
Thronwechsel dementiert - Diskussion um Rolle des Königs
Le Soir meldet heute auf seiner Titelseite das Dementi des königlichen Palastes als Reaktion auf die gestrige Meldung in der Zeitung Het Laatste Nieuws, Albert II. habe daran gedacht, gegen Ende dieses Jahres den Thron für seine ältesten Sohn Prinz Philipp frei zu machen. Im Kommentar der Zeitung heißt es dazu: Gäbe es den König nicht, wer würde denn jetzt die Fäden ziehen und die Rolle der Feuerwehr übernehmen?
Ganz anderer Meinung ist in dieser Hinsicht De Standaard, wo es heißt, zwischen den Parteien sei man sich zunehmend einig, den König aus künftigen Regierungsverhandlungen herauszuhalten. Schließlich könne er doch nur Entscheidungen treffen, die von den Hauptakteuren der Regierungsbildung auch getragen werden. In einer Demokratie wäre der Kammerpräsident die wohl am besten geeignete Person, um die Rolle des unparteiischen Regisseurs zu übernehmen, so schlussfolgert De Standaard.
Bild: belga