"Eine Abstimmung ohne Ende", titelt Le Soir. "In grimmiger Atmosphäre Richtung Ziellinie", schreibt De Standaard. "Angst vor der Eskalation", fürchtet De Morgen. In den Zeitungen geht es – wie bereits seit drei Tagen – fast nur um die Präsidentschaftswahl in den USA. Dort werden immer noch die Stimmen gezählt. Weil das Rennen zwischen Amtsinhaber Donald Trump und Herausforderer Joe Biden so eng ist, lässt das Endergebnis noch auf sich warten.
Kratzer im Lack der USA
Aber je länger wir auf das Endergebnis warten, desto peinlicher ist all das für die USA, schreibt dazu Het Nieuwsblad. Donald Trump spielt mit dem Feuer. Er fordert in den Bundesstaaten, wo Joe Biden bei den Auszählungen gerade aufholt, die Zählungen zu stoppen. Das hat was von Monty Python, aber ist so überhaupt nicht lustig. Trumps aufgeheizte Anhänger protestieren schon reihenweise vor den Wahllokalen. Armes Amerika – denn die Welt schaut zu. Der Image-Schaden für die Vereinigten Staaten ist dabei unmessbar. Jemand wie Trump, der sich als brillanter Geschäftsmann sieht, sollte wissen, dass Imageschaden eine Katastrophe für jede Marke ist. Und die USA sind eine internationale Marke, meint Het Nieuwsblad.
Der Bruch, der durch die USA geht, wird mit der Wahl noch viel deutlicher, als er während des Wahlkampfes ohnehin schon war, notiert Le Soir. Sollte Joe Biden tatsächlich Präsident werden, wird er einiges leisten müssen, um ein Land zu einen, in dem die Hälfte der Menschen ihn nicht für den legitimen Wahlgewinner hält. Und Trump gewinnt auch wenn er verliert. 2016 konnte man noch sagen, dass die Stimmen für Trump Stimmen gegen Hillary Clinton und das Establishment waren. Das geht heute nicht mehr. Eine Stimme für Trump 2020 ist eine Stimme für ihn und seine Weltanschauung – und das könnte manchen Populisten in Europa inspirieren. Diese Botschaft muss nun bei allen echten Demokraten ankommen: Es reicht nicht, Populisten einfach als solche anzuprangern. Sie müssen inhaltlich bekämpft werden. Demokratische Politiker müssen eine echte Alternative bieten, ein wahres Gesellschaftskonzept. Nur auf die Angst vor den Extremen setzen reicht nicht mehr aus, ist sich Le Soir sicher.
Potential für Aussöhnung
Der nächste US-Präsident steht vor der mühsamen Aufgabe, das Land wieder zusammenzuführen, meint auch De Morgen. Trotzdem ist das nicht unmöglich. Obwohl sie in ihrer jüngsten Geschichte so tief gespalten sind wie nie zuvor, haben die beiden großen US-Parteien sich gegenseitig die Wähler abgenommen. Biden gewann Unterstützung von Ex-Republikanern, Trump von Ex-Demokraten. Die amerikanischen Wähler werden immer unbeständiger. Dies birgt zwar die Gefahr einer weiteren Fragmentierung und Polarisierung, aber auch Chancen für einen versöhnlicheren Präsidenten, wie es Joe Biden werden könnte, hofft De Morgen.
Donald Trump kann auch gefährlich sein, wenn er die Wahl verloren hat, mahnt hingegen De Standaard. Sollte Joe Biden die Wahl - wie es aktuell aussieht - gewinnen, wird Trump mit Sicherheit trotzdem alles tun, um seinem Nachfolger das Leben schwer zu machen. Ein verlierender Trump kann genauso gefährlich sein, wie ein gewinnender. Vielleicht sogar gefährlicher. Es gibt viele Wege, wie Trump auch von außerhalb des Weißen Hauses die US-Politik weiter beeinflussen kann. Er hat weiterhin viel Rückhalt und wird sich mit seinen Attacken wohl kaum zurückhalten. Nicht auszuschließen ist auch, dass Trump 2024 noch einmal antreten könnte. Die nächsten vier Jahre könnten dann schon wieder zum ständigen Wahlkampf werden, befürchtet De Standaard.
Aus europäischer Sicht wird, selbst wenn die Machtübergabe im Weißen Haus ohne größere Probleme über die Bühne gehen sollte, nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein, schreibt das Grenzecho. Trump hat gezeigt, wie die USA in weiten Teilen ticken. Viele der Wunden, in die er in seiner ungeschlachten Manier den Finger gelegt hat, sind real. Sie werden nicht mit Biden verschwinden. Wenn Europa endlich begreift, dass es in der transatlantischen Beziehung endlich erwachsen werden muss, war die Ära Trump aus transatlantischer Sicht nicht ganz umsonst, fordert das GrenzEcho.
Terrorismus kennt keine Grenzen
Als Ausnahme nimmt l’Avenir heute die Festnahmen von zwei Jugendlichen IS-Sympathisanten in der DG zum Anlass für einen Leitartikel zum Thema Terrorismus. Innerhalb weniger Wochen hat sich der Terror wieder in unser Bewusstsein geschlichen. Seit Ende September hat es eine Reihe extrem gewaltsamer Ereignisse gegeben. Zunächst der Angriff in Paris in der Nähe der Redaktion von Charlie Hebdo, dann die Enthauptung des Geschichtslehrers Samuel Paty, dann eine ähnliche Grausamkeit in einer Kirche in Nizza. Am Montag dann dieser Angriff mit schwerem Geschütz in Wien. Wenige Tage später erfahren wir nun, dass zwei Jugendliche bei Eupen festgenommen wurden, weil sie angeblich Angriffe auf Polizisten planten. Das zeigt auch den Zynismus des Terrorismus: Er kann überall zuschlagen, auch dort, wo wir es nicht erwarten. Es kann in Eupen oder in Kabul passieren. Die Feigheit der Terroristen kennt keine Grenzen, meint L’Avenir.
Peter Eßer