Die europäischen Gewerkschaften haben gestern in Brüssel gegen die Sparmaßnahmen in verschiedenen EU-Ländern protestiert, schreibt De Morgen.
Sie befürchten, dass diese Maßnahmen zu steigender Arbeitslosigkeit führen und das Wirtschaftswachstum bremsen könnten. Der kleine Mann, der die Rechnung zahlen muss, ist eine Tatsache.
Belgien leiste sich immer noch den Luxus, 100 Tage nach den Wahlen noch kein Wort über die 22 Milliarden Euro Einsparungen verloren zu haben, die es machen muss. Unterdessen sind in vielen anderen EU-Staaten schon sehr tiefgreifende Pläne ausgearbeitet worden.
Die Gewerkschaften wissen auch, dass es keine Alternative ist, nicht zu sparen. Doch sie haben recht, wenn sie behaupten, dass blinde Sparmaßnahmen die Rezession verstärken. Wichtig ist auch ihre Forderung, dass die Sparmaßnahmen dem Prinzip Rechnung tragen müssen, dass die stärksten Schultern die schwersten Lasten tragen müssen.
Sparmaßnahmen sind unvermeidlich
De Tijd fügt hinzu: Sparmaßnahmen sind unvermeidlich und werden alle Gruppen der Bevölkerung treffen. Das ist die harte Wirklichkeit. Staatsfinanzen, die nicht ausgewogen sind, belasten die Wirtschaft und die Wohlfahrt. Diese Botschaft hören die Gewerkschaften nicht gern. Sie fordern von den Regierungen mehr Geld für die Pensionen, das Unterrichtswesen und die Gesundheitsfürsorge, doch sie vergessen, dass dieses Geld irgendwo aufgetrieben werden muss.
Het Belang van Limburg unterstreicht: Die Gewerkschaften haben recht, wenn sie behaupten, dass die Arbeitnehmer diese Krise nicht verschuldet haben. Doch sie müssen begreifen, dass gespart werden muss. Das Haushaltsdefizit und die Staatsschuld müssen abgebaut werden. Um die Zukunft zu sichern, müssen alle Anstrengungen in Kauf nehmen.
Nicht populär, aber sozial
De Standaard erklärt auf seiner Titelseite: Die EU-Kommission will EU-Staaten, die ihre Finanzen nicht im Griff haben, mit strengen Sanktionen bestrafen. Belgien wird das zu spüren bekommen. Die Maßnahmen sind vielleicht nicht populär, unterstrich EU-Kommissionspräsident Barroso, doch sie sind sozial. Die Schulden müssen abgetragen werden. Das Geld, das man dafür aufbringt, kann nicht für Pensionen oder die Gesundheitsfürsorge verwendet werden.
Das Europaparlament kann noch einen Strich durch diese Pläne machen. Es wird nicht einfach sein, alle Mitgliedsländer zu überzeugen. Frankreich will keine automatischen Strafen, die praktisch keinen politischen Spielraum lassen. Für Deutschland hingegen kann Europa nicht streng genug sein.
Le Soir fragt in seinem Leitartikel: Was kann der Durchschnittseuropäer eigentlich noch erhoffen, wenn man ihm sagt, dass seine Pension gekürzt wird, und dass die Gesundheitsausgaben steigen werden? Um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten und Investoren anzuziehen, muss der Bürger länger arbeiten und weniger verdienen.
Das ist in Deutschland schon der Fall. Dort ist die Kaufkraft der Arbeitnehmer in den letzten Jahren zurückgegangen. Europa muss Werte schaffen und ein neues industrielles Netz aufbauen, das Reichtum schafft, um das soziale Modell zu retten.
Regierungsbildung noch immer in der Sackgasse
Unterdessen kommen die politischen Verhandlungen über die Bildung einer neuen Föderalregierung nur sehr langsam voran. Het Nieuwsblad behauptet: Es herrscht ein enormer Pessimismus. Die PS macht keine Zugeständnisse auf dem Gebiet der Einkommenssteuer, obschon die flämischen Parteien beweisen, dass es in Flandern keinen Spielraum gibt, um die Steuern herabzusetzen.
Die PS befürchtet eine Verarmung der Wallonie. Die Flamen sind überzeugt, dass sie mindestens vierzig Prozent ihrer Mittel selbst eintreiben sollten, Die N-VA und die PS haben sich eingeigelt und wollen ihre Stellung nicht verlassen.
Gazet van Antwerpen ist der Ansicht, dass De Wever und Di Rupo das Schicksal der neuen Regierung in der Hand haben. Wen sie ja sagen, kommt eine Koalition für die nächsten vier Jahre. Bei einem Nein muss alles neu begonnen werden, vielleicht sogar mit Neuwahlen.
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