"Geschafft!", titelt La Libre Belgique. "Endlich Präsident", schreibt Het Laatste Nieuws. Für die Zeitungen kam die endgültige Entscheidung im Rennen um die US-Präsidentschaft zu spät. Erst am Samstagnachmittag hatten ja erste Medien gemeldet, dass Joe Biden uneinholbar in Führung liegt. "Er gewinnt mit den meisten Stimmen, die jemals ein Präsident auf sich vereinigen konnte", präzisiert Het Laatste Nieuws. "Es ist der Sieg des Volkes", zitiert Het Belang van Limburg denn auch den zukünftigen US-Präsidenten.
Trump schmollt und schmort im Weißen Haus
Amtsinhaber Donald Trump scheint sich indes im Weißen Haus einzumauern. "Trump gibt jetzt den Führer des Widerstands", so formuliert es De Standaard. Donald Trump will nach wie vor seine Niederlage nicht eingestehen. Stattdessen spricht er von großflächigem Wahlbetrug, dies allerdings ohne auch nur einen wirklichen Beweis vorzulegen.
"Er hat noch Zeit genug, um Katastrophen anzurichten", so die düstere Schlagzeile im Innenteil von Het Laatste Nieuws. Die beiden Lager stehen sich jedenfalls mehr denn je unversöhnlich gegenüber. Entsprechend enorm ist die Herausforderung für Joe Biden. "Biden gewinnt, aber das ist erst der Anfang", meint De Morgen. "Joe Biden wird Brücken bauen müssen", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
"Jetzt muss Amerika wiedervereint werden", titelt Le Soir. "Der Präsident, der Versöhnung bringen soll", schreibt De Standaard auf Seite eins. Biden hat jedenfalls bei seiner Dankesrede die richtigen Worte gewählt: Er hat dem republikanischen Lager die Hand gereicht. "Er will der Präsident aller Amerikaner sein", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Was für eine Erleichterung", meint Le Soir in seinem Leitartikel. "We can breathe!", "wir können atmen", das war das Gefühl, das viele Amerikaner seit Samstagnachmittag beseelt. Für sie ist es das unverhoffte Ende eines Albtraums. Und nicht nur diesen Amerikanern fällt ein Stein vom Herzen; die Erleichterung ist auch weltweit bei vielen Bürgern und politisch Verantwortlichen spürbar.
"I can't breathe", "ich kann nicht atmen", das galt nicht nur für George Floyd, das galt in gewisser Weise für uns alle. Die Amerikaner haben mit ihrer Wahl die Werte wieder in die richtige Richtung gestellt; für ihr Land, und auch für die Welt. Nun liegt es an Joe Biden, den Heilungsprozess anzustoßen. Wenn das auch leider fast eine mission impossible sein dürfte...
Biden muss nun das Land wieder einen
Mit Biden gibt es aber zumindest eine Aussicht auf Besserung, meint De Standaard. Er selbst legt die Latte für sich hoch. Er will dafür sorgen, dass die USA ihre Spaltung überwinden, der grimmigen Dämonisierung des jeweils anderen Lagers ein Ende bereiten. Ob die Amerikaner nach vier Jahren Demagogie und Populismus bereit dafür sind, das steht auf einem anderen Blatt.
Die fundamentalen Probleme in den USA - Ungleichheit, Rassenkonflikte, eine schwache Soziale Sicherheit - all das ist nicht im Handumdrehen zu lösen. Joe Biden weiß das nur zu gut. Doch, wenn jemand über die erforderlichen Qualitäten verfügt, um die Amerikaner wieder zu einen, dann ist er das.
L'Avenir sieht das ähnlich. Biden verfügt über Charaktereigenschaften, die ihm dabei helfen können, diesen Graben zwischen den Amerikanern wieder zu verkleinern. Doch kann er das nicht alleine schaffen. Die politische Klasse in ihrer Gesamtheit muss ihren Teil zu diesem Versöhnungsprozess beitragen. Gerade in den letzten vier Jahren sind die Spannungen ja nur noch größer geworden. Dafür trägt Donald Trump eine erdrückende Verantwortung. Und mit seinen haltlosen Betrugsvorwürfen schürt er noch weiter die Verbitterung bei seinen Anhängern.
"Trump war der schlechteste Präsident in der Geschichte der USA", so das unbarmherzige Urteil von La Libre Belgique. Und diese Einschätzung ist nicht ideologisch motiviert, man muss sich nur die Fakten anschauen. Trump hat unglaublich inkompetent und ignorant agiert, er hat einen geradezu unfassbaren Narzissmus an den Tag gelegt. Er hat von morgens bis abends gelogen und er hat sich durchgehend vulgär über politische Gegner ausgelassen, ja sogar über Freunde und Partner.
Sein politisches Programm beschränkte sich im Grunde darauf, alles abzubrechen, was der unglaublich populäre Barack Obama aufgebaut hatte. Die Trümmer, die Trump hinterlässt, die muss jetzt Joe Biden wegräumen, mit all der Demut, dem Humanismus, der Erfahrung, die Donald Trump so schmerzlich fehlten.
Trumps Verhalten ist ein Angriff auf die Demokratie
Und doch haben mehr als 70 Millionen Amerikaner für Donald Trump gestimmt, gibt das GrenzEcho zu bedenken. Damit haben sie gebilligt, was Trump in seiner Amtszeit getan und gesagt hat. Der klammert sich im Übrigen an die Macht - wie ein Autokrat, dem man sein Lieblingsspielzeug abgenommen hat.
Und das ist ein Angriff auf das Herz der Demokratie, meint Het Nieuwsblad. In der amerikanischen Politik gibt es schöne Rituale. Zum Beispiel nach einer Wahl. Der unterlegene Kandidat räumt seine Niederlage ein, und ruft bei der Gelegenheit zur Einheit auf. Bei der Eidesleistung des neuen Präsidenten ist der Vorgänger natürlich anwesend.
Das alles steht nirgendwo; es gibt da keine gesetzliche Verpflichtung. Und doch ist das von wesentlicher Bedeutung, wird hier doch die friedliche Machtübergabe zelebriert. Es sieht so aus, als wolle sich Donald Trump über diese Rituale hinwegsetzen. Damit beweist er aber nur, warum man ihm - völlig zurecht - das Etikett "gefährlich" verpasst hat.
Dabei rufen inzwischen selbst konservative Medien Donald Trump dazu auf, seine Niederlage einzugestehen, bemerkt De Morgen. Trump sei dabei, sein Erbe zu ruinieren, wenn seine letzte Amtshandlung die ist, sich im Weißen Haus einzumauern, so sinngemäß die Botschaft.
Solange Trump bei dieser Haltung bleibt und sich an unhaltbare Verschwörungstheorien klammert, bleibt ein großes Risiko. Nachdem Bidens Anhänger gefeiert haben, könnten bald Trumps radikalste Anhänger mit vollautomatischen Waffen auf die Straße gehen. Trumps Aufgabe wäre es eigentlich, die Enttäuschung und den Frust seiner Wähler zu kanalisieren.
Wenn Joe Biden am 20. Januar den Eid auf die Verfassung leistet, dann wird er auch der Präsident dieser Menschen. Es liegt aber an allen Amerikanern, jetzt aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören. Und in Europa könnten wir vielleicht auch mal damit anfangen...
RoP