"Drei Tage länger Herbstferien", schreibt Het Nieuwsblad. "Flandern verlängert Herbstferien unter Druck von Schulen und Virologen", titelt De Standaard. "Fernunterricht ab Mittwoch", steht auf Seite eins von L'Avenir. Neue Einschränkungen für den Bildungsbereich in Belgien wegen der Corona-Pandemie bestimmen heute die Titelseiten der Zeitungen. Auch vielen Leitartiklern dient dies als Aufhänger.
De Standaard hält die Maßnahmen für unvermeidbar. Mit dieser breiten Verbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung kann es nicht ausbleiben, dass eine Art Domino-Effekt von Ansteckungen auch in den Schulen zuschlägt. Schon gestern waren 21 Schulen in Flandern komplett geschlossen und 35 teilweise.
Angesichts von insgesamt 4.000 Einrichtungen erscheint das wenig, aber wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl bald exponentiell steigt. Die Verlängerung der Herbstferien ist da auch eine angemessene Maßnahme. Die Idee dahinter ist, dass alle Quarantäne-Zeiten von Schülern und Lehrern dann abgesessen sind und dann quasi der Resetknopf gedrückt wird.
Aber lasst uns aus dieser Pause keine falschen Schlüsse ziehen. Der wissenschaftliche Konsens zeigt, dass Schulen kein Motor der Epidemie sind. Das Schließen von Schulen muss das allerletzte Mittel bleiben, um das Virus einzudämmen, mahnt De Standaard.
Lockdown unvermeidbar
Wenn man das Risiko eingeht, Schulen und Arbeitsplätze offen zu halten, dann muss man den Rest radikal und konsequent schließen, meint hingegen De Morgen. Doch das ist nicht geschehen. Und das Ergebnis sieht man jeden Tag auf den Straßen. Zu viele Menschen, zu viel "Leben mit dem Virus", ganz im Geiste des dramatisch-leichtsinnigen Sicherheitsrates vom 23. September.
Brüssel und die Wallonie werden zurecht dafür kritisiert, zu spät und zu leichtfertig eingegriffen zu haben. Aber es ist ebenso frustrierend, dass die flämische Regierung gerade ihren Vorsprung verspielt. Bezeichnenderweise hat Flandern nun die gleiche Entscheidung getroffen wie die Wallonie und die Herbstferien verlängert.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Strategien gerade landesweit scheitern. Es macht jetzt keinen Sinn mehr, darüber zu diskutieren, ob strengere Maßnahmen wünschenswert sind oder nicht. Jeder neue Tag mit neuen dramatischen Zahlen macht einen Lockdown noch unvermeidbarer. Dann schauen Sie dem Biest am besten gleich ins Auge, findet De Morgen.
Chaos oder nötige Flexibilität?
La Libre Belgique kritisiert das Chaos der verschiedenen Maßnahmen in den Landesteilen. Seit Freitag haben wir einen Wasserfall an Entscheidungen gesehen, die sich bestenfalls ergänzen, aber oft widersprechen. Natürlich ist die epidemiologische Situation in Brüssel nicht dieselbe wie in Arlon. Aber überall verschlechtern sich die Zahlen. Und bei den Maßnahmen gibt es im winzigen Belgien riesige Unterschiede.
Im März hatten die föderalen Behörden die Sache in die Hand genommen: Sie verhängten einen generellen Lockdown und nahmen diesen Schritt für Schritt wieder zurück. Heute gelten überall unterschiedliche Vorgaben. Dabei ist es nicht der Föderalismus an sich, der Chaos stiftet, sondern das, was wir aus ihm machen, schreibt La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws hingegen fordert explizit, dass Flandern eigene Akzente setzt. Wie Deutschland ist Belgien ein Föderalstaat, in dem die Landesteile im Rahmen ihrer Zuständigkeiten unterschiedliche Entscheidungen treffen können. Flanderns Bildungsminister Ben Weyts verdient daher Bewunderung für seinen erbitterten Kampf um die Offenhaltung der Schulen. Tatsächlich steht Weyts damit nicht alleine. Auch Schulräte, Lehrer und Gewerkschaften unterstützen diese Linie, notiert Het Laatste Nieuws.
Unterstützt den Gesundheitssektor!
Le Soir legt den Fokus auf die Lage in den Krankenhäusern. Wenn wir nicht wollen, dass die Lage völlig aus dem Ruder gerät, müssen alle Beteiligen die Regeln des Lockdowns, der so nicht genannt wird, befolgen. Es geht darum, solidarisch zu sein, wie es Premierminister Alexander De Croo gesagt hat. Der Regierungschef lag allerdings falsch, als er hinzufügte, dass Regeln und Gesetze das Virus nicht besiegen können.
Kurzfristig bewirken die verhängten Maßnahmen, dass sich alle dem gemeinsamen Ziel verschreiben müssen. Allerdings ist es natürlich auch unmöglich, die Bürger immer wieder zu zwingen, ihr soziales Leben quasi einzustellen. Denn dann riskieren wir einen emotionalen und wirtschaftlichen Zusammenbruch, warnt Le Soir.
La Dernière Heure beklagt, dass sich im Gesundheitssystem seit dem Frühjahr nichts getan hat. Viele Berufsstände haben große Probleme und fordern zurecht Hilfen und Mittel, um zu überleben. Aber was ist mit diesen inbrünstigen Versprechen passiert, den Gesundheitssektor aufzuwerten? Wie ein leeres Wahlkampf-Versprechen eines Politikers ist nichts daraus geworden: keine Investitionen, keine Unterstützung, keine Maßnahmen, um diesen Helfern an vorderster Front unter die Arme zu greifen.
Millionen öffentlicher Mittel werden für alle möglichen Sektoren mobilisiert, aber Pfleger und Ärzte riskieren weiterhin einen körperlichen und mentalen Zusammenbruch. Ihnen stehen lange und harte Wochen bevor. Unterstützt sie, helft ihnen, finanziert sie! Von den Balkonen herab zu applaudieren, ist dabei gar nicht nötig, fordert La Denière Heure.
Peter Eßer