"Beeindruckendes Gedenken an Julie", schreibt De Standaard auf Seite eins. "1.500 Lichter für Julie", notiert Gazet van Antwerpen. Und Het Nieuwsblad titelt: "Fälle von besonders schweren Straftaten sollen schneller ans Berufungsgericht".
Der Mord an der 23-jährigen Julie Van Espen am Albert-Kanal in Antwerpen beschäftigt weiterhin die Zeitungen. Gestern Abend hatten sich mehr als 1.500 Menschen zu einem stillen Gedenken am Tatort versammelt. Tagsüber war in der Politik darüber diskutiert worden, wie es zu diesem Verbrechen hatte kommen können.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Als Mann kann man nicht nachempfinden, wie es vielen Frauen jetzt geht. Julie Van Espen wurde beim Fahrradfahren und bei Tageslicht von einem Mann angefallen und ermordet. Frauen, das ist die Botschaft, drohen quasi immer und überall zu Opfern eines Verbrechens zu werden. Das ist ein Gefühl der Angst, das man als Mann in diesem Umfang nicht wirklich kennen kann. Das kann man wahrscheinlich auch nicht ändern. Aber wir können alles dafür tun, um das Gefühl der Sicherheit für Frauen so groß wie möglich zu machen, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
Irgendetwas läuft schief
Für Gazet van Antwerpen hat der ganze Vorfall einen bitteren Beigeschmack. Denn, so notiert das Blatt: Der mutmaßliche Täter war ja bereits vor vier Jahren wegen eines Sexualverbrechens verurteilt worden. Aber weil er gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, konnte er weiter frei herumlaufen. Die Forderung steht jetzt im Raum, solche Menschen einzusperren, bis die Sache vor dem Berufungsgericht entschieden wird. Aber das widerspricht unserem Rechtssystem, das kann man nicht machen. Die Lehre aus dem Mord muss vielmehr sein, die Zeit zwischen erster Verurteilung und Berufungsprozess deutlich zu verkürzen. Die politisch Verantwortlichen sollten so schnell wie möglich damit beginnen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, fordert Gazet van Antwerpen.
De Standaard hält fest: Der Vorsitzende des Antwerpener Berufungsgerichts hat mehr Personal gefordert. Schon wieder jemand, der mehr will. Überall hören wir das. Mehr Mittel für Bildung, Pflege, Verteidigung – überall klagt man über chronische Unterbesetzung. Gleichzeitig hat der Staat kein Geld und das Staatsdefizit wächst beängstigend weiter. Irgendwas läuft da schief. Die Politik muss sich dieser Sache annehmen und für ein besseres Funktionieren der öffentlichen Einrichtungen sorgen. Effizienteres Arbeiten wäre ein Stichwort dabei, bemerkt De Standaard.
Zündeln in Nahost
Mehrere Zeitungen beschäftigen sich auch mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Das GrenzEcho hält fest: Trump ist auf dem Kriegspfad. Mit China hat er gerade den Handelskrieg verstärkt. Schlimmer noch ist es im Fall des Iran. Vor Monaten kündigte Trump das Atomabkommen auf, jetzt droht er dem Iran offen mit Krieg. Dabei wird von US-Seite eine Strategie angewandt, die klar an das Vorgehen von George W. Bush gegen den Irak erinnert. Es wird ein Grund gesucht, militärisch zu intervenieren. Man kann nur hoffen, dass Europa dem kriegslüsternen US-Präsidenten rechtzeitig die rote Karte zeigt, statt sich erneut zum Komplizen eines Kriegs zu machen, der im Irak über eine Million Menschen das Leben kostete, erinnert das GrenzEcho.
De Tijd allerdings meint: Europa kann momentan nur machtlos zuschauen, wie sich die USA und der Iran gerade gegenseitig hochschaukeln. Ein Flächenbrand in Nahost ist nicht auszuschließen. Die USA könnten dabei auf mächtige Bündnisgenossen zählen: Israel, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate stehen bereit, um die USA militärisch zu unterstützen. Die ohnehin schon instabile Region könnte einen weiteren Brandherd bekommen, befürchtet De Tijd.
La Libre Belgique hingegen sieht durchaus noch Handlungsspielraum für Europa und führt aus: Europa hat großes Interesse daran, beiden Seiten auf die Finger zu klopfen. Das würde dem europäischen Selbstverständnis entsprechen, eine "Macht der Mitte" zu sein. Deshalb sollte Europa seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen mit dem Iran weiter nachkommen, damit die iranische Wirtschaft nicht zum Stillstand kommt und der Iran weiter sein Erdöl ausliefern kann, empfiehlt La Libre Belgique.
Mangelndes Bewusstsein
De Morgen schreibt zum Verkehrsverhalten der Flamen: Die neueste Studie der flämischen Regierung zeigt: Der Flame ist zwar verrückt nach Fahrradrennen, aber ein Muffel im täglichen Gebrauch des Drahtesels. Schon für eine Strecke von einem Kilometer benutzen mehr als 50 Prozent der Flamen das Auto. Ist die Strecke drei Kilometer lang, sind es schon drei Viertel aller Flamen. Das Bewusstsein scheint bei ihnen noch nicht gereift zu sein, dass auch kurze Strecken mit dem Auto schlecht für das Klima sind. Die meisten handeln aus Gewohnheit. Und sicher auch deshalb, weil viele Fahrradwege nicht wirklich dazu einladen, sie zu benutzen. Wer politisch will, dass mehr Menschen Fahrrad fahren, weiß genau, was zu tun ist: Mehr Fahrradwege müssen her. Sie müssen sicher und attraktiv sein. Alle Parteien versprechen das auch. Mal schauen, was nach den Wahlen davon übrigbleibt, so skeptisch De Morgen.
Kay Wagner