"Dann doch wieder strenger", titelt De Morgen. "Die Regierung De Croo beschließt gleich eine nationale Verschärfung der Maßnahmen ", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Kräftige Offensive gegen den Aufmarsch des Corona-Virus", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Die Regierungen des Landes haben gestern im Rahmen eines sogenannten Konzertierungsausschusses eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschlossen. Sie reagieren damit auf die jüngste Entwicklung der Corona-Zahlen, die allgemein als "besorgniserregend" bezeichnet wird.
Le Soir fasst die neuen Regeln in einer Schlagzeile zusammen: "Die Viererregel", schreibt das Blatt: Die Kontaktblase liegt jetzt bei vier, der Betreffende inbegriffen. Also man darf mit drei Menschen engeren Kontakt haben. Im Café dürfen maximal vier Menschen am Tisch sitzen. Zuhause darf man höchstens vier Personen einladen und im Öffentlichen Raum dürfen unorganisierte Menschenansammlungen nicht größer sein als vier Personen. Das GrenzEcho fügt noch eine Maßnahme hinzu: "Kneipen müssen um 23 Uhr schließen".
"Das ist bedauerlich, aber nötig", zitiert Het Belang van Limburg den neuen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. "Belgien zieht die Schrauben an, um das Schlimmste zu verhindern, schreibt La Dernière Heure. De Tijd und L'Avenir nennen das Kind beim Namen: "Strengere Regeln, um einen totalen Lockdown zu vermeiden".
De Croo, Vandenbroucke und das KISS-Prinzip
Einige Zeitungen konzentrieren sich auf die Pressekonferenz an sich. Het Laatste Nieuws hat "neue Verantwortliche mit einem neuen Stil" gesehen. Het Nieuwsblad wird deutlicher: "Selbst die Experten waren zufrieden", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Die meisten Leitartikler schließen sich dieser Einschätzung an. "Der frischgebackene Premierminister Alexander De Croo und neue Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke haben ihren Start als Krisenmanager nicht vergeigt", stellt etwa Het Nieuwsblad fest. Die gestrige Pressekonferenz war klarer, treffender im Ton, mit mehr Autorität. Jetzt wissen wir auch, warum wir endlich eine vollwertige und handlungsfähige Regierung brauchten. Dafür! Was wir gestern gesehen haben, das war ein klarer Bruch mit der Vergangenheit.
Die Botschaft war klar und deutlich: "Ja, es geht in die falsche Richtung; nein, niemand ist glücklich mit einer neuen Verschärfung der Maßnahmen; aber: Es muss sein". Das steht in schrillem Kontrast zur verworrenen Kommunikation der Vorgänger mit zum Teil widersprüchlichen Botschaften. Eine Regierung, die weiß was sie tut, das ist vielleicht nicht die Lösung auf alle Probleme, aber es ist ein guter Anfang.
Die neue Regierung scheint das sogenannte KISS-Prinzip angewandt zu haben, analysiert Het Laatste Nieuws. KISS, diese Parole wurde von der US-Armee ausgegeben und steht im Englischen für "Keep it simple, stupid"; also: "Mach’s so einfach wie möglich, Dummkopf". Die Botschaft, die De Croo und Vandenbroucke zu verkünden hatten, war keine angenehme, und doch fühlte es sich an, als hätte einer das Fenster aufgemacht. Wir haben alles gesehen, was man von einer guten Krisenkommunikation erwarten darf.
Klare Kommunikation eines Kapitäns
Man möchte fast schon erleichtert aufatmen, meint auch Gazet van Antwerpen. De Croo und Vandenbroucke haben einen guten Job gemacht. Bei aller Sympathie für Sophie Wilmès: Sie hat nicht immer den richtigen Ton getroffen. Angesichts des gelungenen Starts dieser Regierung könnte man fast vergessen, dass dafür ja noch nicht das Problem gelöst ist: der besorgniserregende Anstieg der Corona-Zahlen.
Als Symbol für diese zielgerichtete Kommunikation steht das "Zeichen der Vier", meint De Tijd. Der Titel dieses Sherlock-Holmes-Romans von Sir Arthur Conan Doyle ist die perfekte Zusammenfassung der gestrigen Botschaft. Ab jetzt gilt allein die Vierer-Regel. Punkt. Was für ein Kontrast mit den verklausulierten Powerpoint-Slides von Sophie Wilmès, mit der wirren, volatilen, unklaren Kommunikation der Vorgängerequipe.
Und es gibt jetzt auch einen richtigen Kapitän an Bord, fügt L'Echo hinzu: Frank Vandenbroucke, neuer Gesundheitsminister, aber alter Hase. Zudem hat die Regierung ja auch gleich einen Corona-Kommissar ernannt. Um diese Krise zu meistern, bedarf es zu aller erst kohärenter und gut kommunizierter Entscheidungen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist also gesetzt. Wohlwissend, dass wir alle es letztlich in der Hand haben.
"Man bekommt nur einmal die Möglichkeit, einen ersten Eindruck zu hinterlassen", bemerkt Het Belang van Limburg. Und man kann den ersten Auftritt der De Croo-Equipe als gelungen bezeichnen. Man scheint jedenfalls die Kritik an Sophie Wilmès beherzigt zu haben. Die Botschaft von De Croo und Vandenbroucke, die war jedenfalls klar und unmissverständlich. Ob die Menschen sich dafür jetzt auch an die Regeln halten werden, das steht auf einem anderen Blatt.
... aber werden die Bürger die Regeln befolgen?
"Was werden wir diesmal brauchen, um uns zu disziplinieren?", fragt sich besorgt Le Soir. Bei der ersten Welle waren es die schrecklichen Bilder aus Italien, die überquellenden Notaufnahmen, die gestapelten Särge. Man sollte jedenfalls nicht die zuständigen Politiker für die neuen Maßnahmen verantwortlich machen bzw. kritisieren. Was wäre uns denn lieber? Etwa ein spinnerter Politiker, der nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus den Menschen empfiehlt, keine Angst zu haben und eins trinken zu gehen?
L'Avenir ist aber auch eher skeptisch. De Croo und Vandenbroucke mögen den richtigen Ton getroffen haben; sie haben sich teilweise ja auch in einem sehr direkten Stil an die Menschen gewandt. Doch ob das reicht, den Bürgersinn wiederzubeleben, das sei dahingestellt. Die jüngste Vergangenheit scheint darauf hinzudeuten, dass man zu viele Menschen nicht erreichen wird. Es steht zu befürchten, dass mehr nötig sein wird als eine - zugegeben - gut gemachte Pressekonferenz.
"Mag ja alles sein", meint De Morgen. Aber diese Regierung macht wenigstens Nägel mit Köpfen und redet nicht um den heißen Brei herum. Viel zu lange haben die Regierungen im Übrigen in ganz Europa gezögert, weil sie ihren Bürgern keine neuen Beschränkungen zumuten wollten. Genau damit haben sie leider dafür gesorgt, dass jetzt die Maßnahmen umso schärfer ausfallen müssen. Diese Regierung sagt jetzt ganz klar: "Wenn wir die Schulen und Unternehmen offenhalten wollen, dann gibt es nur diesen einen Weg: neue Verschärfungen". Hoffentlich ist es noch nicht zu spät...
Roger Pint