"Der rassistische Terror trifft wieder die USA", titelt De Morgen. "Die Vereinigten Staaten stehen unter Schock nach zwei Massakern innerhalb von 24 Stunden", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Doppelter Massenmord schockt die USA", schreibt auch De Standaard. "29 Tote innerhalb von wenigen Stunden", notieren sinngemäß Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg.
Die USA sind an diesem Wochenende von zwei mörderischen Attacken erschüttert worden. Erst hatte ein junger Mann in El Paso in Texas in einem Einkaufszentrum 20 Menschen erschossen. Wenig später fielen auch Schüsse in Dayton im Bundesstaat Ohio. Dabei wurden neun Menschen getötet. Bei der ersten Attacke kann man nach vorläufigen Erkenntnissen von einem rassistisch motivierten Terroranschlag sprechen. Der Täter hatte kurz vor dem Massenmord ein Manifest an eine rechtsextreme Website geschickt. Darin schreibt er unter anderem, dass er nach El Paso gekommen sei, um die angebliche "Invasion" von Südamerikanern zu bekämpfen. "Er fuhr erstmal 1.000 Kilometer, um so viele Latinos wie möglich zu erschießen", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Die Aufarbeitung der beiden Anschläge hat derweil gerade erst begonnen. Zwei Schlagzeilen illustrieren die zwei meistgehörten Erklärungsansätze: "Trump in der Kritik nach Massakern in den USA", titelt etwa das GrenzEcho. "Die Debatte über das Waffenrecht ist wieder angestoßen", schreibt seinerseits Le Soir.
Ein immer hohleres Ritual
Es ist zum Verzweifeln, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Das Muster ist inzwischen bekannt. Ein blutrünstiger Schütze eröffnet das Feuer, zahlreiche Unschuldige lassen ihr Leben. Dann folgt ein emotionales Plädoyer für strengere Waffengesetze - und am Ende passiert nichts. Das Ganze hat etwas von einem Ritual, das mit jedem Drama hohler erscheint. Dabei ist offensichtlich, dass die hohe Anzahl Waffen in den USA Massenmorde zweifelsohne begünstigt. Dahinter verbirgt sich aber noch ein tieferliegendes Problem. Wir sehen hier ein Symptom von einer kranken, polarisierten Gesellschaft mit empörenden Ungleichheiten, in der ein fremdenfeindlicher Demagoge Präsident werden kann. Der Abbau von Hass sollte eigentlich die erste Priorität einer jeden Regierung sein.
La Libre Belgique sieht in dem Anschlag von El Paso ebenfalls ein gefährliches Zeichen unserer Zeit: El Paso, aber auch die Attentate von Christchurch, Pittsburgh und Utoya, sind extreme Kennzeichen einer "weißen" Gesellschaft, die Angst hat, ihre Identität und ihren Job zu verlieren, die die Komplexität der Welt nicht versteht, die ihre Eliten beschuldigt, die Augen zu verschließen, die den Medien angebliche "Fake News" unterstellt. Genau diese Ängste und Frustrationen sind das Weißbrot der weißen Rassisten. Wir müssen uns dringend Gedanken machen über den Zustand unserer Gesellschaft.
"Bescheuerter kann fast nicht"
"Das Komplott", so der fast bedrohliche Titel des Leitartikels von Het Nieuwsblad. Das Blutbad von El Paso ist offensichtlich eine direkte Folge der rassistischen Verschwörungstheorien, die immer mehr Köpfe vergiften. Jene aberwitzige These etwa, wonach die politischen Eliten planen, die Bevölkerung ihrer Länder durch Ausländer zu ersetzen: der "Große Austausch". Bescheuerter kann fast nicht. Dieses Gespenst geistert aber nicht nur durch die USA. Die Verschwörungstheorie über den "Großen Austausch" kommt ursprünglich aus Frankreich. Da fallen natürlich fast in jedem Satz Begriffe wie "Invasion". Mit einem Präsidenten, der die angebliche "Invasion von Vergewaltigern und Mördern" konstant in seinem Wahlkampf wiederholt, muss man sich über das Massaker in El Paso nicht wundern.
Eigentlich waren wir gewarnt, bemerkt De Morgen. Europa hat schon 2011 die Anschläge von Anders Behring Breivik erlebt, der auf der Insel Utoya in Norwegen 77 Kinder und Jugendliche ermordet hatte. Unlängst hat ein weißer Rassist in Neuseeland 51 Menschen erschossen, größtenteils Moslems. Allein diese Anschläge zeigen, dass die Täter nicht nur "einsame Wölfe mit psychiatrischen Störungen" sind, sondern angestachelt werden von Online-Netzwerken, die von Radikalisierten betrieben werden. Wie die Dschihadisten sind auch weiße Extremisten ein globales Problem.
Der unerträgliche Gestank des Trump-Mottos
"Weißer Terror", der Begriff trifft wohl den Nagel auf den Kopf, meint auch Het Laatste Nieuws. Was das Phänomen in den USA begünstigt, das ist natürlich die unglaubliche Anzahl von Waffen. Die Waffenlobby hat die Politik fest im Griff, allen voran den Präsidenten. Und das Schlimmste ist dann, wenn dieser Präsident auch noch mit seinen verbalen Angriffen auf nicht-weiße Amerikaner ein Klima von Angst und Hass schürt.
L'Avenir wird noch deutlicher: Diese Massaker werden nicht verübt von Menschen, die, wie Trump behauptet, "feige" sind und unter psychischen Problemen leiden. Nein! Es ist die rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik dieses Donald Trump, der die Ängste des weißen Amerikas befeuert und die letztlich der Motor ist für den weißen Terrorismus, der das Land gerade erschüttert.
Gazet van Antwerpen fasst zusammen: Trump hat einen maßgeblichen Anteil an diesen Tragödien. Erstens verteidigt er die laxen Waffengesetze. Und zweitens hat der Täter in seinem "Manifest" die stigmatisierende Rhetorik von Donald Trump teilweise wortwörtlich übernommen. Fazit: Mit seinem Motto "Make America great again" scheint Trump vor allem sagen zu wollen, dass Waffen heilig sind und Migranten ein Übel. Der Gestank dieses Werbeslogans wird schon immer unerträglicher.
Roger Pint