"Einige Länder kehren zum Lockdown zurück; Belgien ist auf der Hut", titelt Le Soir. "Auslandsreisen: Keine Panik, aber...", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. Einige Länder haben regional wieder Ausgangsbeschränkungen erlassen müssen. Das gilt zum Beispiel für Spanien, genauer gesagt Teile der Regionen Katalonien und Galizien. Die belgischen Behörden haben reagiert und die Reiseempfehlungen für Spanien angepasst: "Code Orange", schreibt etwa La Libre Belgique. Belgische Urlauber, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben, werden dringend angehalten, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, bzw. sich testen zu lassen. Das ist aber nur eine Empfehlung, keine Pflicht.
Einige Zeitungen machen aber keinen Hehl daraus, dass ihnen das nicht reicht: "Das Virus ist nicht weg, aber Urlauber sind nicht verpflichtet, sich testen zu lassen", so etwa die anklagende Schlagzeile von De Standaard.
Auch Virologen plädieren für ein entschlosseneres Vorgehen. Der Appell steht zum Beispiel auf Seite eins von Gazet van Antwerpen: "Lasst Reisende aus Risikogebieten in Quarantäne gehen". Einige Schlagzeilen sind noch deutlicher: "Zu früh für Urlaubsreisen ins Ausland", schreibt etwa das GrenzEcho. "Klare Ansage von Virologen: 'Geht nicht auf Reisen", notiert De Morgen. "Denn", so fügt Het Laatste Nieuws hinzu: "Wer auf Reisen geht, der riskiert, am Ende festzusitzen."
Déjà-Vu und Holterdiepolter-Politik
Viele Leitartikler reagieren mit Kopfschütteln auf die Ereignisse des Wochenendes. "Was wir hier sehen, das ist Holterdiepolter-Politik", wettert etwa Het Nieuwsblad. Mal ehrlich: Haben wir wirklich nichts aus der Krise gelernt? Wenn eine Katastrophe vom Himmel fällt, dann kann man ja noch verstehen, dass ein Land erstmal kopflos reagiert.
Aber, wenn sich eine Katastrophe wiederholt, dann ist es doch das Mindeste, was man erwarten kann, dass die Behörden diesmal vorbereitet sind und dass ein Notplan in der Schublade liegt, den man nur herauszuholen braucht. Doch was muss man stattdessen feststellen? Die Risk Management Group muss an einem Sonntag zu einer Krisensitzung zusammenkommen, um darüber nachzudenken, wie man mit Reisenden umgeht, die aus Risikogebieten zurückkehren. Panikfußball in Reinform also. Wenn es diesmal wieder schiefläuft, dann ist das kein Unglück mehr, dann ist das unterlassene Hilfeleistung!
Es ist so ein Hauch von Déjà-Vu, meint auch La Dernière Heure. Wir erinnern uns: Ende Februar gab es in Italien Corona-Alarm. Und doch wurden in Belgien keinerlei Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Die Wintersport-Urlauber mussten bei ihrer Rückkehr keine Auflagen erfüllen. So wurde das Coronavirus regelrecht importiert und diese biologische Bombe richtete gerade in Belgien enormen Schaden an: 10.000 Todesopfer waren zu beklagen.
Doch was sehen wir jetzt? Die Bilder und Statements gleichen sich! Wieder wird das Risiko von Gesundheitsministerin Maggie De Block kleingeredet.
"Die schlechteste aller Optionen"
Gazet van Antwerpen fasst es in einem Satz zusammen: "Corona reist erneut ein, und die Regierung schaut wieder zu". Wo, um Himmels willen, sind unsere politisch Verantwortlichen? Inzwischen scheint die Politik die Empfehlungen der Virologen konsequent in den Wind zu schießen.
"Vorsichtig sein und Abstand halten", viel weiter geht die Empfehlung der Behörden nicht. Die Experten plädieren hingegen für eine Quarantäne-Pflicht für alle Urlauber, die aus Risikogebieten zurückkehren. Populär wäre eine solche Maßnahme wohl nicht, nötig ist sie trotzdem. Es reicht nicht, zu argumentieren, dass für eine Quarantäne-Pflicht die rechtliche Grundlage fehlt. Schweigend zuzuschauen, das ist die schlechteste aller Optionen.
Die Regierung kann sich keine neuen Fehler mehr erlauben, meint auch De Standaard. In anderen Ländern hat man gesehen, dass die Behörden beim kleinsten Problem knallhart durchgreifen. Eben wie in Spanien, wo gleich wieder Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden. Eine ähnliche Entschlossenheit darf man auch von den belgischen Verantwortlichen erwarten.
Belgien muss bereit und in der Lage sein, den erneuten Import des Virus aus dem Ausland zu verhindern und auch innerhalb der Grenzen unerbittlich gegen die Krankheit aufzutreten. Dafür braucht man die entsprechenden rechtlichen Instrumente. Wenn es die noch nicht gibt, dann muss man schnellstens die Gesetze anpassen.
Die Behörden müssen hier auf dem Posten sein, mahnt auch Le Soir. Die politischen und medizinisches Verantwortlichen müssen auf der Brücke sein, um eingreifen zu können, wenn es nötig ist. Das gilt nicht nur für die eigentliche sanitäre Lage, sondern auch für die sozialwirtschaftlichen Folgen, die mit jedem Tag spürbarer werden.
Das Wort "Pflicht" hört man hierzulande nicht gerne. Andere Länder wie Italien haben sich aber längst entschieden und greifen knallhart durch, so Le Soir.
Eine kalte Dusche
"Wäre es nicht wirklich an der Zeit, mal endlich die Lehren aus der Krise zu ziehen?", donnert auch anklagend Het Belang van Limburg. Der Staat muss sich alle nötigen Mittel geben, um die Krankheit einzudämmen.
Nur dann bleiben Auslandsreisen auf Dauer möglich. Nach dem Lockdown sehnten sich alle Menschen nach frischer Luft, wollten dem beklemmenden Gefühl entkommen, dass uns den Hals zugeschnürt hatte. Es ist die Aufgabe der Behörden, uns dazu unter bestmöglichen Bedingungen zu verhelfen.
Das Ganze fühlt sich in jedem Fall an wie eine kalte Dusche, meint nachdenklich L'Avenir. Mit einem Mal müssen wir feststellen, dass Urlaubsreisen doch nicht so einfach sind, wie wir uns das vielleicht gewünscht hätten.
In vielen Regionen Europas müssen schon wieder Ausgangsbeschränkungen verhängt werden. Und damit steht hinter vielen Reiseplänen plötzlich wieder ein großes Fragezeichen. Es wächst die Gefahr, dass man am Ende seinen Urlaub in einem Hotel im Ausland in Quarantäne verbringen muss. Unter diesen Bedingungen stellt sich die Frage, ob es nicht doch besser wäre, einfach zuhause zu bleiben.
Roger Pint