"Die Judenkarikaturen beim Karneval von Aalst sorgen für tiefe Empörung", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Jüdische Organisationen reagieren entrüstet", notiert La Dernière Heure. Die flämische Zeitung De Standaard formuliert es eher diplomatisch: "Einen Preis für Feingefühl wird man in Aalst nicht gewinnen".
Der traditionelle Karnevalsumzug von Aalst hat wieder unschöne Bilder produziert. Nach der Polemik um die Judenkarikaturen im vergangenen Jahr haben einige Gruppen das Thema in diesem Jahr wieder aufgegriffen. Dabei wurden erneut die üblichen Klischees bemüht: Hakennasen, Schläfenlocken und irgendwelche Anspielungen auf Geld. Die Karikaturen erinnern an ähnliche Bilder aus den 1930er-Jahren.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Jüdische Organisationen fordern eine Untersuchung durch die Europäische Union. Doch auch in Belgien gab es Empörung: "Die Premierministerin schreibt einen Brandbrief", titelt Het Laatste Nieuws. "Die Judenkarikaturen schaden unseren Werten und dem Ruf unseres Landes", kritisiert Sophie Wilmès.
Es gibt aber auch Politiker, die die Aalster Narren in Schutz nehmen. Das gilt zum Beispiel für den Aalster N-VA-Bürgermeister Christoph D'Haese und auch die N-VA-Minister Ben Weyts und Zuhal Demir. Wobei: Auch einige N-VA-Politiker schließen sich der Kritik von Sophie Wilmès an: "Genug gelacht!", titelt Het Nieuwsblad. Neben Wilmès sagt das auch der flämische Ministerpräsident Jan Jambon. "Lacht im nächsten Jahr mal bitte über jemand anderen", fasst Gazet van Antwerpen die Reaktion von Jan Jambon zusammen. Die Schlagzeile von De Morgen liest sich wie ein Fazit: "Aalst polarisiert mehr denn je".
"Humor darf kein Vorwand sein für Entgleisungen"
In Aaalst liegen Lach-Erlaubnis und Banalisierung eng beieinander, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Viele Karnevalisten in Aalst sind bestimmt nicht bösen Willens. Sie beanspruchen für sich schlicht und einfach das "Recht über alles und jeden zu lachen". Auch über Rabbiner darf man lachen, sich generell über Religionen lustig machen. Sich dabei aber "rassischer" Merkmale zu bedienen, das macht die Sache unerträglich. Die Aalster Hakennasen stehen den Karikaturen der Nazis in nichts nach. Humor darf kein Vorwand sein für Entgleisungen. Humor ist eine Freiheit. Doch die Freiheit der einen hört da auf, wo die Freiheit der anderen beginnt.
Auch De Morgen geht mit den Aalster Karnevalisten scharf ins Gericht: Es sind Wiederholungstäter, meint das Blatt sinngemäß. Die neuerlichen Entgleisungen kommen mit Ansage. Und obendrauf waren einige dann auch noch so richtig plump. Wie etwa die Gruppe, die als jüdische Ameisen paradierte. Die Erklärung liegt anscheinend im Aalster Dialekt: Thema war die Klagemauer, niederländisch Klaagmuur. In Aalst spricht man "muur" "mier" aus. Und "mier", das ist Niederländisch für Ameise. Nur muss das die Welt ja nicht wissen. Kein Wunder, dass nicht nur jüdische Organisationen darin einen Ungeziefer-Vergleich gesehen haben. Es ist irgendwie traurig zu sehen, wie ein vielleicht gut gemeinter, aber falsch verstandener Humor eine so stolze Tradition wie den Aalster Karneval derartig in Verruf bringen kann.
