Ein breiter Themenfächer kennzeichnet heute die Titelseiten der Inlandspresse. Dieser reicht vom weiteren Schicksal des Opelwerks Antwerpen über den ausgesetzten Säugling von Gent bis zum oftmals strafbaren Verhalten der Belgier beim Autofahren. Nicht zu vergessen die anstehenden Streiks bei der Eisenbahn und im Lütticher Stahlbecken.
Der König konsultierte - Wer wird "Reanimator"?
Die meisten Kommentare gelten jedoch nach wie vor der festgefahrenen Situation bei den Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung. Nachdem der König zwei Tage lang führende Politiker konsultierte, sind nun alle Augen auf den Palast gerichtet. Es fehlt sicherlich nicht an Prognosen, wie es nun weitergehen könnte, doch inhaltlich weisen diese große Unterschiede auf.
So ist zum Beispiel Het Laatste Nieuws überzeugt, dass der König bereits heute eine Initiative ergreifen wird, andere Zeitungen sind sich da nicht so sicher. Im Kommentar von Het Laatste Nieuws heißt es unter anderem, wenn Albert II. testen will, ob die gescheiterte Formel mit den sieben Parteien reanimiert werden kann, genügt es nicht mehr, einen Vermittler zu benennen. Da bedarf es schon eher eines Wiederbelebungsversuches, und dafür kommt logischerweise nur Bart De Wever in Frage. Er hat A gesagt, indem er die bisherigen Verhandlungen beendete, jetzt muss er auch B sagen. Ob er es will oder nicht, seine Zeit ist gekommen, jetzt muss er sich der Verantwortung stellen. Alles andere ist Zeitverlust.
De Wever, Di Rupo …
Het Belang van Limburg sieht das etwas anders, wenn die Zeitung schreibt, De Wever will unbedingt die Liberalen am Verhandlungstisch dabei haben, was die frankophonen Sozialisten und in ihrem Gefolge die cdH und Ecolo strikt ablehnen. Das ist auch der Grund, weshalb der König die Liberalen bisher links liegen ließ. Deshalb kann er jetzt auch nicht De Wever mit einem Vermittlungsauftrag betrauen. Logischer wäre es da schon, Elio Di Rupo direkt zum Regierungsbildner zu machen. Schließlich behaupten die Frankophonen, dass man, bevor De Wever den Stecker rauszog, ganz knapp vor einer Einigung stand. Wenn dem tatsächlich so ist, müsste es für Di Rupo nicht schwer sein, das jetzt zu beweisen.
La Libre Belgique wiederum spricht von einer totalen Sackgasse bei den Verhandlungen, in deren Mitte sich zurzeit der König befindet. Aufgrund der Tatsache, dass De Wever unbedingt die Liberalen dabei haben möchte, während die bisherigen frankophonen Verhandlungspartner dies ablehnen, ist der König, La Libre Belgique zufolge, zurzeit derart ratlos, das er eine weitere Konsultationsrunde einlegen könnte.
…oder kommt Vande Lanotte?
Le Soir hingegen ist sich sicher, dass das Staatsoberhaupt beabsichtigt, den früheren Vorsitzenden der flämischen Sozialisten und Ex-Haushaltsminister Johan Vande Lanotte mit einem Vermittlungsauftrag in die politische Arena zu schicken und die Liberalen weiterhin außen vor zu lassen. Sechs der bisherigen Verhandlungsparteien haben dazu bereits ihre Zustimmung gegeben, lediglich De Wever zögert angeblich noch. Sollte Vande Lanotte den Auftrag annehmen, was anderen Zeitungen zufolge noch nicht sicher ist, wird man also die bisherige Koalitionsformel nochmals versuchen, was für Le Soir auch die richtige Entscheidung wäre. Jetzt noch die Liberalen hinzuziehen, würde einen zu großen Zeitverlust bedeuten, und den kann sich das Land nun wirklich nicht leisten.
Asylpolitik: Belgien Sozialamt der Welt?
Gazet van Antwerpen stellt die belgische Asylpolitk als eine Katastrophe an den Pranger. So wie es aussieht, wird die geschäftsführende Regierung bis Jahresende noch bis zu 25.000 neue Asylbewerber unterbringen müssen. Zurückzuführen ist dies auf die Großzügigkeit unserer Asylbestimmungen, denen zufolge ein Zuwanderer, der nach Belgien kommt, fast 100 % Chancen hat, auch hierbleiben zu können. Mit der Regularisierungswut der frankophonen Parteien droht unser Land zum öffentlichen Sozialhilfezentrum der Welt zu werden, so urteilt Gazet van Antwerpen.
Ausgesetzter Säugling: Mitgefühl auch für die Mutter
Het Nieuwsblad kommentiert das Drama einer Mutter in der Nähe von Gent, die ihr neugeborenes Baby aussetzte, weil sie sich nicht in der Lage sah, für das Kind zu sorgen. Das ist zwar strafbar, doch hat eine solche Frau im Gefängnis nichts zu suchen, zumal sie bereits zwei Kinder hat. Was sie vielmehr braucht, ist Hilfe für ihre psychischen und finanziellen Probleme. Und schließlich hat Gerechtigkeit auch etwas mit Mitgefühl zu tun.
"Wohnung" Auto - verbotene Ablenkungen
Werfen wir abschließend noch einen Blick auf La Dernière Heure, die heute zu berichten weiß, dass zahllose belgische Autofahrer am Steuer alles andere machen, als sich auf Verkehr zu konzentrieren. Da wird telefoniert, gegessen, getrunken, sich rasiert, sich geschminkt und was es sonst noch alles gibt. Die Zeitung erinnert daran, dass all dies verboten ist, - und dass immerhin fünf Prozent der Verkehrsunfälle darauf zurückzuführen sind.
Bild:belga