"Trotz allem: Viele frohe Gesichter am ersten Schultag", so die Überschrift bei Het Laatste Nieuws. "Schulneustart mit Abstandsregeln", heißt es beim GrenzEcho auf Seite eins. "Wettlauf gegen die Zeit in den Schulen", lautet die Schlagzeile auf der Titelseite von Le Soir.
Bereits gestern durften viele Schulen als Generalprobe für kommenden Montag wieder ihre Türen für Schüler und Lehrer öffnen. Allerdings nur für bestimmte Klassenstufen.
Der Test ist gut verlaufen, hält De Tijd fest. Jetzt ist es wichtig, dass auch nächste Woche alles glatt geht. Dann kann vielleicht bald eine breitere Öffnung beschlossen werden. Die Entscheidung darüber ist schwierig. Bleiben die Beschränkungen, kann man das an den täglichen, sich positiv entwickelnden Zahlen aus den Krankenhäusern nachverfolgen.
Die Nachteile für den Schulunterricht sind schwieriger zu erfassen. Bleiben die Schulen zu und müssen die Eltern ihre Kinder selbst unterrichten oder zumindest betreuen, dann bremst das den wirtschaftlichen Neustart, weil es die Rückkehr der Eltern an die Arbeit erschwert.
Viel weniger greifbar ist aber das Problem des Lernrückstands. Gerade bei denjenigen, die vielleicht erst im September wieder zur Schule dürfen. Das kann Langzeitfolgen haben und die Zukunftschancen der Kinder beeinträchtigen. Wir müssen deshalb die Schulen so schnell wie möglich wieder für alle öffnen, fordert De Tijd.
Die besten Absichten reichen nicht immer
Het Laatste Nieuws blickt ebenfalls auf die nur teilweise Wiederaufnahme des Unterrichts. Klar, Sicherheit ist das Gebot der Stunde. Aber in unserem Unterrichtswesen scheint die Virologie heute über die Pädagogik gestellt zu werden. Der mögliche gesundheitliche Schaden durch die Rückkehr in die Schulen ist jedoch kleiner als der sichere soziale und kognitive Schaden für Schüler, die dem Unterricht langfristig fernbleiben. Außerdem soll die Ansteckungsgefahr von und durch Kinder minimal sein.
Das Problem ist auch, dass jede Schule entscheidet, also letztlich tut, was sie will und kann. Das sicherlich mit den besten Absichten. Aber manchmal reicht das eben nicht. Nach der Corona-Krise ist es vielleicht doch an der Zeit, hierüber nachzudenken. Die Freiheit des Unterrichtswesens mag uns lieb und teuer sein, aber diese Art von Freiheit, die nach Willkür und Zufall riecht, war wohl nicht im Sinne des Erfinders, ärgert sich Het Laatste Nieuws.
Auch Het Nieuwsblad bleibt im Bereich Bildung, geht allerdings in die Hochschulen und Universitäten. Aus einer Befragung der Universität Gent geht hervor, dass zwei von drei Studenten Angst haben, das Fernlernen nicht durchzuhalten. 40 Prozent befürchten, in Rückstand zu geraten, und fast die Hälfte ist überzeugt, dass ihr akademisches Jahr leiden wird.
Befürworter digitaler Unterrichtstechniken erleben gerade Hochzeiten. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Wie Schüler haben auch Studenten physischen Kontakt nötig – mit ihren Dozenten, aber auch mit ihren Altersgenossen. Wenn es der Regierung ernst ist mit dem Anliegen, dass der Mensch genauso wichtig wie die Wirtschaft ist, dann muss jetzt auch den Belangen der Studenten mehr Aufmerksamkeit gegeben werden. Auch sie brauchen eine Perspektive, betont Het Nieuwsblad.
Keine Blankoschecks
Het Belang van Limburg beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Immer mehr Ökonomen, egal welcher politischen Ausrichtung, stellen die Frage in den Raum, ob sich unser klassisches Wirtschaftskonzept an einem Wendepunkt befindet. Eine schwierige Frage, weil sie schwierige Entscheidungen erfordert. Wenn wir Unternehmen fit für die Zukunft machen wollen, müssen wir vielleicht akzeptieren, dass manche Geschäftsmodelle nicht mehr wie früher unterstützt werden können. Es wird viel Geld kosten, um wieder aus dieser Pandemie herauszukommen. Und noch mehr, um unseren Wohlfahrtsstaat zu sichern.
Ein Grund also, jeden Cent zweimal umzudrehen. Natürlich sind Jobs und deren Erhalt wichtig. Aber wir dürfen deswegen keine Blankoschecks ausstellen. Und das gilt nicht nur für eine eventuelle staatliche Unterstützung für Brussels Airlines. Jetzt ist der Moment schlechthin, in dem sich der Staat wieder ins Cockpit setzen kann – indem er im Gegenzug für Geld aus der Staatskasse Forderungen an die Unternehmen stellen kann, meint Het Belang van Limburg.
Durch die Corona-Wirtschaftskrise werden die Gewinne und damit auch die Steuereinnahmen fallen. Und das in deutlich stärkerem Umfang als der Umsatz, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Betriebe, die Verlust machen, müssen keine Steuern bezahlen. Und selbst wenn sie wieder Gewinn machen, können sie noch eine Weile die Verluste bei der Berechnung der Abgaben geltend machen.
Heißt also, dass der Staat neben all den anderen Kosten für die Corona-Krise auch noch auf Jahre hinaus mit geringeren Steuereinnahmen klarkommen muss. Der politische Fokus liegt zurzeit auf der Vermeidung weiterer ökonomischer Schäden. Zu Recht. Und dafür reicht uns die Reservemannschaft. Aber für einen Staat, der strukturell mit viel weniger auskommen muss, brauchen wir eine Spitzenmannschaft. Und zwar schnell, appelliert De Standaard.
Gesundheit oder Freiheit?
La Libre Belgique fragt sich, ob wir eines Tages unsere Freiheiten zurückbekommen werden. Besteht auch hierzulande die Gefahr, dass der Staat eines Tages zu stark wird? Siehe zum Beispiel Osteuropa. Die Corona-Krise hat unser zwiespältiges Verhältnis zum Staat offenbart. Wir wollen ihn als Beschützer und das effizient. Wir sind auch schnell dabei, wenn es darum geht, seine Defizite und Fehltritte zu verurteilen.
Andererseits wollen wir – in Namen der Freiheit – nicht, dass die geforderte Effizienz in unser Leben eingreift. Während wir keinerlei Probleme damit zu haben scheinen, unsere Daten den Internetgiganten zur Verfügung zu stellen, wehren wir uns gegen die Erhebung der für ein wirkungsvolles Contact Tracing notwendigen persönlichen Daten. Die Frage, die sich hier stellt, ist nicht neu: Was sollte Vorrang haben – die Gesundheit oder die Freiheit, so nachdenklich La Libre Belgique.
Boris Schmidt