"Leopold II., der König, der bis in den Palast für Unwohlsein sorgt", so der Aufmacher bei Le Soir. "Der neue Bildersturm", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Polemik um Leopold II. –'Seine Statuen zu entfernen, wird nichts lösen'", bringt La Dernière Heure ein Zitat eines Hofberichterstatters auf ihrer Titelseite.
Die weltweiten Proteste nach dem Tod von George Floyd haben auch in Belgien zu einer Diskussion über das koloniale Erbe und besonders die Figur von Leopold II. geführt. Seit Jahren führt die Debatte um das Erbe von Leopold II. zu Polemiken, erinnert La Libre Belgique. Aber muss man deshalb seine Statuen abbauen? Nein, nein und nochmals nein.
Erstens weil wir so unserer Vergangenheit den Rücken kehren würden. Niemand muss diese Vergangenheit gutheißen, aber die ganze Welt muss sie sehen können und die damaligen Ereignisse im Kontext des Kolonialismus kennen. Die Anerkennung der durch den Kolonialismus geschlagenen Wunden kann auch die Verbindungen und die Freundschaft zwischen Kongolesen und Belgiern verstärken.
Wir müssen auch endlich dieses Thema im Schulunterricht entsprechend behandeln. Und es muss uns klar sein: Diese Polemik stellt vor allem unsere Gegenwart mit ihren rassistischen Diskriminierungen ins Rampenlicht. Wir müssen dringend die Ungleichheiten beseitigen, um eine gemeinsame und friedliche Zukunft zu bauen. Auch dieser Abschnitt wird dann in unsere Geschichte eingehen, hofft La Libre Belgique.
Wo soll der Bildersturm enden?
Het Laatste Nieuws fragt sich, ob ein weißes Knie auf einem schwarzen Hals das Bild des Jahres 2020 sein wird. Das weiße Knie des Polizeibeamten auf dem Hals des Afroamerikaners George Floyd hat auch Leopold II. auf seinem Sockel ins Wanken gebracht. Aber man kann die schwärzeste Seite in der Geschichte unseres Landes nicht auslöschen, indem man sie herausreißt. Man darf Leopold II. nie vergessen.
Die Frage ist aber nicht, ob man ihn aus dem Straßenbild entfernt, sondern was danach passieren soll. Wo soll dieser Bildersturm enden? Wie weit zurück sollen wir gehen, wenn wir die Geschichte neuschreiben mit Blick auf das, was wir heute als rechtschaffen und vertretbar ansehen? Wenn wir unsere heutige politische Sauberkeit zur Norm machen, dann steht hier morgen keine einzige historische Figur mehr, befürchtet Het Laatste Nieuws.
"Kurzsichtigkeit und Bauchnabelschau"
Ein anderes Thema, das für Wirbel sorgt, ist ein Flug der flämischen Mobilitätsministerin Lydia Peeters von der OpenVLD. Die war von Brüssel nach Antwerpen geflogen, um für die Wiederöffnung der regionalen Flughäfen zu werben. Ein Flug für eine Entfernung von nicht einmal 50 Kilometern. Dafür hagelte es von allen Seiten Kritik.
Die Ministerin ist noch gut weggekommen, meint Het Nieuwsblad. Das Ganze war eine Werbeaktion für einen befreundeten Unternehmer aus ihrer Heimatregion. Wir dachten eigentlich, dass die Zeiten dieses unsäglichen "Eine Hand wäscht die andere" vorbei sind. Aber diese Erkenntnis ist offensichtlich noch nicht überall angekommen.
Außerdem ist die Obsession für Lokalflughäfen in einer so kleinen Region weiter ein Mysterium. Einen wirtschaftlichen Nutzen in der Coronakrise hatten sie nicht. Sie dienen vor allem der Bequemlichkeit von Geschäftsleuten mit einer einflussreichen Lobby. Die Rechnung darf der flämische Steuerzahler begleichen. Dass Millionen Euro in die regionalen Konkurrenten des Brussels Airport gesteckt werden, der tatsächlich ein Wirtschaftsmotor ist und sich gerade in Schwierigkeiten befindet, ist ein weiteres Beispiel für Kurzsichtigkeit und Bauchnabelschau, giftet Het Nieuwsblad.
Für De Standaard hat Lydia Peeters eine viel fundamentalere Debatte angestoßen: Wie gehen wir die Unterstützungsmaßnahmen zum Neustart der Wirtschaft an? Oder anders gesagt: Soll Steuergeld in die Regionalflughäfen gesteckt werden? Die grundsätzliche Frage ist, wie die Post-Corona-Wirtschaft aussehen soll.
Soll die Krise eine Gelegenheit für gründliche Reformen und einen Richtungswechsel sein? Oder müssen wir vor allem versuchen, die wirtschaftlichen Schäden durch das Virus zu begrenzen? Die Debatte um die Regionalflughäfen illustriert dieses Dilemma. Sie sind sicher nicht der beste Bestimmungsort für nicht im Überfluss vorhandenes Steuergeld.
Aber sie können sehr wohl ökonomische Aktivitäten mit sich bringen und die Attraktivität Flanderns für Firmensitze erhöhen. Am besten wäre es, wenn man eine Unterstützung mit Bedingungen verknüpft. Zum Beispiel, indem man Flüge von 50 Kilometern verbietet, anstatt sie zu bewerben, wünscht sich De Standaard.
Nicht die gleichen Fehler wiederholen
Beim Thema Flughäfen bleibt auch Gazet van Antwerpen, allerdings beim Brussels Airport. Der ruinöse Preiskampf mit Aviapartner hat Swissport den Garaus gemacht. Aviapartner selbst steht auch nicht besonders gut da. Jetzt haben zwei andere Firmen temporäre Lizenzen bekommen. Aber macht es wirklich Sinn, die gleichen Fehler zu wiederholen, die gleichen schädlichen Konkurrenzsituationen neu entstehen zu lassen?
Hoffentlich wird man die aktuelle Krise zum Anlass nehmen, um langfristige und nachhaltige Lösungen auszuarbeiten. Gleiches muss im Übrigen auch für die Rettung von Brussels Airlines gelten. Wenn es um belgisches Steuergeld geht, darf das nicht in das bodenlose Fass eines ewig Verluste machenden ausländischen Betriebes fließen, fordert Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt