"Die Briten gehen am 12. Dezember zu den Urnen", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Boris bekommt seinen Willen, die Briten wählen am 12. Dezember", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Und der Brexit ist der Einsatz", hakt Het Nieuwsblad ein.
Das britische Unterhaus hat am Abend dann doch grünes Licht für Neuwahlen gegeben. Die werden also am 12. Dezember stattfinden und nicht am 9., wie es die Opposition gefordert hatte. Premierminister Boris Johnson hatte seit seinem Amtsantritt auf Neuwahlen gedrängt.
Ob damit aber die innenpolitische Blockade gelöst werden kann, bleibt abzuwarten: "Es besteht die Gefahr, dass auch Neuwahlen keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse bringen werden", bemerkt De Standaard auf seiner Titelseite.
L'Avenir kommt in seinem Leitartikel zu einem ähnlichen Schluss: In dem Brexit-Chaos auf der anderen Seite des Ärmelkanals haben längst die meisten den Durchblick verloren. Das gilt wahrscheinlich sogar für viele Briten. Nach über dreieinhalb Jahren der Irrungen und Wirrungen wird es höchste Zeit, diese Krise beizulegen. Doch ist nicht auszuschließen, dass die jetzt angesetzten Neuwahlen nur eine weitere Episode in dieser so britischen Seifenoper sein werden.
In einer Demokratie ist es bestimmt nicht verkehrt, in einem solchen Moment die Meinung der Bürger abzufragen. Zugegeben: In Großbritannien ist es die vierte Wahl innerhalb von vier Jahren. Die Umfragen scheinen für Boris Johnson zu sprechen. Es wäre aber bestimmt nicht das erste Mal, dass sich Neuwahlen am Ende gegen denjenigen wenden, der sie angestoßen hat.
Für Het Laatste Nieuws kann hier eigentlich die Europäische Union nur gewinnen: Bekommt Johnson eine Mehrheit, dann wird Großbritannien wohl spätestens am 31. Januar 2020 die EU verlassen. Dann ist dieses leidige Kapitel zumindest vorbei. Gewinnt die Opposition, dann könnte es ein neues Referendum geben. Für die EU ist das eine noch attraktivere Perspektive. Keine Entscheidung ist jedenfalls oft schädlicher als gleich welcher Beschluss, selbst, wenn er schlecht ist.
Der nationale Zoff geht weiter – nur in anderer Form
Het Belang van Limburg sorgt sich seinerseits um das Klima auf den britischen Inseln. In der Brexit-Debatte fallen mit großer Regelmäßigkeit Worte wie "Verrat" oder "Krieg". Sogar der Erzbischof von Canterbury hat in dieser Woche Premier Boris Johnson ermahnt, dass der mit seinem Sprachgebrauch nur Öl ins Feuer gieße.
Viele sind der Ansicht, dass die Brexit-Saga letztlich die britische Demokratie bedroht – Ein "Staatstreich in Zeitlupe". Der nationale Zoff bekommt in den nächsten Wochen die Form eines Wahlkampfes. Der droht aber auch schon wieder zu entgleisen und einen gefährlichen, anti-parlamentarischen Ton zu bekommen. Und das ausgerechnet in einem Land, das bislang als Trutzburg der parlamentarischen Demokratie galt.
Letzter Applaus für Marieke Vervoort
Die flämischen Zeitungen widmen ihre Titelseiten einer Beisetzung. Gestern wurde die Parathletin Marieke Vervoort zu Grabe getragen. "Letzter Applaus für Marieke Vervoort", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Alle trauern, sogar ihr Assistenzhund", notiert sinngemäß Het Nieuwsblad.
Marieke Vervoort war wegen einer schweren Krankheit auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hat aber das Beste daraus gemacht und nahm an diversen Paralympics und Weltmeisterschaften teil. 2012 holte die Rollstuhlleichtathletin in London die Goldmedaille über 100 Meter. Jetzt waren aber die Schmerzen und Begleiterscheinungen ihrer Krankheit so schwerwiegend geworden, dass sie Sterbehilfe in Anspruch genommen hat.
"Unsere Familie wird nie mehr vollzählig sein", sagen die Angehörigen auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Gazet van Antwerpen zitiert aus der Trauerrede, die Marieke Vervoort selbst verfasst hatte: "Nehmt mich nochmal richtig in den Arm, dann bin ich der reichste Mensch der Welt".
Mit Stichflammenpolitik ist niemandem geholfen
Der Freitod der Ausnahmesportlerin hat in Flandern eine neue Debatte über die Sterbehilfe ausgelöst. Allen voran die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten plädierte für eine Ausweitung der Euthanasie-Gesetzgebung. Demnach sollten auch Menschen Sterbehilfe beantragen dürfen, die ihr Leben als "erfüllt" betrachten.
Unmittelbarer Anlass sind Aussagen der flämischen Radiolegende Lutgart Simoens. Die 91-Jährige erwartet nach eigenen Worten nichts mehr von ihrem Leben, das Einzige, was noch auf sie zukomme, seien Krankheit und Schmerzen.
Es ist eine heikle Debatte, die aber nicht aus der Luft gegriffen ist, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Die Selbstmordrate unter Hochbetagten über 85 ist überproportional hoch. Die Frage ist nur, inwieweit eine solche Entscheidung wirklich aus freien Stücken erfolgt. Geht es hier nicht mehr um Einsamkeit? Um das Gefühl, überflüssig zu sein, die Kontrolle über das eigene Leben verloren zu haben?
Vergessen darf man auch nicht möglichen sozialen Druck, den der eine oder andere empfinden mag, etwa, wenn von den steigenden Kosten die Rede ist, die durch die Vergreisung der Bevölkerung entstehen. Muss man also wirklich einen gesetzlichen Rahmen schaffen, um es älteren Menschen leichter zu machen, freiwillig aus dem Leben zu scheiden? Hier geht es wohl eher um eine andere Frage: "Wie gehen wir mit unseren Senioren um?"
Auch De Morgen ist skeptisch: Eine Ausweitung der Euthanasie-Gesetzgebung wäre die falsche Antwort. Wäre es nicht besser, erst die Selbstmordprävention zur obersten Priorität zu machen? Was nicht heißt, dass man diese Debatte nicht führen muss.
Für Het Nieuwsblad ist das Ganze nicht mehr und nicht weniger, als ein Publicity Stunt: Vor allem ethische Themen eignen sich prächtig zur Profilierung. Zumal es hier für die Parteien nicht um Kernpunkte ihres Programms geht.
Die flämischen Liberalen haben den Ballon steigen lassen, um eine Debatte anzustoßen. Und der OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten ist es damit zweifelsohne gelungen, zum Stadtgespräch zu werden. Die Debatte mag nötig sein, ein offener Brief ist aber kein Gesetzesvorschlag. Mit Stichflammenpolitik ist niemandem geholfen.
Roger Pint