"Am Rande eines Krieges", titelt Het Nieuwsblad. "Trump auf Kriegspfad gegen den Iran", so die Schlagzeile bei L'Avenir. "Kräftemessen zwischen Iran und den USA bedroht Sicherheit im Nahen Osten", heißt es bei De Tijd auf Seite eins.
Ausführlich beschäftigen sich die Zeitungen mit den neuen Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Eine US-Drohne hatte einen der höchsten iranischen Generäle, Qassem Soleimani, in Bagdad getötet. Er galt als Kopf der iranischen Militäroperationen im Ausland und wird unter anderem für den Tod Hunderter Amerikaner verantwortlich gemacht. Den Befehl zu seiner Tötung hatte US-Präsident Donald Trump gegeben.
La Libre Belgique kommentiert: Trumps Antrieb ist die Konfrontation. Im Iran will er ein demokratischeres Regime einsetzen, das besser zu den Interessen des Westens passt.
Dabei vergisst er zwei Sachen: Erstens reicht es dafür nicht, einen einzigen Menschen zu töten. Das hat die Erfahrung im Irak gezeigt, wo 2003 zwar der Tyrann Saddam Hussein gestürzt wurde, danach der irakische Staat aber in komplettem Chaos versank. Zweitens ist der iranische General, der äußerst populär war, jetzt zu einem Märtyrer geworden. Sein Tod wird gerächt werden, weiß La Libre Belgique.
Was nun?
Le Soir fragt sich besorgt: Stehen wir jetzt wirklich vor dem Ausbruch des Dritten Weltkriegs? Wahrscheinlich nicht. Oder besser gesagt: nicht unmittelbar.
Die Ajatollahs im Iran wissen, dass die USA militärisch viel stärker sind. Und die Amerikaner werden die Initiative nicht ergreifen. Aber natürlich wird der Iran sich rächen.
Es wird zu Scharmützeln mit US-Truppen kommen, Attentate und Entführungen geben. Letztlich könnte das zum vollständigen, ruhmlosen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak und Syrien führen. Und damit hätte der jetzt als Märtyrer verehrte Soleimani aus dem Grab heraus Rache genommen, analysiert Le Soir.
L'Avenir hält fest: Internationale Beobachter sind sich darin einig, dass General Soleimani eine Bedrohung für den internationalen Frieden war. Seine Exekution hat die Welt allerdings nicht sicherer gemacht. Ganz im Gegenteil droht jetzt vielleicht sogar eine Eskalation der Gewalt.
Und es sieht fast so aus, als ob Trump erneut eines seiner Wahlversprechen gebrochen hat: Er hatte angekündigt, die US-Truppen aus all den Langzeitkonflikten wie in Afghanistan, Syrien und dem Irak zurückzuziehen. Im Irak sieht es jetzt so aus, als ob das nur schwerlich realisierbar sein wird, prophezeit L'Avenir.
Die Wirtschaftszeitung De Tijd sieht das genauso und führt aus: Nach diesem Schlag gegen den Iran kann Trump jetzt nicht klein beigeben, wenn der Iran seine Vergeltungsmaßnahmen startet. Die werden nicht offen in einem Krieg ausgetragen werden, sondern wohl eher mit Angriffen und Anschlägen hier und da gegen US-Bürger und -Militärs.
Der Irak ist dafür ein passender Schauplatz. Mehr US-Soldaten im Irak scheint ein unausweichliches Szenario für Trump zu sein. Man darf gespannt sein, wie das den amerikanischen Wahlkampf beeinflussen wird, so De Tijd.
Jede Chance für Entspannung ist vom Tisch
Het Laatste Nieuws bemerkt: Anders als viele Analysen jetzt vorgeben, ist die Tötung von General Soleimani nicht aus Willkür geschehen. Vielmehr ist sie ein konsequentes Handeln von Trump: Seine Regierung hatte im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass Angriffe auf Amerikaner im Irak eine rote Linie seien.
In den vergangenen Tagen gab es solche Angriffe, ausgeführt von einer Miliz, die Soleimani aufgebaut hatte. Seine Eliminierung ist folgerichtig. Es wäre zu hoffen, dass der Iran das als Warnung erkennt, jetzt nicht weiter gegen die USA zündelt, sondern der Diplomatie wieder den Vorrang gibt, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
De Standaard hingegen glaubt: Alle Hoffnung auf Entspannung in der ölreichen Region ist nun verschwunden. Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, um mit dem Iran zum Beispiel auch über sein Atomprogramm zu reden, ist jetzt nicht mehr denkbar.
Und auch auf eine Abnahme der Flüchtlingswelle aus dieser Ecke der Welt braucht man nicht mehr zu hoffen, notiert resigniert De Standaard.
Einen kühlen Kopf bewahren
De Morgen rät: Europa muss einen kühlen Kopf bewahren. Die EU kann jetzt als Vermittler in dem Konflikt auftreten, darf in dieser Rolle dann aber nicht vergessen, dass sie auch eigene Interessen in Nahost hat. Die müssen gewahrt bleiben, erinnert De Morgen.
Mit Blick auf die Krise in der Golfregion schreibt das GrenzEcho: Die Liquidierung des Generals wird zweifelsohne zu Vergeltungsmaßnahmen, sprich Terror führen.
Der Terrorismus wird die Welt auch im neuen Jahrzehnt treffen. Dennoch muss man davon ausgehen, dass die größten Herausforderungen der 2020er-Jahre der Klimawandel und, mehr noch, der dramatische Wandel der Wirtschafts- und Finanzwelt sein werden.
Die letzte große Wirtschaftskrise traf die Welt 2008. Die nächste steht vor der Tür. Und wird zu Spannungen zwischen Arm und Reich, Klimaaktivisten und Klimaleugnern führen. Am liebsten würde man nicht daran denken, seufzt das GrenzEcho.
Kay Wagner