"Altenheime: auch ein finanzielles Überleben", schreibt L'Avenir auf seiner Titelseite. "Eine von fünf Pflegekräften will nicht mehr", so die Überschrift bei De Morgen. Und fast gleichlautend die Schlagzeile bei Het Laatste Nieuws: "Eine von fünf Pflegekräften denkt ans Aufhören".
Das Coronavirus hat auf brutale Weise die wunden Stellen in der Pflege bloßgelegt, kommentiert dazu Het Nieuwsblad. Das gilt besonders für die Alten- und Pflegeheime. Und das ist umso schmerzlicher, weil die Probleme seit Jahren bekannt sind. Aber es gab nie genug Geld oder war die Not je groß genug, um etwas dagegen zu tun. Jetzt haben wir keine Wahl mehr.
Die Menschen, die in diesen Heimen leben, haben gute professionelle Hilfe nötig. Nicht nur Mindestnormen, die dazu führen, dass die Pfleger von einem Bewohner zum nächsten hetzen müssen. Das klappt schon an normalen Tagen oft nicht. Während einer Epidemie ist es ein Ding der Unmöglichkeit.
Es ist also kein Wunder, dass das Personal nach der Coronakrise auf dem Zahnfleisch geht. Es ist an der Zeit, den allabendlichen Applaus in eine greifbare Unterstützung umzuwandeln. Und nicht, wie es jetzt droht zu passieren, in die andere Richtung zu schauen, so zu tun, als ob nichts passiert wäre und die Menschen in der Kälte stehen zu lassen, fordert Het Nieuwsblad.
"Was soll die plötzliche Empörung?"
Die meisten Zeitungen beschäftigen sich in ihren Leitartikeln aber mit dem Thema Regierungssuche. Das besonders vor dem Hintergrund von Aussagen der ehemaligen OpenVLD-Vorsitzenden Gwendolyn Rutten, wonach die N-VA ihrer Partei letztes Jahr eine "reiche Belohnung" versprochen habe, wenn die OpenVLD einer Koalition mit dem Vlaams Belang beitrete.
Was soll die plötzliche Empörung?, fragt Het Laatste Nieuws. War etwa jeder davon ausgegangen, dass die wochenlangen Gespräche zwischen N-VA und Vlaams Belang reines Theater waren? Es bleibt festzuhalten, dass man mit der alten Leier über den "Cordon sanitaire" aufhören kann. Der besteht seit langem nicht mehr, weil entsprechende Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht mehr existieren. Dass niemand zusammen mit dem Vlaams Belang regieren wollte, war keine Absprache, sondern ein Standpunkt der individuellen Parteien, hält Het Laatste Nieuws fest.
Auch die Frankophonen können die Frage nicht ignorieren
Wollte die N-VA tatsächlich den Cordon sanitaire um die extreme Rechte in Flandern durchbrechen? Die Empörung darüber ist jedenfalls zwecklos, meint L'Avenir. Und sie ist vielleicht auch ein Vorgeschmack auf ein Problem, das sich früher stellen wird, als man wollte. Seit den Wahlen vom Mai letzten Jahres schien eine Regierung mit einer Mehrheit auf beiden Seiten der Sprachgrenze nie in Griffweite. Währenddessen scheint der Vlaams Belang im Norden immer beliebter geworden zu sein.
Wenn man verschiedenen Meinungsumfragen glaubt, könnte er nach den nächsten Wahlen sogar zur größten Partei Flanderns werden. Dann wird sich vor allem in Flandern die Frage stellen, ob man den Vlaams Belang weiterhin außen vor lassen kann. Und auch auf der frankophonen Seite wird man diese Frage nicht ignorieren können, warnt L'Avenir.
Es bleibt verblüffend, wie schwierig es der Politik fällt, sich darauf zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist, kritisiert Gazet van Antwerpen. Unsere Gesellschaft muss lernen, mit dem Coronavirus und seinen Folgen zu leben. Die Periode, die jetzt kommt, ist mindestens genauso verwirrend, gefährlich und wichtig für die Zukunft, wie die, die wir hinter uns haben.
Es ist anscheinend einfacher, sich an strenge Regeln zu halten, wenn man in Angst lebt. Experten und Politiker müssen jetzt handeln, sie müssen schnelle Entscheidungen treffen, die auch genauso schnell wieder angepasst werden können. Und wir müssen die Handhabung der Coronakrise auch untersuchen, weil Einiges schiefgelaufen ist.
Aber brauchen wir tatsächlich vier Kommissionen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Zersplitterung der Zuständigkeiten das größte Problem des Landes ist? Was wir aber auf jeden Fall brauchen, ist eine Regierung, die das Land langfristig führen und die Ausgaben unter Kontrolle halten kann, mahnt Gazet van Antwerpen.
Belgien hätte doch so viel zu bieten
Während die Welt noch immer vom Coronavirus verwüstet wird, das jährliche Defizit Belgiens rund 50 Milliarden Euro betragen wird und sich eine vernichtende Rezession in allen Sektoren ankündigt, haben unsere Politiker weiterhin nichts Besseres zu tun, als sich zu zanken, wettert auch La Libre Belgique. Immer noch und überall.
Was braucht es denn noch, um sie zu überzeugen, dass wir dringend eine neue Regierung brauchen? Die Egos und das gegenseitige Misstrauen machen jede Annäherung illusorisch. Die Lenkung des Staates erfordert zunächst einmal den Mut, Widersprüche zu akzeptieren und sich gegen sinnlose Attacken zu wehren.
Die Politik der Illusionen und der Ausschlusserklärungen führt nur zu Misstrauen bei den Bürgern, was in Krisenzeiten die Extreme stärkt. Die aktuelle Krise stellt eine große Gefahr und einen Riesen-Schlamassel für unser Land dar. Dabei hätte Belgien - multikulturell und wirtschaftlich diversifiziert, wie es im Herzen Europas liegt - so viele Trümpfe und Möglichkeiten zu bieten, seufzt La Libre Belgique.
Boris Schmidt