"König Albert II. ist der leibliche Vater von Delphine Boël", titelt La Libre Belgique. L'Avenir dreht die Schlagzeile um: "Delphine Boël ist tatsächlich die Tochter von König Albert". "DNA beweist die Vaterschaft von Albert II.", notiert das GrenzEcho. "Doch der Vater", schreibt lapidar Het Belang van Limburg.
Per Kommuniqué hat König Albert II. am Montag eingeräumt, dass er der Vater von Delphine Boël ist. Kurz zuvor hatte er offensichtlich die Ergebnisse des Gentests einsehen können, zu dem er durch den Brüsseler Appellationshof gezwungen worden war. Daraufhin hat er sich offensichtlich dazu entschlossen, die Flucht nach vorn anzutreten. Er beugt sich aber lediglich dem wissenschaftlichen Befund. Der Rest der Pressemitteilung ist eher kalt formuliert.
"Prinzessin Boël"
Neben den betont nüchternen Schlagzeilen gibt es auch Titelzeilen mit einem ironischen Unterton: "Sie ist also doch die Tochter ihres Vaters", titelt etwa De Morgen. "Schwergeburt", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Für Delphine Boël ist es die Krönung", bemerkt Le Soir. Het Laatste Nieuws trägt besonders dick auf: "von königlichem Blute", so die Schlagzeile. Dazu passt das Foto auf Seite eins: ein würdevolles Schwarz-Weiß-Bild, auf dem Delphine Boël sehr elegante Kleider trägt - fast wie eine Prinzessin. Eben diesen Begriff verwendet De Standaard: "Kniefall vor 'Prinzessin' Boël", schreibt das Blatt.
Für Delphine Boël ist es das Ende eines langen Weges. Eines ZU langen Weges, sind sich die Zeitungen einig. Albert hätte sich auch den früheren französischen Präsidenten François Mitterrand zum Vorbild nehmen können, meint etwa Het Nieuwsblad. Als die Existenz von dessen außerehelicher Tochter Mazarine bekannt wurde, da sagte Mitterrand lapidar: "Et alors?", "Na und!". Albert entschloss sich seinerseits dazu, aus einem Kind der Liebe eine verstoßene Tochter zu machen. Als Delphine vor knapp sieben Jahren ihre Vaterschaftsklage einreichte, da hätte Albert immer noch "Et alors?" sagen können. Stattdessen leugnete er aber weiter das Licht der Sonne. Irgendwo in Laeken müssen wohl noch Leute herumlaufen, die bislang noch davon ausgegangen sind, dass die Königsfamilie unantastbar ist. Seine Familie, seine Berater, seine Anwälte, sie alle haben den König zu dieser zerstörerischen Strategie gebracht.
"Et alors?", meint auch Het Belang van Limburg. Albert hätte einfach zu seiner Vergangenheit und zu seiner Tochter stehen müssen. Durch seine sture Verweigerungshaltung hat er viel Leid und Verzweiflung verursacht. Der Mann ist offensichtlich immer noch das Produkt seiner Erziehung. Dabei ist doch eigentlich nichts dabei. Die Geschichtsbücher sind voll mit Königen, die fremdgegangen sind. Vielleicht ist diese Episode aber für unsere Monarchie ein Meilenstein. Unabhängig von der Frage, ob ein Königshaus überhaupt noch zeitgemäß ist, zeigt die Geschichte, dass sich auch der Palast in Laeken in einer Wandlung befindet.
Et alors?
Auch De Morgen denkt an Mitterrand: 1999 kam die Existenz einer unehelichen Tochter ans Licht. Mehr als 20 Jahre lang hat König Albert die wohl einfachste Antwort auf alle Fragen nicht über die Lippen bekommen: "Et alors?" "Was soll's!". Albert II. hätte als der König in die Geschichte eingehen können, der das Amt menschlicher gemacht hat. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Baudouin wirkte er schlichtweg "normaler". Leider fehlte ihm im entscheidenden Moment der Mut zu einem wirklichen Akt der Menschlichkeit. Vaterliebe, mehr war ja gar nicht gefragt. Es ist nicht die außereheliche Beziehung, die seinem Ruf geschadet hat, sondern die jahrelangen Lügen darüber.
Auch Het Laatste Nieuws übt scharfe Kritik an der Haltung des Monarchen. "Er sei bereit, einzuräumen, dass Delphine seine Tochter ist", heißt es da in seinem Kommuniqué. Haben wir da richtig gelesen? Bereit? Was offensichtlich nach einer großzügigen Geste klingen soll, dafür gibt es doch letztlich einen unumstößlichen wissenschaftlichen Beweis. Von wegen "bereit", Albert ist dazu auf den Knien gezwungen worden. Und dann nennt er die ganze Prozedur auch "schmerzhaft". Wenn es hier Opfer gibt, dann sind es wohl in erster Linie Delphine und ihre Mutter.
Eine "Geste der Befriedigung", wirklich?
La Libre Belgique scheint dagegen fast schon Verständnis für König Albert zu bringen. Zwar räumt der Leitartikler ein, dass die Verweigerungshaltung des Königs nur schwer nachvollziehbar war, dass er leugnete, was nicht zu leugnen war. Zugleich spricht er aber von einer "Geste der Befriedung", die der König da vollzogen habe. Es sei einfach nur wichtig, dass jetzt endlich wieder Ruhe einkehre.
Le Soir sieht das ganz anders. Was sollte das Ganze? Warum diese Flucht vor der väterlichen Verantwortung? Albert II. mag seine persönlichen Gründe gehabt haben, nur steht er als König stellvertretend für eine Institution, die ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht geworden ist. Dass ein Ex-Monarch partout einer jungen Frau den Status seiner Tochter abspricht, dafür fehlen einem die Worte. Aber sehen wir es mal positiv: Die Macht einer jungen Frau hat sich gegen die Macht eines Königs durchgesetzt. Es gibt keine uneinnehmbaren Festungen mehr, wenn man das Recht und die Wissenschaft auf seiner Seite hat. Der Preis, das waren Depressionen, Einschüchterungen, Verleumdungen und Demütigungen. Albert hat recht: Dass diese Geschichte auf dem Marktplatz gelandet ist, darauf hätte man bestimmt verzichten können. Nur ist er der Hauptverantwortliche dafür.
Totale Blockade
Der amtierende König Philippe hat aber auch seine Probleme, die ihm wohl Kopfzerbrechen bereiten dürften. Heute müssen die beiden Informatoren Joachim Coens und Georges-Louis Bouchez im Palast ihren Abschlussbericht vorlegen. Eine Koalitionsempfehlung werden sie wohl nicht aussprechen können: "Die PS sagt Nein zu einer Regierung mit der N-VA", notiert Gazet van Antwerpen.
"Die föderale Blockade ist total", kann da La Libre Belgique nur feststellen. Mindestens zwei Zeitungen, nämlich De Standaard und De Tijd, sehen da im Grunde nur noch einen Ausweg: Neuwahlen.
Roger Pint