"2020: Das wird besser in diesem Jahr als 2019", titelt Le Soir. "Erste Nacht 2020 beginnt mit Feuerwerk und endet in Asche", notiert Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Wie stürmisch werden die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts werden?", fragt De Morgen auf seiner Titelseite.
Auch in ihren Kommentaren widmen sich viele Zeitungen dem Jahreswechsel. Het Laatste Nieuws erinnert: 2019 war das beste Jahr aller Zeiten. Das haben wir in unserer Silvesterausgabe verkündet aufgrund von wissenschaftlichen Daten zur Kindersterblichkeit, extremer Armut, Analphabetismus und Ähnlichem. Auch soll die Menschheit noch nie so gesund gewesen sein, noch nie so sicher, noch nie so frei und noch nie so reich. Paradox allerdings ist, dass viele Menschen bei uns dieses Glück nicht empfinden. Ganz im Gegenteil nämlich fühlen sich immer mehr Menschen bedroht, vernachlässigt und wirtschaftlich benachteiligt. Um ein gutes Zusammenleben zu gewährleisten, müssen unsere Politiker die Gefühle dieser Menschen ernst nehmen. Dass die Politiker das schaffen, das wünschen wir ihnen für 2020, so Het Laatste Nieuws.
Macht etwas!
An die führenden belgischen Politiker gewandt schreibt L'Echo: Paul, Bart, Georges-Louis, Joachim, Gwendolyn, Jean-Marc und all die anderen: Lasst uns das neue Jahr damit beginnen, endlich Schluss zu machen mit den Endlospielchen. Die Bürger haben die Schnauze voll. Sie wollen, dass Ihr jetzt endlich mal zu Potte kommt, dass es endlich etwas wird mit einer neuen Regierung. Egal wie! Lasst Euch was einfallen! Hackt das System! Setzt eine Technokraten-Regierung ein! Oder ruft Neuwahlen aus! Aber auf jeden Fall: Macht etwas! Denn ohne Plan wird es Belgien, wie jedem Unternehmen auch, gehen - es wird wird pleite gehen, fürchtet L'Echo.
Pessimistisch schaut auch L'Avenir auf das neue Jahr: 2020 wird kein guter Jahrgang werden, sondern vielmehr einen bitteren Nachgeschmack im Mund zurücklassen. Denn 2020 wird den Bürger viel Geld kosten. Überall stehen Preiserhöhungen an oder sind schon vollzogen. Bier wird teurer, Internet und Telefon bei Proximus auch, Bankgebühren, Strom, Gas, Wasser, die Arztrechnung - Grund zur Freude gibt es da nun wirklich nicht. Aber gut: Trotzdem frohes Neues!, wünscht L'Avenir.
Lassen wir sie also kommen, die 20er-Jahre
Positiv hingegen schaut De Morgen auf das neue Jahrzehnt und begründet: Dass es spannende Jahre werden, die vor uns liegen, hat die Neujahrsrede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht. Es war eine Art "Yes We Can!"-Rede. Merkel sagte: "Die 20er Jahre können gute Jahre werden. Überraschen wir uns einmal mehr damit, was wir können. Dazu brauchen wir mehr denn je den Mut zu neuem Denken, die Kraft, bekannte Wege zu verlassen, die Bereitschaft, Neues zu wagen, und die Entschlossenheit, schneller zu handeln, in der Überzeugung, dass Ungewohntes gelingen kann - und gelingen muss, wenn es der Generation der heute jungen Menschen und ihren Nachkommen noch möglich sein soll, auf dieser Erde gut leben zu können." Lassen wir sie also kommen, die 20er-Jahre, freut sich De Morgen.
De Standaard geht auf die Krawalle in der Silvesternacht ein und führt aus: In den Niederlanden und in Frankreich sind solche Ausschreitungen schon längst traurige Tradition. Bei uns wiederholen sie sich erst seit wenigen Jahren. In Brüssel, Antwerpen und Lüttich kam es zu Randale, Autos brannten, Fensterscheiben gingen zu Bruch. Viele Bürgermeister sind entsetzt darüber und wollen sich zur Wehr setzen. Und das ist vollkommen richtig. Gewalt an Silvester darf nicht auch bei uns zur Gewohnheit werden. Man muss beherzt gegen sie vorgehen und die Täter streng bestrafen, fordert De Standaard.
Alte Traumata, ein Dilemma und Zweiklassen-Justiz
De Tijd kommentiert zur Belagerung der US-Botschaft in Bagdad: Diese Bedrohung weckt bei Amerikanern böse Erinnerungen. Wie Traumata wirken heute immer noch die Überfälle auf die US-Botschaften in Saigon und Teheran. Das erklärt, warum Donald Trump jetzt auch sofort viele Soldaten nach Bagdad schickt. Doch damit steckt Trump jetzt in einem Dilemma. Denn eigentlich wollte er ja die amerikanischen Truppen aus dem Irak komplett abziehen. Er merkt, dass das nicht geht, ohne ein Vakuum zu hinterlassen, das schnell von antiamerikanischen Kräften gefüllt wird. Im Wahljahr 2020 muss Trump sich entscheiden: Entweder schickt er weiter neue Soldaten in den Irak und riskiert damit tote Amerikaner. Oder er zieht den Abzug durch und überlässt damit dem Iran das Feld, analysiert De Tijd.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit der Flucht des ehemaligen Chefs von Renault-Nissan, Carlos Ghosn, aus Japan und schreibt: Diese Flucht hat einen ganz bitteren Beigeschmack. Ghosn hätte sich in ein paar Monaten wegen Steuerhinterziehung und Untreuevorwürfen vor Gericht verantworten sollen. Seine Flucht war nur möglich, weil er mächtige Helfer hatte. Im Libanon, wo er sich jetzt befindet, hat ihm die Regierung quasi den roten Teppich ausgerollt – eine Regierung, die von der eigenen Bevölkerung als korrupt bezeichnet wird. Ghosn entzieht sich dadurch einem Prozess, dem sich ein normaler, weniger einflussreicher Angeklagter nicht auf diese Weise entziehen könnte. So kann man auch eine Zweiklassen-Justiz schaffen, empört sich La Libre Belgique.
Kay Wagner