"Sophie Wilmès, die Beliebte", ist heute groß auf Seite eins von Le Soir zu lesen. Laut dem aktuellen großen Politbarometer hat die Beliebtheit der Regierungschefin zugenommen. Im frankophonen Landesteil ist sie nun die beliebteste Politikerin. Und auch in Flandern ist sie immerhin mittlerweile unter den Top 10.
"Sophie, wer?", fragt Het Laatste Nieuws. So haben die Beobachter der Regierungspolitik vor ein paar Monaten noch gewitzelt. Die unbekannte Liberale war Regierungschefin geworden, nachdem Charles Michel und Didier Reynders nach Europa gewechselt waren und innerhalb der MR keine politischen Schwergewichte mehr für das Amt übrig waren.
Die erste weibliche Regierungschefin? Ach, sie ist schnell wieder weg. So dachten auch N-VA-Chef Bart De Wever und Kris Peeters von der CD&V. Aber die Übergangsregierung bekam eine weltweite Pandemie ab. Ironischerweise verlangten die Flamen in der Krise zwar nach mehr Macron, mehr Stärke und Führungskraft. Aber das französischsprachige Belgien dichtete Wilmès eine Aura der Heiligkeit zu. Die Heilige Sophie. Ein Niemand ist sie nicht mehr – auch nicht in Flandern, stellt Het Laatste Nieuws fest.
Bei den Wahlen 2019 war ein Großteil der Wähler verärgert, jetzt sind sie stocksauer, schreibt Le Soir. Dem großen Politbarometer zufolge ist jeder dritte Flame geneigt, für den Vlaams Belang zu stimmen. Also für eine Partei, die für enthemmten Rassismus steht und direkt einer der destruktivsten Ideologien des 20. Jahrhunderts entstammt. Und es ist kein Strohfeuer: Vier Umfragen in Folge sehen die Rechtsextremen nunmehr an der Spitze.
Auch in Brüssel und der Wallonie gibt es eine solche Tendenz: Dort haben die radikalen Ideen der kommunistischen PTB Aufwind. Wegen dieser Spaltung findet sich unser Land in einer politischen Sackgasse. Wie kommen wir da wieder raus? Die zunehmende Beliebtheit von Sophie Wilmès zeigt, dass eine zweisprachige Persönlichkeit, die auf Besonnenheit und Dialog setzt, mehr gewinnen kann als die kleinen Donald Trumps unseres Landes, ist Le Soir überzeugt.
Expertise nutzen
Das Coronavirus scheint an der politischen Lage nicht viel geändert zu haben, schreibt L'Echo mit Blick auf das Politbarometer. Neuwahlen könnten die politische Ratlosigkeit in unserem Land noch weiter verschärfen. In jedem Fall haben wir genug Zeit verloren. Wir sollten uns jetzt an die Experten wenden. Ja, denn unser Land strotzt nur so vor Expertise. Wir sollten sie beteiligen.
Ein disziplinübergreifendes Team wurde damit beauftragt, eine Strategie für die Lockerung der Corona-Maßnahmen zu entwickeln. Ist es denn undenkbar, dasselbe auch in anderen Bereichen zu tun? Wir sollten die Experten damit beauftragen, schon einmal den Weg zu ebnen. Nicht damit sie anstelle der Politiker entscheiden, sondern um die politischen Entscheidung zu nähren, fordert L'Echo.
La Libre Belgique kommt auf die europäische Antwort auf die Coronakrise zu sprechen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder hatten gestern erstmals über den 750 Milliarden Euro schweren Hilfsplan beraten, den die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Vor dieser virtuellen Beratung war die größte Befürchtung, dass die Ambitionen des Planes gleich zu Beginn beerdigt werden können.
Denn die Vorstellungen, wie die wirtschaftliche Erholung herbeigeführt werden soll, gehen weit auseinander. Zum Glück hat niemand die Grundstruktur des Planes der Kommission infrage gestellt. Mit Ausnahme des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte waren sich auch alle einig, dass die Zeit drängt.
Ehrgeiz und Solidarität
"Zeit ist Geld", sagte Regierungschefin Sophie Wilmès, um hervorzuheben, dass der europäische Schutzschirm so schnell wie möglich aufgespannt werden muss. "Zeit ist Glaubwürdigkeit", fügte sie hinzu. Und um diese Glaubwürdigkeit bei ihren Bürgern und in der Welt nicht zu verlieren, muss die EU ehrgeizig sein, befindet La Libre Belgique.
Ganz anderer Meinung ist da das GrenzEcho. Nach der letzten Finanz- und nach der Eurokrise zählte man die "Staatshilfen" noch in Milliarden. Mittlerweile sind Billionen das (Un)Maß aller Dinge. Doch langsam kommen selbst den in einen wahren Rausch verfallenen Geldschöpfern und ihren Auftraggebern Zweifel. Da kann man auch die verstehen, die zwar das Prinzip der Solidarität innerhalb der EU erkennen, sich aber trotzdem wie jetzt beim EU-Gipfel, die Frage stellen, ob die Solidarität mit 750 Euro-Milliarden geölt werden muss, zweifelt das GrenzEcho.
Zurück in den Süden
Vor ein paar Wochen war der Sommerurlaub noch völlig unsicher, schreibt La Dernière Heure. Die Grenzen waren dicht und niemand wusste, wann sie wieder geöffnet würden. Das scheint mittlerweile eine Ewigkeit her zu sein. Damals erwarteten die Bürgermeister der Süd-Wallonie und der belgischen Küste in den nächsten Monaten einen Touristen-Ansturm.
Aber mittlerweile sind die Grenzen wieder offen. Und die südeuropäischen Länder buhlen mit aller Kraft um Touristen. Ab Montag fliegt Ryanair wieder ab Charleroi. Ein großes Symbol. Unter diesen Umständen könnten die Strände von Middelkerke und die grünen Hügel von Durbuy weniger Menschen anziehen als gedacht. Alles weist darauf hin, dass der Belgier – wenn er denn die Wahl hat – den Touri-Zielen am Mittelmeer treu bleiben wird, glaubt La Dernière Heure.
Peter Esser