"Affäre Chovanec: Jambon und Polizeichef sehen sich schlecht informiert", schreibt L’Echo. "Jambon wirft Justiz und Polizei den Ball zu", heißt es bei Het Nieuwsblad. "Gericht fand es nicht nötig, Hitlergruß zu melden", weiß De Standaard.
Die Affäre um den Tod des Slowaken Chovanec 2018 in einer Polizeizelle ist noch nicht ausgestanden. Gestern mussten sich Jan Jambon, als damaliger Innenminister, und die Polizeispitze in der Kammer rechtfertigen.
Haupterkenntnis: Jambon bekam einen Polizeibericht, der war aber so knapp verfasst, dass Jambon das Ausmaß nicht erkennen konnte und deshalb auch nichts unternommen hat. Politisch scheint er damit wegzukommen, schreibt Het Nieuwsblad.
Mehr Skandal als Affäre
Het Laatste Nieuws allerdings macht heute auf Seite eins auf mit der Schlagzeile: "Es gab einen detaillierten Polizeibericht mit Bildern." Der wurde etwa eine Stunde nach dem ersten Bericht verfasst. Darin steht auch, dass die Polizeibeamten minutenlang auf Jozef Chovanec gesessen hatten. Und darin steht, dass es Kamera-Aufzeichnungen gab. Die hat die Staatsanwaltschaft noch am gleichen Tag beschlagnahmt.
Auch De Morgen fasst zusammen: "Staatsanwaltschaft wusste alles, und tat nichts."
Für De Standaard ist die Affäre Chovanec inzwischen zu einem Skandal herangewachsen. Die Liste der Pannen, die ans Licht kommen, wird immer länger. Die präzisen Rekonstruktionen der Fakten zeigen, dass wirklich auf allen Niveaus die Sachen schiefgelaufen sind.
Bei alldem entsteht das Bild eines miserabel funktionierenden Rechtsstaats, in dem der Rechtsuchende als ein lästiges Element betrachtet wird, das alle Versuche behindert, die Dinge unter den Teppich zu kehren. Es ist ein Bild, das es nach allen Justizskandalen in unserem Land nicht mehr geben dürfte.
Opfer stoßen auf eine Mauer der Gleichgültigkeit, der Bürokratie und des Unwillens. In diesem Fall hier gibt es darüber hinaus auch Hinweise darauf, dass sich gerichtliche Instanzen, Ordnungsdienste und Regierung das Leben gegenseitig nicht schwer machen wollten.
Wie die drei Affen
Le Soir sieht sich an die drei Affen erinnert: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Wer von den Dreien, die sich gestern vor der Kammer verantworten mussten, welcher Affe ist, wollen wir jetzt nicht bestimmen. Sicher ist nur, dass keiner von ihnen etwas über den Tod von Jozef Chovanec in einer Polizeizelle gewusst, gesehen oder gehört hatte.
Seit der Veröffentlichung des berühmten Videos, das nur herauskam, weil eine Witwe verhindern wollte, dass Belgien ihren Mann zum zweiten Mal erstickt, häufen sich die Berichte und Zeugenaussagen. Aber nichts von dem kann klar und deutlich die Schuldigen bestimmen. Das ist unglaublich. Das inzwischen bestgehütete Geheimnis des Königreichs ist eine Schande. Schlimmer noch, es lässt an der Qualität unseres Rechtsstaats zweifeln.
Het Nieuwsblad kommentiert: Je mehr wir über den Tod von Jozef Chovanec wissen, umso mehr Fragen tauchen auf. Und diese Fragen werden immer schmerzhafter, immer fundamentaler, immer beunruhigender. Es passiert nicht oft, dass ein Bürger in einer Polizeizelle stirbt. Glücklicherweise. Wenn es aber doch passiert, dann erwartet man, dass das gründlich untersucht wird.
Der Macht der Polizei steht auch Verantwortung gegenüber. Und die Pflicht des Staates, darüber zu wachen. Für die Witwe bleibt nur die schmerzhafte Feststellung, dass ihr Mann in einer belgischen Polizeizelle gestorben ist und dass noch immer niemand aufgestanden ist und zumindest einen Funken Verantwortung dafür übernimmt. Hätte sie nicht selbst die Bilder an die Öffentlichkeit gebracht, dann hätte dieses Land schon lange vergessen, was da passiert ist.
Charlie Hebdo-Prozess unverzichtbar
La Libre Belgique beschäftigt sich mit dem heute beginnenden Charlie Hebdo-Prozess in Paris. Das Attentat im Januar 2015 auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift war der Auftakt einer ganzen Reihe islamistischer Attentate.
Die Zeitung schreibt dazu: Im Januar 2015 war ein Teil des Planeten Charlie geworden. Überall schallte es: Nie wieder so etwas! Doch weitere blutige Attentate sollten folgen: Die Anschläge von Paris im November 2015, die von Brüssel im März 2016 und die von Nizza im Juli 2016.
Heute bleibt nur die bittere Feststellung: Im Namen Allahs werden immer noch Verbrechen begangen, im Namen eines Gottes, dessen Botschaft die Extremisten verdrehen. Der Islam wird von ihnen uminterpretiert und dient als Motor ihres Wahnsinns.
Für die Zukunft sollte dieser Prozess zeigen, dass, egal wie gewalttätig diese Attentate waren, die Demokratie stärker ist, als alles andere. Die Terroristen wollten eine aufgeklärte Welt wieder in die Finsternis stürzen. Die Freiheit der Gedanken des Handelns der Presse muss immer stärker sein als ihr tödlicher Wahn. Die Gefahr ist da. Wir müssen wachsam sein. Das ist der Grund, warum dieser Prozess unverzichtbar ist.
Volker Krings