"Kindergärten am 2. Juni, Primarschulen am 8. Juni", schreibt L'Avenir auf seiner Titelseite. "Jede Klasse ist eine Kontaktblase", heißt es bei De Standaard. Und für das GrenzEcho ist es "Ein großer Schritt vor allem für die Kleinen".
Gestern ist ja beschlossen worden, dass Primarschulen und Kindergärten wieder öffnen können. Het Laatste Nieuws kommt in ihrem Kommentar auf das Gerangel zwischen Flamen und Französischsprachigen zurück, was die Details der Regelungen angeht. Zwischen dem Norden und Süden des Landes gibt es ja auch Unterschiede, was die Anzahl der wiedergeöffneten Schulen angeht und wie viele Kinder eigentlich wieder zum Unterricht erscheinen.
Natürlich steht es den Frankophonen frei, ihre eigenen pädagogischen Entscheidungen zu treffen. Aber das gilt auch für Flandern. Das flämische Unterrichtswesen muss seinen eigenen Weg gehen, am liebsten zusammen mit den Französischsprachigen, aber wenn das nicht geht, dann eben auch ohne sie. Tous ensemble, alle zusammen? Gerne, aber nicht sozial, wirtschaftlich und pädagogisch um jeden Preis, fordert Het Laatste Nieuws.
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit den Lehrern. Die fühlen sich nach einer Untersuchung immer weniger wertgeschätzt. Vielleicht werden hier der Lockdown und das Selbst-Unterrichten der Kinder zu Hause zu einer Verbesserung führen. Hoffentlich haben uns die letzten Wochen gelehrt, dass es Talent erfordert, um Teenagern etwas beizubringen. Und das ist eine Gabe, die wir sicher nicht alle haben. Diese Erkenntnis wird dem Heilungsprozess der Lehrer helfen, glaubt Het Nieuwsblad.
Aus einer Krise eine Chance machen
Die meisten Leitartikel beschäftigen sich aber mit dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaupaket der EU-Kommission, das gestern vorgestellt wurde. De Standaard hält fest, dass der ehrgeizige EU-Plan natürlich noch scheitern kann. Schließlich müssen die 27 Mitgliedsstaaten und das Parlament auch noch zustimmen. Aber die Umrisse einer historischen Übereinkunft werden langsam sichtbar.
Als Topschuldner kann sich die Kommission zu viel günstigeren Konditionen Geld leihen, als angeschlagene Länder wie Italien oder Spanien. Damit wird auch Spekulanten ein Strich durch die Rechnung gemacht, die es auf die Schwachen in der Eurozone abgesehen haben.
Gleichzeitig vergrößert Europa behutsam seine politische Macht, zum Beispiel durch neue, eigene Einnahmen aus Steuern. So macht man aus einer Krise eine Chance. Wenn sie es schafft, mit diesem ehrgeizigen Plan die europäische Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen, gelingt der EU-Kommission ein Kraftakt. Allerdings sind die Folgen, wenn das nicht gelingt, kaum absehbar, analysiert De Standaard.
Gewagt – aber richtig
Auch für L'Echo versucht die Kommission hier, aus einer Katastrophe eine Gelegenheit zu machen. Jetzt wird man aber sehen müssen, ob die Mitgliedsländer mitspielen. Ob sie statt den ständig kurzsichtigen Buchhalter zu geben, bereit sind, zusammen einen stabilen gemeinsamen Binnenmarkt und solide Wertschöpfungsketten wiederaufzubauen, wirft L'Echo ein.
Das Krisenmanagement wird darüber entscheiden, ob die EU überhaupt noch eine Zukunft hat, ist De Morgen überzeugt. Und der Vorstoß der Kommission ist großzügig und schlau. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Union in einem Augenblick höchster Belastung verändert und stärker wird.
Das Anstreben fiskaler Selbstständigkeit passt in diese Evolution. Natürlich ist das Eintreten für mehr Solidarität über eine europäische Steuer gewagt – gerade in Zeiten, in denen Europaskepsis immer mehr zum Mainstream wird. Aber es ist richtig, lobt De Morgen.
"Next Generation EU"
Le Soir betont den revolutionären Charakter des Plans. Nie zuvor hat die Kommission gemeinsame Schulden in dieser Größenordnung vorgeschlagen. Hier ist ein heiliges Tabu gebrochen worden. Auch wenn die Historiker am Ende das Urteil fällen werden, von einem "Wow-Moment" Europas kann man auf jeden Fall sprechen.
Ursula von der Leyen hat über der Kommission dieses Mal deutlich die Flagge des "Alle zusammen" gehisst. Damit die, die in dieser Krise am meisten leiden, am stärksten unterstützt werden können. Und denjenigen, die die Initiative der Kommission torpedieren wollen, sollte bewusst sein, dass das nicht nur jegliche Wiederbelebung schwer belasten würde.
Es wäre auch ein Schuss in den eigenen Fuß, selbst für die Tugendhaftesten. Angela Merkel hat das verstanden, wie ihre Kehrtwende, die dieses Rettungspaket erst möglich gemacht hat, gezeigt hat, meint Le Soir.
Für La Libre Belgique ist das europäische Solidarität in Aktion. Die Pandemie hat die Schwächen der Union offengelegt. Nach dem Virus müssen sich die Staaten jetzt auf einen nie dagewesenen wirtschaftlichen Schock vorbereiten. Ja, die EU ist geschwächt. Aber es braucht mehr als ein Virus, um sie zur Strecke zu bringen. Das ist die Botschaft von Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Und auch wenn der gewählte Name "Next Generation EU" etwas marktschreierisch klingen mag, er macht Hoffnung darauf, dass die Europäische Union bereit ist, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen und das "Europa danach" vorzubereiten, glaubt La Libre Belgique.
Boris Schmidt