Die Titelseiten beschäftigen sich aber auch mit anderen Nachrichten.
Polizei erschießt jungen Mann
Die meisten flämischen Zeitungen befassen sich auf Seite 1 mit der Erschießung eines 25-jährigen Mannes durch die Polizei. "Polizei erschießt Sohn im Haus der Eltern" heißt es im Nieuwsblad. "Kugel in den Kopf während er kniete" ist der Aufmacher in Het Laatste Nieuws. "Die Polizei hat meinen Sohn ermordet" titelt Gazet van Antwerpen. Der depressive Arztsohn hatte sich am Donnerstagabend in seinem Zimmer verbarrikadiert. Da er sich völlig unberechenbar verhielt, hatte die Mutter die Polizei gerufen. Anstatt ihn zu beruhigen, gingen die Polizeibeamten mit Waffen auf den Mann los. Die Staatsanwaltschaft untersucht den Fall. "Die Polizei wird des Totschlags beschuldigt" ist dazu die Schlagzeile in De Morgen.
20 Jahre deutsche Wiedervereinigung
L'Echo widmet dem 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung sehr viel Aufmerksamkeit. "Schönes Geschenk zum 20. Geburtstag" heißt es hier: Das deutsche Wirtschaftswachstum ist so hoch wie seit 1990 nicht mehr. Es ist wie im Märchen von der guten Fee, zitiert die Zeitung Wirtschaftsexperten. In dem Artikel heißt es aber auch, dass die kulturelle Mauer in den Köpfen zwischen Ost- und Westdeutschland noch immer besteht. Noch immer halten sich die Ostdeutschen für Bürger zweiter Klasse.
Verkehrsopfer
La Dernière Heure widmet mehrere Seiten den Opfern schwerer Verkehrsunfälle. "Sie kam aus der Hölle" ist hier die Schlagzeile. So wird zum Beispiel der Fall einer 41-jährigen Mutter beschrieben, die auf dem Zebrastreifen von einem Autofahrer angefahren wurde, monatelang im Koma lag und jetzt wieder alles neu erlernen muss.
Migration gefährdet soziales Netz
De Tijd bringt als wichtigsten Aufmacher: "Belgien ist ein Magnet für osteuropäische Glückssucher". Mit betrügerischen Konstruktionen kommen demnach viele Rumänen, Bulgaren und Slowaken nach Belgien, weil es hier, anders als in den Nachbarländern Holland, Frankreich und Deutschland, für alle Asylbewerber gleich Sozialhilfe gibt. Das bringt unser Sozialsystem in Gefahr, schreibt die Börsenzeitung.
Und nun zur Politik
"Krise: Hier ist der Bericht, der den Graben zwischen Norden und Süden belegt" titelt La Libre Belgique. Die so genannte High Level Group hat gestern ihren Zwischenbericht vorgelegt. Demnach gibt es weiterhin große Differenzen zwischen Französischsprachigen und Flamen darüber, wie weit die Finanzautonomie der Regionen gehen soll.
Auch Le Soir bringt als Schlagzeile: "Weiß überhaupt noch jemand, wie es mit den Verhandlungen weitergehen soll?" Schon wieder heißt es, dass wir kurz vor einem Scheitern stehen. Die Französischsprachigen wollen jetzt von der N-VA wissen, ob ein Kompromiss möglich ist.
Auf Seite Eins in De Standaard ist zu lesen: Laut PS-Kronprinz Paul Magnette stellt die N-VA jetzt fest, dass ihre Ideen und Programmpunkte reine Phantasmen sind.
Ein Blick in die Kommentare
Gazet van Antwerpen meint: Das Signal des 13. Juni war deutlich. Der Wähler will, dass es endlich ein Ende hat mit den gemeinschaftspolitischen Querelen. Deshalb kann die N-VA, der große Gewinner dieser Wahlen, nicht mit halber Arbeit zufrieden sein. Eine Staatsreform ohne Steuerautonomie, die die Teilstaaten in die finanzielle Verantwortung zwingt, ist keine Staatsreform und muss deshalb abgelehnt werden.
Het Nieuwsblad kommentiert: N-VA und PS müssen endlich reinen Wein einschenken und verdeutlichen, ob sie wirklich zu einem Kompromiss bereit sind. Eins steht fest: Neuwahlen bringen überhaupt nichts, im Gegenteil. Es ist höchste Eisenbahn, dass De Wever und Di Rupo endlich zur Sache kommen, und das möglichst schnell.
Het Belang van Limburg bringt es im Leitartikel folgendermaßen auf den Punkt: Die PS will nicht, und die N-VA kann nicht. Beiden Parteien fehlt das gegenseitige Vertrauen. Darüber hinaus wird die PS von der französischsprachigen Presse gejagt und der N-VA fehlt es an Experten, die wissen, wie man einen funktionierenden Kompromiss auf die Bein stellt.
Le Soir kommentiert: Die politische Lage entwickelt sich vom Absurden ins Groteske. Ein Scheitern ist keine Option, es sei denn, es gibt keinen anderen Ausweg mehr. Neuwahlen dürften zu einem Erdbeben führen. Vermutlich würde die N-VA dann noch weiter gestärkt.
Het Laatste Nieuws meint zum gleichen Thema: Wir brauchen endlich jemanden, der über den Parteien steht. Di Rupo hat das eine Weile lang getan, De Wever nicht. Solange das so bleibt, wird die Regierungsbildung unmöglich sein. Wir sind an einem toten Punkt angelangt und seltsamerweise findet niemand dies problematisch.
Die Presseschau am Samstag verschafft mir nach einer Woche im Ausland immer einen interessanten Überblick. Weiter so.