"Ausgelacht zu werden, das ist ein Grundrecht"
Einige Leitartikler sehen das Ganze demgegenüber wohlwollender. "Zum Glück wurde gestern in Aalst auch über Juden gelacht", meint etwa Het Nieuwsblad. Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: Dass die Karnevalisten alles und jeden verspotten, nur die Juden nicht. Nach der Polemik des letzten Jahres wäre das einer Selbstzensur gleichgekommen, was gegen die Grundwerte dieser Tradition verstoßen hätte. Wobei: Dem einen oder anderen kann man wohl schlechten Geschmack bescheinigen. Unter anderem wurden ja gestern Judensterne verteilt. Das ist aber kein grotesker Antisemitismus, sondern allenfalls ein Zeichen für mangelndes Geschichtsbewusstsein.
Gazet van Antwerpen argumentiert ähnlich: Ausgelacht zu werden, das ist ein Grundrecht. Die Aalster Karnevalisten haben sich dem Druck nicht gebeugt. Sie lachen über alles und jeden, und warum dann nicht auch über die Juden? Zugegeben: In den düsteren Zeiten der Vergangenheit wurden Judenkarikaturen benutzt, um ihnen die Schuld an allem zu geben, was schief lief. Und das hat letztlich zum Holocaust geführt. Aber so tragisch das ist, das ist kein Grund, um nie wieder über Juden lachen zu dürfen. Lasst die Karnevalisten also lachen! Solange wir verstehen, dass eine Karikatur nicht dasselbe ist, wie die Realität, gibt es eigentlich kein Problem.
"Traditionen sollten mit der Zeit gehen"
"Worüber dürfen wir noch lachen?", das ist wohl die Kernfrage in der ganzen Geschichte, meint Het Belang van Limburg. Und hier haben alle über die Stränge geschlagen. Ein israelischer Minister, der aufruft, den Karneval von Aalst zu verbieten, das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die sich jahrein, jahraus für diese Tradition engagieren. Judensterne zu verteilen, und wenn es nur zwei ineinandergesteckte "A"s waren, das geht allerdings auch viel zu weit. Es wäre wohl im Sinne aller, wenn sich jeder regelmäßig mal in die Haut des jeweils anderen versetzt und man miteinander redet, vor allem über die Frage, was als verletzend empfunden wird.
Traditionen sollten mit der Zeit gehen, empfiehlt auch L'Avenir. Es werden zum Beispiel in Ypern keine lebenden Katzen mehr vom örtlichen Belfried geworfen. Und auch der Zwarte Piet hat sich den sozialen Netzwerken anpassen müssen. Das muss ja nicht gleich in Zensur ausarten, oder in vorauseilende Selbstzensur. Sich, komme was will, einzuigeln, wird wohl nicht dazu führen, dass der internationale Druck abnimmt. Jetzt sollten alle konstruktiv und mit Empathie miteinander reden. Damit der Karneval von Aalst im nächsten Jahr nicht wieder als antisemitische Hassveranstaltung um die Welt geht.
Roger Pint
Satire ist SITUATIONSkomik, eine bestimmte Sache in Zusammenhang mit einer Tat kritisieren. NUR bestimmte Volksgruppen negativ darzustellen ist nicht lustig. Netanjahu als korrupten Politiker darstellen (immerhin kommt er demnächst mit diesem Delikt vor Gericht, falls er dies nicht mit seinem Freund Trump verhindern kann) wäre somit durchaus satirewürdig. So Ist es plump und rassistisch. Wenn sie alle und jeden karikieren in Aast, wo ist der Wagen mit De Wever ? Eine Gemeinde deren größte politische Familie die NVA ist, muss sich nicht wundern, wenn sie als faschistoid wahrgenommen wird. Dies alles gilt übrigens auch für Muslime, und da pochen alle auf Meinungsfreiheit. Einige der Dänen-Karrikaturen oder von Charlie Hebdo waren auch mehr als rassistisch mit keiner anderen Aussage als Moslem = Terrorist. Beschämend und entwürdigend für die vielen Millionen Moslems, die seit Jahrzehnten friedlich unter uns wohnen.
In der heutigen Presseschau vermisse ich die Stellungnahme des GE. Streiken die heute? Oder hat der gestrige Sturm den Druck verhindert? Mein Briefkasten war heute Morgen leer.
Und dann das Programm des BRF!!!
Zum Weglaufen!!! Wie das Wetter!