"Lachaert, Coens und Bouchez am Zug bei föderaler Regierungssuche", so die Schlagzeile auf Seite eins von De Tijd. "Die Liberalen und die CD&V übernehmen die Aufgabe, über eine föderale Regierung zu beraten – Ist es die letzte Runde?", fragt La Libre Belgique. "Präsidenten-Trio gibt sich einen Monat, um eine Mehrheit zu finden", schreibt das GrenzEcho auf seiner Titelseite.
Die Regierungsparteien OpenVLD, MR und CD&V haben gestern auf den Vorschlag der Vorsitzenden der Sozialisten – Conner Rousseau und Paul Magnette – eine klassische Tripartite aus Liberalen, Christdemokraten und Sozialisten zu bilden, mit einer eigenen Initiative reagiert.
Nachdem sich der Vorschlag der Sozialisten als Rohrkrepierer herausgestellt hat, sind wir wieder bei der Grundgleichung angelangt, hält L'Avenir in seinem Leitartikel fest: Wie eine solide Mehrheit auf beiden Seiten der Sprachgrenze bilden, sprich PS und N-VA zusammenbringen? Wir werden nie erfahren, ob Paul Magnette wirklich an seinen und Rousseaus Vorschlag geglaubt hat.
Aber wenn die beiden Vorsitzenden der Sozialisten ihren Plan zur Bildung einer in diesem Land noch nie da gewesenen Minderheitsregierung formuliert hatten, dann zweifellos, weil der Präsident der PS bereits die negative Antwort seiner Basis zu einer Allianz mit den flämischen Nationalisten kannte. Macht es also Sinn, so einem Hirngespinst noch lange hinterher zu rennen?, fragt L'Avenir.
Nach den roten Rittern jetzt die drei Könige
Auf die roten Ritter folgen jetzt also die drei Könige, meint Het Laatste Nieuws. Und es gibt eine Neuigkeit: Im föderalen Parlament sitzen eigentlich nur 120 Abgeordnete, nicht 150. Der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez findet nämlich, dass man die 30 Populisten nicht mitzählen muss. Solche autoritären Anwandlungen kann man nicht leichtsinnig weglachen. Wer Gewählte relativiert, der relativiert auch Wahlen und Wähler.
Das Triumvirat hat sich selbst den Nationalfeiertag als Frist gesetzt. Aber die Chance ist groß, dass unser Souverän beim Salutieren der Helden der Corona-Krise von den Pantoffelhelden der Politik zu hören bekommen wird, dass es doch nichts geworden ist. Und dann warten die Wahlurnen. Um wieder von vorne zu beginnen. Darüber können wir stöhnen, aber der Wähler ist König, erinnert Het Laatste Nieuws.
Viel Mitleid von den Bürgern ist nicht zu erwarten
Auch Het Nieuwsblad geht auf den Kommentar von Georges-Louis Bouchez ein, dass eine Minderheitsregierung auch eine relative Mehrheit sein kann. Wenn man eben die 30 Populisten vom Vlaams Belang und der PTB nicht mitzählt. Man kann sich schon fragen, wie tief ein Strauß seinen Kopf in den Sand stecken kann, bevor er davon verschluckt wird. Nur weil man eine Stimme nicht versteht, heißt das nicht, dass sie nicht genauso wichtig wie alle anderen ist.
Die Aussage von Bouchez ist mehr als ein Ausdruck absoluter Dummheit. Sie illustriert die Verachtung aller politischen Parteien für das Wahlergebnis. Und die Parteien haben selbst nach der Heimsuchung durch das Coronavirus nicht begriffen, dass die Bildung einer schlagkräftigen Regierung wichtiger ist als ideologische Streitigkeiten. Viel Mitleid mit den Politikern werden die Bürger bei den nächsten Wahlen nicht mehr haben, warnt Het Nieuwsblad.
De Standaard schlägt in die gleiche Kerbe: Jedes Mal, wenn wir denken, den Tiefpunkt in Sachen Regierungsbildung erreicht zu haben, kommt eine neue Episode. Jetzt müssen die Wahlverlierer also nochmal die schon tausendmal beschrittenen Pfade erkunden. So als ob sie zum ewigen Buße tun verurteilt wären in einer Welt ohne Erlösung. Und wenn der Wähler sie bald schlussendlich doch noch wachrüttelt, dann wird das nicht über den Weg der Wahl des kleinsten Übels sein, fürchtet De Standaard.
Ohne leuchtenden Stern auf dem Weg zu einem fernen Ziel
Folge neun dieser unendlichen Geschichte trägt den Titel "Regierungsbildung für Fortgeschrittene in Belgien", stöhnt Het Belang van Limburg. In dieser Episode wollen Coens, Lachaert und Bouchez beweisen, dass es doch noch eine andere Lösung als die von Rousseau und Magnette gibt. Die Chancen sind aber groß, dass wir am 21. Juli wieder am Anfang stehen werden.
Dann wird die Regierungssuche einer neuen Version des Klassikers "Die unendliche Geschichte" von Michael Ende gleichen. In diesem Buch flüchtet sich der Protagonist in eine Phantasiewelt, die durch das mysteriöse "Nichts" bedroht wird. In der Phantasiewelt der Rue de la Loi wird die Rolle des "Nichts" durch Neuwahlen übernommen. Der große Unterschied ist aber, dass ein gutes Ende hier alles andere als sicher ist, meint Het Belang van Limburg.
Die drei Könige namens Bouchez, Coens und Lachaert sind für Gazet van Antwerpen auf dem Weg zu einem fernen Ziel. Allerdings ohne einen leuchtenden Stern, der ihnen den Weg weist. Und bei ihrer Ankunft muss in der Krippe ein Premierminister einer neuen Regierung liegen, der dem Volk den Weg in eine neue Zukunft weist. Leider geschehen solche Wunder nur ab und zu. Die Erfolgschancen sind also eher übersichtlich, hält Gazet van Antwerpen fest.
Boris Schmidt