"Regenbogen liegt in den Händen der Open VLD", notiert Le Soir auf Seite eins. "CD&V gibt burgundischer Koalition den Vorzug", meldet De Morgen auf seiner Titelseite. Die Bemühungen um eine neue Föderalregierung sorgen heute zwar nicht für große Aufmachergeschichten. Dafür widmen sich gleich mehrere Leitartikler dieser Thematik.
L'Avenir hält fest: Am Montag noch verbreitete Informator Paul Magnette Optimismus, dass es mit einer Alternativregierung ohne N-VA-Beteiligung gehen könnte. Doch gestern erhielten diese Pläne einen Dämpfer. Die CD&V machte deutlich, dass sie für eine solche Regenbogenkoalition nicht zur Verfügung stehen würde. So sagte es zumindest das einflussreiche CD&V-Urgestein Eric Van Rompuy.
Die Aussage macht die Schwäche der Methode Magnette deutlich: Magnette lässt die Parteien ja gerade über Inhalte diskutieren. Bei diesen Gesprächen sind alle Parteien mit Eifer dabei. Doch wenn es darum geht, konkret Verantwortung zu übernehmen, wird plötzlich wieder geblockt. Aus Angst vor dem Votum der Wähler beim nächsten Urnengang, weiß L'Avenir.
Auch Flamen verlieren
Het Belang van Limburg erinnert: Die CD&V und die Open VLD könnten die Weichen stellen für eine Regenbogen-Koalition. Mindestens eine der beiden Parteien müsste dabei mitmachen. Doch sie haben Angst vor der N-VA, mit der sie in Flandern ja gemeinsam regieren. Und die N-VA ihrerseits ziert sich immer noch, wirklich einen Schritt auf die PS zuzugehen.
Die flämischen Parteien tun gerade so, als ob Flandern nichts durch die Blockade auf föderaler Ebene zu verlieren hätte. Doch das ist nicht so. Auch in Flandern würden die Menschen gerne Entscheidungen bekommen zu höheren Gehältern, gerechter Besteuerung, mehr Abgaben von Reichen und multinationalen Unternehmen. Ist das alles wirklich so schwierig?, fragt Het Belang van Limburg.
Gazet van Antwerpen analysiert: Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich N-VA auf der einen Seite und Open VLD und CD&V auf der anderen Seite momentan liefern. Beide Seiten wollen, dass sich der andere zuerst bewegt. Die N-VA möchte, dass CD&V und Open VLD Farbe bekennen: Stehen sie bereit für eine Föderalregierung ohne N-VA? OpenVLD und CD&V dagegen wollen erst mit Sicherheit wissen, dass die N-VA föderal nicht regieren will.
Das blockiert alles, und inzwischen nimmt die Parlamentsarbeit bizarre Formen an: eine Regierung, von der nur noch ein Viertel der Minister in der Kammer erscheint; Gesetzesvorschläge mit hohem ethischem Wert wie Euthanasie für Demenzkranke; Profilierungssucht einiger Parteien mit Gesetzen, für deren Umsetzung am Ende vielleicht gar kein Geld da sein wird, bedauert Gazet van Antwerpen.
Profilierungssucht der Liberalen?
Zum Thema Euthanasie meint De Morgen: Die Open VLD hat den Vorschlag gemacht, auch Demenzkranken die Möglichkeit von Euthanasie einzuräumen. Ob das ein guter oder schlechter Vorschlag ist, ist ganz schwer zu entscheiden. Nehmen wir nur das Beispiel, das gestern auch in der Kammer genannt wurde: Ein demenzkranker Heimbewohner, der seine Kinder darum bittet, seinen letzten Wunsch zu erfüllen und ihm eine Prostituierte zu besorgen.
Was macht man mit so einem Wunsch? Lehnt man ihn ab, dann stellt sich die Frage, was ein letzter Wunsch überhaupt noch wert ist. Gewährt man den Wunsch, ist es auch irgendwie zweifelhaft. Einfache Antworten gibt es bei dem Thema nicht. Deshalb muss das Thema ausführlich in der Öffentlichkeit debattiert werden, fordert De Morgen.
De Standaard ärgert sich: Der Gesetzesvorschlag der Open VLD ist schlampig vorbereitet worden. Das merkt man, wenn man ihn liest. Er ist hopplahopp zusammengestellt worden, damit die Partei sich in einer Zeit profilieren kann, in der es keine handlungsfähige Regierung gibt. Das ist unverantwortlich von den Liberalen, denn hier geht es um Leben und Tod von Menschen. Und das peitscht man nicht einfach mal so schnell durchs Parlament, schimpft De Standaard.
Stumpfe Waffe fördert Blaseneffekt
Het Laatste Nieuws hingegen meint: Abtreibung und Euthanasie – da stehen plötzlich zwei Gesetzesvorlagen mit hoher ethischer Brisanz zur Abstimmung im Parlament. Und es sieht so aus, als ob die vorgeschlagenen Änderungen schnell angenommen würden. Einige finden das verwerflich und sprechen von Profilierungssucht einiger Parteien. Doch eigentlich ist das nur zu begrüßen.
Das Herz einer Demokratie ist das Parlament. Und wenn es keine handlungsfähige Regierung gibt, muss eben das Parlament die Gesetzgebung in die Hand nehmen. Außerdem ist es schön zu sehen, dass augenscheinlich nicht alles in Belgien so viel Zeit benötigt wie die Bildung einer neuen Föderalregierung, frotzelt Het Laatste Nieuws.
De Tijd berichtet, dass ING als erste Bank in Belgien überlegt, ihren Businesskunden Negativzinsen in Rechnung zu stellen. Die Wirtschaftszeitung kritisiert: Damit wird auch Belgien jetzt Opfer der langjährigen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Es wird Zeit, dass diese Politik endlich aufhört. Als Waffe gegen eine neue Wirtschaftskrise ist sie mittlerweile sowieso stumpf geworden, und sie hat zu einer Blase gerade im Immobiliensektor geführt, die bei einem Platzen verheerende Folgen haben könnte, fürchtet De Tijd.
Kay Wagner